War mal wieder in Kanada unterwegs, konkret am Atlantik in Nova Scotia ganz im Osten. Die Tour mit den Weinen vom Atlantik habe ich vor zwölf Jahren schon mal gemacht. Und schon damals fand ich die Weine dort spannend. Vor allem die der eher fremden Rebsorten wie L’Acadie Blanc, Lucie Kuhlmann oder Maréchal Foch. 

Doppelt so viele Weingüter

Jetzt kann ich über die Entwicklung des Weinbaus in der Atlantik-Provinz nur staunen. Gab es damals 12 Weingüter, hat sich mittlerweile die Zahl verdoppelt. Die Qualität ist klar gestiegen. Einigen Weinen beziehungsweise Sekten kann ich bedenkenlos internationales Top-Niveau bescheinigen. Die Rebfläche in Nova Scotia beträgt nur rund 300 Hektar – vor 12 Jahren waren es noch 100 Hektar. Doch 300 sind immer noch sehr wenig im Vergleich zu größeren Weinregionen Kanadas, wie etwa dem Okanagan Valley  (3900 ha) oder der Niagara-Peninsula (5500 ha). Einiges hat sich nicht geändert: Die rote Telefonzelle bei Luckett steht immer noch. Und man kann dort immer noch gratis telefonieren.

Einzigartiges Atlantik-Klima

Aber die Weinindustrie in Nova Scotia wächst stetig, und die Region hat sich insbesondere für kühle Klimasorten wie Riesling, Chardonnay, L’Acadie Blanc und verschiedene Schaumweine einen Namen gemacht. Auf den Labels findet man auch verstärkt die Herkunftsbezeichnung Annapolis Valley. Das wegen des einzigartigen Mikroklimas für den Weinanbau besonders günstig ist. Die Nähe zum Atlantik sorgt für milde Temperaturen und eine längere Vegetationsperiode, was sich positiv auf die Qualität der Trauben auswirkt.

Vorreiter bei Piwis

Die Weingüter in Nova Scotia sehen sich und sind wohl auch Vorreiter bei den Piwi-Sorten, die in Deutschland trotz einiger Pioniere noch Außenseiter sind. Piwi-Weine wie L’Acadie Blanc, Lucie Kuhlmann, Maréchal Foch, Baco Noir oder Léon Millot sind allgegenwärtig. Aber es gibt natürlich auch Wein der „klassischen“ Rebsorten wie Riesling oder Chardonnay, und die auf gutem Niveau. Allgemein haben mir die Weißweine besser gefallen als die Rotweine. Gilt erst recht für die Piwi- Rebsorten, wo ich mich auch hierzulande mit den roten Sorten doch schwer tue. Die Weißen sind deutlich akzeptabler.
Womit ich schwer klarkomme, aber in Kanada üblich: Wein in Dosen. Auch wenn die meist attraktiv gestaltet sind, kann ich mich damit nicht anfreunden. Bin wohl zu alt.  

Weinverkauf staatlich reguliert

Weitere Beobachtungen: In Kanada variiert die Regulierung des Weinverkaufs von Provinz zu Provinz, da die Alkoholgesetze in die Zuständigkeit der Provinzen fallen. In Nova Scotia wird der Verkauf von Wein durch die Nova Scotia Liquor Corporation (NSLC) reguliert, eine staatliche Alkoholbehörde. NSLC betreibt mehr als 100 Verkaufsstellen. Immerhin dürfen die Weingüter ihre eigenen Weine direkt verkaufen. Erstaunlicherweise sind in den NSLC-Shops Weine aus anderen Regionen Kanadas kaum zu finden. Dabei kommen aus Ontario oder dem Okanagan-Valley viele tolle Weine von zum Teil berühmten Weingütern. Die sind jedoch kaum bis gar nicht präsent, dafür stehen Weine aus Kalifornien, Chile, Neuseeland und natürlich Frankreich und Italien in den Regalen. Deutsche Weine sucht man vergebens (es gab ein, zwei Ausnahmen), Österreich habe ich gar nicht gefunden.
Das Preisniveau ist höher als hierzulande, unter 20 Kanada-Dollar (ca. 15 Euro) ist kaum was zu haben. 

Klasse Weintourismus

Eine gute Idee ist die Marke Tidal Bay, die fast jedes Weingut im Angebot hat, als Dachmarke sozusagen. Tidal Bay ist eine Weißweincuvée, jedes Weingut hat seine eigene Cuvée und auch seine eigene Stilistik. Von trocken bis fast süß ist alles dabei. Mit 20 bis 25 Euro haben alle das gleiche Preisniveau. Habe mehrere probiert und fand die meisten gelungen. Tidal Bay ist eine Anspielung auf die Tiden, in Nova Scotia gibt es die größten der Welt (zum Teil bis 16 Meter).
Unbedingt zu erwähnen ist der Weintourismus. Sehr gut! Nahezu alle Winerys sind zu besuchen, haben kompetentes und sehr freundliches Personal. Und die Preise für Verkostungen sind moderat. 

Zwölf tolle Weine

Habe acht Weingüter besucht und 70 Weine probiert. Diese zwölf Weine vom Atlantik haben mich am meisten beeindruckt – es ist kein Ranking:

  • Rosé; Lightfood & Wolfville – Cuvée aus mehreren Rebsorten, darunter Frontenac Noir. Viel Charakter, schön trocken, angenehme leichte Schärfe; wir entdecken Rhabarber und Grapefruit, dazu die schöne Säure.  
  • Rosé 2022; Glooscap First Nation x Benjamin Bridge – Wird im Verbund mit der Mi’kmaq-Community Glooscap First Nation produziert. 25% Riesling, 50% L’Acadie Blanc, 14% Ortega, 2% Gamay. Wie ein Orange-Wein light, wir entdecken Limonen-Sorbet, Minze und Passionsfrucht. Fein!
  • Muscat 2022; Gaspereau Vineyards – von  der seltenen Piwi-Sorte New York Muscat (nur 14 ha weltweit).  Trotz der Illusion der Süße in der Nase zeigt ist der Wein trocken; Aromen von Rosen und Pfirsich, würziger Abgang.
  • Riesling 2020; Gaspereau Vineyards – feine Frucht, angenehmer leichter Petrolton, 17 Gramm Restzucker werden von 9,5 Säure fein gepuffert.
  • Ancienne Riesling 2020; Lightfood & Wolfville – der beste probierte Riesling, nur 3,6 Gramm Restzucker, Aromen von Lemon-Tarte, Melone und einiges mehr.
  • Wild Fermented Chardonnay 2021; Lightfood & Wolfville – 20 Monate im Barrique, knochentrocken und fein balanciert. Aromen von Haselnuss, Apfel, Kamille, viel Power 
  • Tidal Bay; Luckett Vineyards – Cuvée mit L’Acadie, Osceola Muscat, aromatisch, trocken, lebendig, macht Spaß.  
  • Tidal Bay; Blomidon Winery – L’Acadie Blanc+Seyval Blanc+New York Muscat. So geht Tidal Bay auch, leichte (10% Alc.), erfrischende Meeresbrise.
  • Barrel Fermented Chardonnay 2021; Luckett Vineyards – 15 Monate im Eichenholz, der Chardonnay ist präsent, das Holz fein balanciert.
  • NV Brut Methode Classique; Benjamin Bridge – Sekt aus L’Acadie und Chardonnay. Spanennde Aromatik: Zitrone und Mineralien, Blüten und Rauchnoten
  • Mousseux; L’Acadie Vineyards – Sekt von  L’Acadie, Champagner-Methode und eines guten Champagners würdig; elegant mit tollen Aromen. 
  • Vintage Cuvée 2020;  L’Acadie Vineyards – Klasse! Noch mehr Champagner und göttlich zu frischen Austern.

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