Besuch bei Piwi-Enthusiasten. Das wurde mal Zeit. Wer es noch nicht weiß: Piwi steht für Pilzwiderstandsfähige Reben. Dabei handelt es sich um Kreuzungen aus amerikanischen und asiatischen Wildreben mit europäischen Rebsorten. Die Vorteile sind klar: Wegen der Resistenzen gegen Echten und/oder Falschen Mehltau und anderen Krankheiten müssen weniger oder gar keine Fungizide gespritzt werden. Klingt gut. Das Problem nur: Die Piwi-Weine setzen sich am Markt schwer durch. Auch bei mir wollte Freude bei vielen der probierten Piwi-Weine bisher nicht aufkommen. Viele haben mir einfach nicht geschmeckt. 
Ist aber kein Grund, sich nicht weiter mit dem Thema Piwi zu beschäftigen. Wo, wenn nicht bei den Spezialisten, den wahren Piwi-Enthusiasten, könnte das besser gelingen?

Weingut Wohlgemuth-Schnürr 

Andreas Schnürr mit Sohn Benedikt

So richtig klar ist nicht, wer die Piwi-Pioniere im deutschen Weinbau sind. Andreas Schnürr, der das Weingut Wohlgemuth-Schnürr in Gundersheim (Rheinhessen) seit 2000 führt, ist einer der Kandidaten. Sein Slogan: „Pioniere & Bewahrer“. Piwi-Sorten baut Schnürr seit 2008 „aus tiefer Überzeugung und in großer Breite“ an. 60 Prozent seiner 17 Hektar Rebfläche sind mittlerweile mit Piwi-Rebsorten bestückt.
Grundsätzliche Frage: Warum Piwis? „Wegen der Nachhaltigkeit. Wir brauchen weniger Pflanzenschutz, können bis zu 80 Prozent einsparen“, sagt Andreas Schnürr. Weil er schon mehr als 20 Jahre Piwis anbaut, gibt es inzwischen auch Erfahrungen mit gereiften Piwis, die haben nicht viele. Muss gestehen, dass mich sein Cabertin trocken von 2014 schon beeindruckt hat.
Konnte einige Weine probieren und kann sagen: Respekt, das waren spannende Erfahrungen auf sehr gutem Niveau. Mit Muscaris bin ich nicht so gut klar gekommen (außer einer feinen 2023er Beerenauslese), Cabernet Blanc und Sauvignac haben sich zum wiederholten Mal empfohlen, Prior war eine Entdeckung. 

6 spannende Weine von Wohlgemuth-Schnürr: 
Sauvignac 2023 (würzig, lebendig, erinnert an Sauvignon Blanc)
Cabernet Blanc 2019 (starke Aromatik,  Birne, erster Jahrgang im Holz)
Prior 2022 (im großen Holzfass gereift, schöne Würze, besser als viele Dornfelder)
Muscaris Beerenauslese 2023 (saftig, süß, Mango, hat alles einer feinen BA)
Cabertin 2014 (tolle Reife, angebranntes Karamell, Cabernet-Basis)
Midgard 2021 Souvignier Gris (Klasse Orange-Wein, 5 Tage Maische, dann im Holz, 0 Gramm Restzucker)

PS: Sohn Benedikt zählt auch zu den Piwi-Enthusiasten. Er verfolgt nebenbei auch ganz eigene Projekte. Doch dazu in einem späteren Beitrag mehr.

Weingut Eva Vollmer 

Eva Vollmer

Sollte nach einer Steigerungsform von Piwi-Enthusiasten gesucht werden käme Eva Vollmer in Frage. Die junge Winzerin, die das Weingut Eva Vollmer in Mainz-Ebersheim gemeinsam mit ihrem Mann Robert Wagner seit 2007 führt, ist die perfekte Botschafterin. Ihre Devise: Alte Reben feiern und junge Sorten fördern. 40 Prozent ihrer 10 Hektar Rebfläche sind mit sechs verschiedenen Piwi-Sorten bestückt. 
Den Namen Piwi hält Eva Vollmer (und nicht nur sie) für „unsexy“, lieber spricht sie von Zukunftsweinen. Mit gleichgesinnten Winzern und Winzerinnen aus ganz Deutschland hat sie die Zukunftsweine GmbH gegründet, 70 Betriebe sind bereits Mitglied.   
Durch die Welt der Piwis mit 22 Weinen von ihr und anderen Zukunftswein-Betrieben führt Eva Vollmer mit beeindruckender Leidenschaft. Nicht alles fand ich toll, Johanniter zum Beispiel bleibt mir weiter fremd. Aber auch hier zeigte sich ein Trend (meines Geschmacks): bei Cabernet Blanc und Souvignier Gris gibt es kaum Enttäuschungen, manches war richtig gut. Ein Monarch und vor allem der Donausriesling (schon mal sehr positiv aufgefallen!) waren Geheimtipps. 

6 spannende „Zukunftsweine“:
Calardis Blanc 2023, Annette Closheim, Nahe (viel Frucht, Mineralität, Weißburgunder-Stil)
Wendehammer 2023, Eva Vollmer, Rheinhessen (Cuvée Sauvignac+Cabernet Blanc+Hibernal; saftig, exotisch)
Donauriesling 2023, Kollerhof, Steiermark (angenehme Frucht, schöne Säure, angenehm metallische Note)
Souvignier Gris 2022, Eva Vollmer, Rheinhessen (im Holzfass gereift, cremig, weich, charismatisch) 
Fumé Souvignier Gris 2022, Abthof, Rheinhessen (im Holzfass, gehaltvoll, kräftig, angenehm rauchige Noten) 
Monarch 2021, Abthof, Baden (beachtliche Power, klassische Beerenaromatik, Tannine sehr angenehm) 

Weinhof Winter 

Eckhard Winter

Wenn jemand die Bezeichnung Piwi-Enthusiast wirklich verdient, dann ist das Eckhard Winter. Der Nebenerwerb-Winzer betreibt mit seiner Frau Cornelia seit 1988 in Kaiserpfalz (Saale-Unstrut) den Weinhof Winter. Seit 2018 sind auf 0,4 Hektar Rebfläche ausschließlich Piwi-Rebsorten (Souvignier Gris, Solaris, Muscaris, Regent und Cabernet Cortis) im Anbau. Auch hier die Frage nach dem Warum: „Der Einsatz dieser Züchtungen stellt die nachhaltigste Methode in der Weinerzeugung dar. Sie bewirken Einsparungen von an die 90 Prozent aller Mitteln gegenüber den Aufwendungen früherer Jahre“, sagt Eckhard Winter.
Die Reben wachsen am Nebraer Schlossberg auf Buntsandstein in Casarsa-Erziehung. Der Nebraer Schlossberg ist nach dem deutschen Weingesetz jedoch keine zugelassene Lagenbezeichnung, deshalb heißen Winters Weine Nebraer Venus. Die Etiketten zieren eine Venusfigur in Erinnerung an die bei Ausgrabungen gefundenen Frauenstatuetten aus der jüngeren Altsteinzeit. Ausgebaut werden Winters Weine von Jörg Lückel
Eckhard Winter, der im Austausch mit gleichgesinnten Winzern steht, organisierte ein Tasting, auch mit Natur- und Orange-Weinen aus Piwi-Sorten. Hochinteressant, und eine ganz neue Dimension des Themas. 

6 spannende Weine bei Eckhard Winter:
Souvignier Gris Barillet 2020, Winter, Saale-Unstrut (Burgunder-Stil, gelbe reife Früchte,  sanfte Barriquenoten)
Cabernet Cortis Auslese Barrique Reserve 2018, Winter, Saale-Unstrut (Lakritze, Kirsche, Schokolade) 
Solaris Orange 2018, Weingut Stutz, Württemberg (pures Gold, Limette, trockener Sherry)
Souvignier Gris Orange 2023, Winter, Saale-Unstrut (Fassprobe, offene Maischegärung, Brioche!)
Souvignier Gris NatPur 2022, Rabenhof, Baden (würzig, Bitterorange, viel Charisma)
Solaris-Muscaris NatPur 2020, Rabenhof, Baden (schwierige Nase, Geschmack aber klasse, spaltet gewiss)

Mehr zu Piwis 

Die Züchtung von Piwis erfolgt heute in Deutschland in Freiburg, Geisenheim, Siebeldingen und Weinsberg, in Italien am Versuchszentrum Laimburg und in Dine, ferner in Ungarn und weiteren Ländern Osteuropas sowie in den USA und Kanada. In Frankreich (Colmar) wurde im Jahr 2022 mit der Piwi-Rebsorte Voltis erstmalig eine widerstandsfähige Rebsorte in die französische Appellation aufgenommen und für die Herstellung von Champagner zugelassen. 
Bei aller Piwi-Euphorie ist jedoch auch zu sagen, dass in Deutschland lediglich 2925 Hektar von insgesamt 103.391 Hektar  (Stand 2022) mit Piwi-Reben bestockt waren. Der Anteil der Piwis an der Weinbaufläche in Deutschland beträgt also kaum 3 Prozent. Tendenz jedoch steigend.
Es gibt auch Hinweise, dass  Piwis im Laufe der Jahre ihre Pilzresistenz verlieren. Das betrifft in erster Linie den Piwi-„Veteranen“ Regent, auch von Cabernet Blanc war das zu hören. 
Die fünf wichtigsten weißen Piwi-Sorten in Deutschland (Stand 2023): Cabernet Blanc (388 ha), Souvignier Gris (388 ha), Solaris (221 ha)  Johanniter (148 ha), Sauvignac (90ha) 
Die fünf wichtigsten roten Piwi-Sorten in Deutschland (Stand 2023): Regent (1565 ha), Cabernet Cortis (71 ha), Pinotin (43 ha), Satin Noir (50 ha), Prior (18 ha).

Die Zukunft?

Dr. Rudolf Eibach

Der Anteil der Piwi-Sorten wird steigen, so viel ist klar. Dass sie eines Tages die traditionellen Sorten verdrängen ist jedoch kaum wahrscheinlich. Mittelfristig blieben sie wohl eine spannende Nische. Das glaubt auch Rebenzüchter Dr. Rudolf Eibach, der lange im JKI-Fachinstitut für Rebenzüchtung Geilweilerhof gearbeitet hat und als „Vater des Regent“ gilt. Mittlerweile im Ruhestand züchtet er im heimischen Rebgarten mit 140 Rebstöcken weiter.  „Die Entwicklung einer Sorte bis zum Praxis-Anbau dauert mindestens 15 Jahre, eher länger“, sagt er. 
Bei Dr. Eibach konnte ich Weine probieren, deren Sorten noch gar keinen Namen haben, sondern nur Nummern. Die Zahlen bedeuten Kreuzungsjahr-Familie-Kind. Zum Beispiel …
Wein 2015-72-1562. Davon gibt es nur 20 Liter. Ein charmanter Weißwein, sehr verheißungsvolle Zukunft. 
Wein 2011-003-0021. Ein aromatischer Rotwein aus der Kreuzung Solaris x 2000-305-005. „Komplette (für Fachleute: 3+3-Resistenz) Resistenz“, schwärmt Dr. Eibach.
Das Schöne: Die Weine haben auch noch gut geschmeckt!  

Im Rebgarten von Dr. Rudolf Eibach werden weiter neue Rebsorten gezüchtet

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