Lucie Kuhlmann und Maréchal Foch?
Wäre eine 125 000-Euro Frage bei „Wer wird Millionär?“! Lucie Kuhlmann und Maréchal Foch heißen rote Rebsorten, die in Europa relativ selten (Frankreich, Schweiz) angebaut werden, dafür aber in Kanada populär sind. Vor allem in der Provinz Nova Scotia, wo unlängst 11 der dortigen 22 Weingüter getestet wurden. Wie im Newsletter erwähnt, erlebt der dortige Weinbau in den letzten 20 Jahren einen rasanten Aufschwung. Und die Weine sind auch für verwöhnte Gaumen eine spannende Erfahrung. Das hat viel mit den bei uns wenig bekannten Rebsorten zu tun. Was taugen sie?
Da ist die weiße Standard-Traube „L’Acadie Blanc“, die, wenn gut gemacht, einen frischen, feinfruchtigen, fast filigranen Weißwein hervorbringt. Manchmal wird er im Barrique ausgebaut – überwiegend gut. Die meisten Weingüter haben noch ein Weißwein-Cuvee unter dem Namen „Tidal Bay“ im Portfolio, L’Acadie Blanc ist immer dabei, dazu noch Muscat, Ortega, Vidal und manchmal noch mehr. Mitunter sehr gut gelungen!
Die schon erwähnten roten Sorten Lucie Kuhlmann und Maréchal Foch oder auch Léon Millot sind Züchtungen des Züchters Eugéne Kuhlmann (1858-1932) aus dem Elsaß, der seine Schöpfungen zu Ehren eines Weltkriegsgenerals (Foch), seiner Ehefrau (Lucie) oder eines Baumschulgärtners (Léon Millot) benannt hat. Die Reben sind Hybridreben. Gemeinsam haben sie ihre Eignung für kühlere Regionen (Nova Scotia liegt auf dem 45. Breitengrad wie Norditalien oder Kroatien, hat aber anderes Klima) sowie eine hohe Pilzresistenz. Damit kann weitgehend auf Pflanzenschutzmittel verzichtet werden.
Mit dem allgegenwärtigen Marechal Foch bin ich nie richtig warm geworden. Einzige Ausnahme: Der vom Weingut Grand Pré (Vintners Reserve) war gut gelungen, erdig und fruchtig. Lucia Kuhlmann präsentierte sich in den meisten Winerys auf einem guten Niveau, oft mit Power, konzentrierter Frucht, Pflaumenaromen etwa. Der Leon Millot war meist Teil der Rotwein-Cuvées, bei denen von gut über passabel bis dürftig alles zu finden war. Zu erwähnen wäre noch Baco Noir. Der Rote präsentierte sich kräftig, fruchtig, mit gefälliger Säure, immer leicht trinkbar.
Weil es Hybridreben waren, war der Anbau dieser Rebsorten in Deutschland seit den 1930er Jahren verboten. 2008 wurde das Gesetz gekippt, seither gehören diese Rebsorten wieder zu den offiziell zugelassenen Sorten im deutschen Weinbau. Wegen der Pilzresistenz könnten diese für Bio-Winzer interessant werden.
Natürlich werden in Nova Scotia auch bekannte Reben angebaut. Generell sehr gut bis hervorragend waren die Muscat-Weine, das bei nahezu allen Erzeugern. Gilt nur bedingt für den Riesling, die haben es gegen das hohe europäische Niveau schwer. Bei den klassischen Roten waren die getesteten Cabernet Franc und Merlot wenig beeindruckend, die Cuvées eher interessant.
Trotz der rasanten Entwicklung des Weinbaus bei der Qualität und immer weiteren Aufrebens gibt es ein Problem: Außerhalb der Halbinsel sind die Weine kaum zu bekommen (außer die des Großerzeugers „Jost“), in Europa schon gar nicht. Die Rebfläche beträgt insgesamt nur rund 100 Hektar (zum Vergleich: Saale-Unstrut 755 ha), es gibt schlicht und einfach zu wenig Wein. Schade eigentlich. Das Preisniveau ist insgesamt ziemlich hoch.
Meine Favoriten:
- Grand Pré Winery – seit mehr als 10 Jahren vom Schweizer Jürg Stutz geführt – vielleicht die Nummer 1 im Gebiet; Muscat klasse, sehr schöner Tidal Bay, schönes Rowein-Cuvée „Moulin Rouge“, interessanter „Castel“, der einzige bemerkenswerte Marechal Foch aller getesten, netter Eiswein und origineller weißer Port
- Blomidon Estate Winery – insgesamt sehr gut; L’Acadie, Tidal Bay und der Rosé (Cuvée) auf gutem Level, das rote Cuvée „Blomidon Ridge Reserve“ bemerkenswert und ein sehr schöner Ortega Eiswein
- Gaspereau Vineyards – generell gutes Niveau, L’Acadie, Muscat sehr gut, der beste verkostete Riesling (Black Dogs) des Gebiets; Lucia Kuhlmann sehr schön und ein inspirierter „Reserve Port“ (gespritteter Lucie Kuhlmann)
- L’Acadie Vineyards – einziges Bio-Weingut in Nova Scotia, spezialisiert auf Schaumweine nach Champagner-Methode. Wirklich gut – kosten nur die Hälfte eines vergleichbaren Champagners; interessantes Cuvée „Passito“, fast ein Amarone
- Luckett Vineyards – erst seit 2010 am Markt, das Weingut mit der Telefonzelle in den Reben; generell gutes Niveau; Muscat sehr gut, auch Tidal Bay und Ortega ganz hübsch
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