Eine spektakuläre Verkostung mit 40 Weinen war unlängst auf diesem Blog Thema. Ein Winzer, der da gehörig Eindruck gemacht hat, fehlte im Bericht: Hendrik Bobbe. Denn der passte nicht ganz ins Profil. Bobbe ist kein richtiger Hobby-Winzer, dann aber wiederum doch. Deshalb schon damals der Beschluss: Bei Hendrik Bobbe ist ein Winzerbesuch fällig.  

Pét Nat zur Begrüßung

Gedacht, getan. Hendrik Bobbe empfängt im idyllischen Garten des Pfarrhauses in Reinsdorf bei Nebra in Saale-Unstrut. Er reicht ein Glas 2020er Grauburgunder, edelsüß, leicht spritzig. Vor allem aber ziemlich gut. „Der ist durchgekommen, aber eigentlich war es ein Kellerunfall“, erzählt er. Und weiter: „Gelesen bei 115 Oechsle! Trocken auf der Maische vergoren, Methode Pétillant Naturel.“ Ein Pét Nat also, im Segment der Naturweine aktuell schwer in Mode. Im Unterschied zu Perl- oder Schaumweinen durchläuft der Pét Nat keine zweite Gärung, die Kohlensäure entsteht auf natürliche Weise. Solche Weine sind mit einem gewissen Risiko behaftet, schnell kann da was schiefgehen.  „Ich mag Kellerunfälle“, sagt er verschmitzt.  

Spaß an Experimenten

Hendrik Bobbe hat Spaß an Experimenten. Wer traut sich schon, eine Solaris Auslese halbtrocken mit 14,5% Alkohol auf den Markt zu bringen? Funktioniert!  Seine Weine reifen im ungetoasteten Holzfass, auch die Weißen. „Die behalten so Säure und Spritzigkeit, die Aromen kommen zur Geltung.“ Er ist in vielerlei Hinsicht ein Freigeist. Bobbe erzählt bereitwillig, dass er Trauben von einem befreundeten Winzer aus der Nähe von Worms zukauft. Die Weine werden dann als „Deutscher Wein“ vermarktet. Kein Makel. „Im Keller kann man ja zaubern“, sagt er.  

Lesen gelernt

Zaubern musste Hendrik Bobbe schon einige Male. Der jetzt 47-Jährige hat Literatur- und Kommunikationswissenschaft studiert, einige Jahre bei einer Produktionsgesellschaft für den MDR gearbeitet. Die Gesellschaft gab es irgendwann nicht mehr, und Bobbe stand vor der Frage: „Was machst du mit einem Literaturabschluss in Reinsdorf?“ Schöner Satz von ihm: „Ich habe Lesen gelernt und bin beim Wein-Lesen hängengeblieben.“ Denn,  „Kultur und Genuss und freie Natur unter einen Hut bringen, da bleibt nur Wein“. Also absolvierte er eine Lehre im Weingut Pawis, gab danach ein Intermezzo in der Winzervereinigung und arbeitete bei Böhme & Töchter, die damals noch Böhme Gleina hießen. Im heimischen Reinsdorf, im elterlichen Pfarrhaus, machte er dann Ernst. Er organisierte sich Rebflächen, kaufte aber auch Trauben zu. Mit 1,5 Hektar führte er bald ein eigenes Weingut.

Jetzt wieder Nebenerwerb 

Mittlerweile bewirtschaftet Hendrik Bobbe nur noch 0,2 Hektar. Nach der Trennung von seiner Frau war das Weingut nicht mehr zu halten. Die schlechten Ernten der letzten Jahre taten ihr übriges. Es fehlte schlichtweg an Wein, um den Betrieb wirtschaftlich zu führen. Als Nebenerwerbswinzer, der er jetzt wieder ist, verdient er seinen Lebensunterhalt als Museumspädagoge im Kloster Memleben. Dem Wein bleibt er treu, Spaß an Experimenten hat er weiterhin. Fast abenteuerlich der jüngste Plan. Ein Freund hat ein Grundstück in der Toskana gekauft, dazu gehören Rebflächen. Hendrik Bobbe will die Trauben nach Reinsdorf holen und hier ausbauen. „Morellino di Scansano aus Reinsdorf!“ Was auf dem Etikett steht, ist noch nicht klar. „Wein aus Europa vielleicht?“

Top-Bobbe-Weine

Weine von Hendrik Bobbe haben eine treue Klientel. Kein Wunder, sie sind keine Stangenware, sondern sehr individuell und oft experimentell. Die Grauburgunder Auslese von 2020 ist so ein Meisterwerk. Der Wein strahlt fast orange,  wir entdecken Grapefruit und Mon Cheri. Originell die Story des Weines. „Die Presse war voll und 120 Liter waren übrig. Die hab ich von Oktober bis Dezember komplett auf der Maische vergoren, 115 Oechsle, komplett durchgegoren.“ Einen anderen Teil des 2020-er Grauburgunders hat er auf Holz vergoren. Das Ergebnis ist ein höchst aromatischer, 14,0 Alkoholprozent kräftiger Wein, der noch ein langes Leben hat. 2020er Rieslinge von zugekauften Trauben gibt’s in trockener und feinherber Machart. Beide sind im Holzfass ausgebaut, aber mit unterschiedlichen Hefen. Beide gut, ich favorisiere den trockenen. Was von Bobbe  kommen kann, zeigt die 2012er Müller-Thurgau Spätlese von der Spitzenlage Hohe Gräte. Die  Trauben sind 80 Jahre alt! Ein umwerfender Wein mit schönem Extrakt, schmeckt nach Pilzen, Trüffel. Die Sorte ist freilich nicht erkennbar. Aber wer traut sich schon, einen 80 Jahre alten Müller-Thurgau in die Flasche zu bringen? Hendrik Bobbe schon. 


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