Gönne mir ab und zu mit Freunden ein Dinner bei einem Sterne-Koch. Weinbegleitung gehört selbstverständlich dazu. Die Weinauswahl ist oft eine spannende Geschichte.  Meist ist die Auswahl der Weine zu den Speisen auch erwartbar und ausrechenbar. Und ja, es passt (fast) immer ziemlich gut. Da dachte ich doch ernsthaft, mich kann nichts mehr überraschen.

Falsch gedacht. Besuch kürzlich im Restaurant „Juwel“ bei Schumann in Kirschau in der Lausitz. Küchenchef Philipp Liebisch ist mit einem Michelin-Stern geadelt, es ist das östlichste Sterne-Restaurant Deutschlands. Kulinarisch werden alle Erwartungen erfüllt, wir sind uns einig: Den Stern gibt’s zu Recht, ein zweiter wäre auch verdient. 

Was die Weinbegleitung angeht, gab es im „Juwel“ jedoch ein bisher nicht erlebtes Beispiel von Mut und Überraschung. Restaurantleiter Patrick Grunewald verblüffte mit der Weinauswahl ein ums andere Mal. Staunen beim Sterne-Koch.

Staunen1: Alt und doch frisch 

Das beginnt mit dem Wein zur Vorspeise Kerbel/Tandori/Quitte – Riesling Spätlese trocken  Martinsthaler Rödchen 1990 von J.B. Becker aus dem Rheingau. Tippe wegen der dunkelgelb/orangen Farbe mutig auf einen Orange-Wein. Ist es natürlich nicht. Trotz seines beachtlichen Alters hat der Riesling noch eine erstaunliche Frische und Lebendigkeit. Wir haben im Geschmack Quitte entdeckt und andere reife Früchte. Die Frische-Reife-Balance ist extrem spannend.

Das geht ja ganz gut los – und gut weiter. Okay, der Silvaner Iphöfer Kalb 2016 von Johann Arnold aus Franken zum Thunfisch gehört nicht ganz in die Kategorie Überraschung, ist gleichwohl eine gute Wahl. „Der Wein spielt hier mal die zweite Geige“, sagt Herr Grunewald. Kann man machen, manchmal muss man auch der Speise den Vortritt lassen. 

Staunen2: Regionale Überraschung

Überraschung dann eher der Wein zu Zander/Hahnenkamm/Gewickelte Cipollini: Weißburgunder Spätlese Barrique 2016 von Johannes Beyer aus Saale-Unstrut. Da spielt Patrick Grunewald die gerne genommene regionale Karte (Ostdeutschland!), aber nicht mit den berühmten Namen der Region, sondern mit einem Winzer aus der (vermeintlich) zweiten Reihe. Ich kenne Johannes Beyer, habe seine Weine schon gewürdigt. Da freut es mich natürlich, dass es ein Talent mit seinen Weinen auf die Karte eines Sterne-Lokals schafft. Der Weißburgunder hat es verdient – der passt perfekt zur Speise. Trotz der Jugend schon tolle Reif, Holz (ganz dezent) und Frucht harmonieren schön, feine Dichte. 

Beim folgenden Wein zur Königskrabbe liegen wir mit unseren Tipps alle so was von daneben. Australien? Südeuropa? Falsch. Eine Weißwein-Cuvée von Schwarz aus dem Burgenland in Österreich zu erkennen ist eine wahrhaft teuflische Aufgabe und ein schweres Rätsel. Leicht rätselhaft bleibt der Wein auch irgendwie, die Krabbe mit Ziegenmilch stiehlt ihm die Show etwas. Aber es passt schon, gut sogar.

Staunen3: Tatsächlich Tschechien?

Noch nicht genug mit den Überraschungen, es kommt dicker. Zur Wildente in Variationen gibt’s einen 2017er Pinot Noir – aus Tschechien! Weine aus Tschechien haben bisher so recht nicht überzeugt, doch der hier ist ein anderes Kaliber. In der Farbe für einen Pinot Noir recht dunkel übertrifft er im Geschmack alle Erwartungen. Er ist saftig, hat die typischen Wald- und Beeren-Aromem, ein richtig schöner Tropfen. Der PN, wie auf dem Etikett kurz und knackig steht, kommt von Arte Vini aus Mähren. Erfüllt fast auch eine regionale Komponente. Nur mal so: In den Rheingau ist es von Kirschau aus 200 Kilometer weiter als in die Weinstadt Znojmo in Mähren. 

Staunen4: Koscherer Shiraz

Es folgt noch ein Highlight, kulinarisch und weintechnisch. Das Morgan Ranch Wagyu Beef (der Name ist noch viel länger) ist grandioses Fleisch, zu dem Philipp Liebisch tolle Geschichten erzählen kann. Keine zwei Meinungen: Dazu gehört Shiraz. Den gibt’s auch, aber der kommt aus Israel. „Kerem Ben Zimra“ 2015 von der Adir Winery, einem kleinen Familienweingut in Galiläa, zwölf Monate im Barrique-Fass gereift, koscher. Habe mit israelischen Weinen schon viele gute Erfahrungen gemacht, dieser Shiraz ist ein weiterer Glanzpunkt. Das Wagyu-Rind und der Wein befeuern sich in Gaumen wechselseitig zu Höchstleistungen. Es ist ein Fest.  

Zum Finale sind wir dann fast erleichtert, dass es zum Dessert nicht noch eine Exkursion in überraschendes Terrain gibt. Denn den Begleitwein haben wir genau so erwartet und auch gut erkannt. Die 2016er Riesling Beerenauslese vom Weingut Frey in der Pfalz ist überaus solides Handwerk, harmoniert fein mit der Kombi Kakaobohne/Blutorange/Tahitivanille. Nicht mehr, nicht weniger. 

Sieben Weine, sieben Treffer, sieben Überraschungen – Respekt, Herr Grunewald  


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