
Bei Orange-Weinen (gebräuchlich ist auch Orange-Wine) – fälschlicherweise oft auch „Naturwein“ genannt – scheiden sich die Geister: Je nach Ausbau schüttelt man sich entweder (wenn man nur noch den ungefilterten, trubreichen Rest einer Flasche eingeschenkt bekommt), oder man ist voll des Lobes, ein ungewöhnliches, aber genussvolles Wein-Experiment im Glas zu haben. All das hielt eine sehr interessante Verkostung von Orange-Weinen bereit, von der Frank Nowak berichtet.
16 Orange-Weine im Test
Orange-Weine sind in der Tat streitbar. Denn Weißwein-Trauben auf ihrer Maische, bisweilen sogar mit ihren Rappen zu vergären – meist spontan und oft auch ohne Schwefelzugabe – und dann gern im Barrique auszubauen, ist definitiv eine Herausforderung. Eine Herausforderung mit etlichen Fallstricken. 16 Orange-Weine konnte ich jüngst im Kreis von zwölf Weinfreunden in Freyburg/Unstrut verkosten. Übrigens kein billiges Vergnügen: Die Preise der angestellten Weine lagen meist um die 20, einige (aber nicht qualitative!) Ausreißer sogar bei 40 Euro.
„Untrinkbar“ bis „Klasse“
Dankenswerterweise organisiert von „Piwi-Papst“ Eckard Winter vom gleichnamigen Weinhof in Memleben und unter fachkundiger Begleitung der Weinmacher Jörg Lückel (Freyburg) und Yannik Einhellinger (Weingut Wartenberg) wollten Orange-Weine aus Saale-Unstrut und Vertreter aus anderen Gebieten abgearbeitet werden. Die orangen „Gäste“ kamen aus Rheinhessen (Brüder Dr. Becker), Baden (Rabenhof), Württemberg (Stutz) und der Pfalz (Galler). Von Uringelb bis Kupferrot, von milchig bis klar, von „Untrinkbar!“ über „Alle Achtung!“ bis zu „Klasse!“ war an Urteilen alles dabei. Auffallend viele Piwis (Souvignier gris, Muscaris), aber auch Klassiker wie Silvaner, Weiß- und ein Grauburgunder bildeten die Basis der Orange-Weine.

Grauburgunder sticht heraus
Nicht überraschend gingen die Meinungen der zwölf Verkoster weit auseinander, und das bei nahezu allen Orange-Weinen. Ein Ranking war unmöglich. Wenn es einen Wein gab, auf den sich alle mit einem positiven Urteil einigen konnten, dann war das der Grauburgunder vom Weingut Wartenberg. Der wurde 2022 in den Freyburger Schweigenbergen gelesen und eine Woche auf der eigenen Maische in offenen Bütten warm vergoren. Dann „verschwand“ er ein Jahr in einem neuen Barrique-Fass aus amerikanischer Eiche, um am Ende – leicht geschwefelt und behutsam filtriert – als „Orange“ auf die Flasche zu kommen. Dunkelorange, fast Sherry- oder Teefarben, in edler Brillanz und mit nur 0,1 g/l Restzucker (bei 5,5 g/l Gesamtsäure) präsentiert sich im Glas ein wuchtiger, vielschichtiger Grauburgunder, der nicht leicht als solcher zu erkennen ist: herb, würzig, leicht nussig, mit Aromen von Orangen, Trockenfrüchten und Karamell.
Entstanden ist ein kräftiger, ausdrucksstarker Tropfen, der sein volles Potenzial wohl am besten mit Appenzeller oder Cheddar, ausspielen dürfte. Oder als Begleiter von Wildspeisen. Mit seinen 13,0 Volumenprozent Alkohol gehörte „Orange“ am Verkostungsabend in Freyburg übrigens noch zu den schlanken Vertretern. „Schwergewichte“ kamen mit bis zu 16 Prozent daher, was einem Sherry schon recht nahe kommt.
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