Unterwegs an der Mosel mit erfreulichen Besuchen im Weingut Bindges und dem Weingut Villa Huesgen. Zwischendurch fällt mal das Stichwort Sorentberg-Projekt. Bin beim Stichwort Projekt grundsätzlich erst mal skeptisch. Es gibt so viele… Als dabei aber der Name Ivan Giovanett erwähnt wird, klingelt es. Moment mal, Ivan Giovanett vom Weingut Castelfeder, den hatte ich doch beim Skifahren in Südtirol getroffen! Sein Chardonnay Riserva Kreuzweg ist mir unvergesslich. Was macht der an der Mosel? 
Die Spur führt zu Tobias Treis in Reil, der das traditionsreiche Weingut Julius Treis seit 15 Jahren führt. Tobias Treis und Ivan Giovanett haben das Sorentberg-Projekt initiiert. Für diese Geschichte muss ich nach Reil fahren. 

Tobias und Ivan

Ivan Giovanett
Tobias Treis

Tobias Treis empfängt in seinem Weingut im Zentrum von Reil, ein historisches Gebäude, es ist eng. Das Weingut Julius Treis ist klassischer Familienbetrieb. Der Winzer erzählt: „Ich bin hier reingeboren, aufgewachsen, habe Weinbau als Lehre abgeschlossen. Danach habe ich in Geisenheim studiert und während des Studiums den Ivan Giovanett aus Südtirol kennengelernt, der im Studienjahr 2003/2004 auch in Geisenheim war.“ Nach dem Studium sind beide in die elterlichen Betriebe gegangen. Der Kontakt aber blieb. „Wir haben uns auf der ProWein immer wieder gesehen und Weine ausgetauscht, ein bisschen probiert und Pläne diskutiert. Irgendwann entstand dabei die Idee, den Sorentberg zu rekultivieren.“

Der Sorentberg

Der Sorentberg ist ein langgestreckter Hang und gehört zur Gemeinde Reil, etwa vier Kilometer vom Ort entfernt. Mit seiner Gesamtfläche von reichlich 9 Hektar liegt er in einem gut durchlüfteten Seitental der Mosel. Ein kompletter Südhang, extreme Steigung mit einer mittleren Neigung von 80 bis 110 Prozent. Bemerkenswert ist ein einzigartiger Bodentyp, der so genannte Wissenbachschiefer (Rotschiefer mit Muscheleinschlüssen), den es an der Mosel sonst nirgendwo gibt. 2011 haben Tobias Treis und Ivan Giovanett den Sorentberg gekauft, rekultiviert und auch drei Hektar Reben neu angepflanzt.
„Ein Gedanke war auch, dass es durch den Klimawandel ja immer wärmer wird. Um weiter klassische Rieslinge zu produzieren, kann man entweder die Klima-Erwärmung aufhalten, was ich und der Ivan wahrscheinlich allein nicht schaffen. Oder man geht in ein Seitental, wo es etwas kühler ist. Das war eigentlich eine perfekte Idee.“

Der Sorentberg vor der Aufrebung – aus einem Buch abfotografiert

War das früher auch eine Weinlage? „Ganz früher war das ein Weinberg. Um 1870, 1880 ist es das erste Mal als Weinberg und nicht als Wald verkauft worden. Gut 100 Jahre später wurden dann die Reben alle wieder rausgerissen, weil die Lohnkosten so hoch waren. Auch die Wildschäden waren sehr hoch. Dazu schwappte eine Rotweinwelle über Deutschland. Alle wollten Rotwein trinken und nicht mehr den teuren Moselwein. Das war der Anfang vom Ende des Sorentbergs. Zehn Jahre später waren alle Reben rausgerissen. So um 1990 sind die letzten Jahrgänge gewesen. Da war ich zehn Jahre alt.“
Wem gehörte das damals? „Das gehörte Winzern aus dem Dorf. Meine Eltern hatten dort etwa einen Hektar Rebfläche. Die alte Sektkellerei Rudolf Müller hatte drei Hektar Besitz, dazu noch viele andere kleine Winzer.“

Der Sorentberg nach der Aufrebung

Wieso mit einem Partner?

Tobias Treis: „Ich dachte, es wäre sinnvoll, einen Partner im Boot zu haben, für den Riesling eine gute Ergänzung ist. Mit dem Ivan kam ich sowieso sehr gut aus. Er hat ja in Südtirol viele verschiedene Rebsorten – außer Riesling.  So konnte ich den Ivan dann für das Projekt begeistern. Wir haben gesagt, wir kaufen den ganzen Berg und fangen an, den zu rekultivieren. Wir haben den Boden gelockert und einen neuen Wirtschaftsweg reingeschoben. Und dann schließlich die Reben gepflanzt.“

Die Entdeckung

Im Laufe der Rekultivierungsarbeiten am Sorentberg wurden im oberen, extrem steilen Teil des Weinbergs verwilderte alte Reben entdeckt. Immerhin 1000 Stöcke, 100 Jahre alt, zwei Meter hoch mit Dornen überwuchert. Nachdem sie über 25 Jahre lang brach lagen, konnten sie mit mühevoller Handarbeit wiederhergestellt werden. Jeder einzelne Riesling-Rebstock wurde von wuchernden Dornenbüschen befreit und neu aufgezogen. Fast alle alten Reben sind im Mai 2012 erfolgreich ausgetrieben. Trotz intensiver Nachforschungen konnte das exakte Pflanzjahr nicht genau ermittelt werden. „Aber es sind wurzelechte Reben“, erzählt Tobias Treis. „Unten der Wurzelstamm ist Riesling, oben haben wir einen neuen Stock aufgebaut, so konnten wir die alten Wurzeln retten. Die gehen 7 bis 8 Meter tief und verleihen dem Wein ganz spezielle mineralische Noten.“

„Im Endeffekt zwei Weine“

„Jetzt machen wir aus dem ganzen Weinberg im Endeffekt zwei Weine“, sagt Tobias Treis. „Da ist der Wein von den 1000 Alten Reben, den gibt es jedes Jahr. Und dann gibt es den Sorentberg Rotschiefer, der Riesling aus der neuen Anlage. Das Aromabild: Frische, viel Gelbfrucht, etwas Edelfäulnis ist auch nicht schlimm. 2018 haben wir aus der Not eine Tugend gemacht und einen Teil als edelsüße Auslese rausgelesen. 2020 war es genau andersrum, das war ein kühles Jahr. Da haben wir einen Teil rausgelesen als fruchtsüßen Kabinett. Also, in einem warmen Jahr gibt es zum trockenen Rotschiefer noch eine Auslese und in einem kühlen Jahr gibt es einen Kabinett dazu.“
Werden die Weine auch in Südtirol vermarktet? „Ja, genau. Gerade Italien oder Südtirol sind ein sehr großer Markt für uns geworden. Für Riesling.“

Violine und Pauke

Nun probieren wir die Weine. Sorentberg und im Vergleich Julius Treis. Es gibt kein  besser oder schlechter, wohl aber ein deutliches Anders. Insgesamt wunderbare Erfahrungen. 

Da sind der Riesling Julius Treis Alte Reben und der Sorentberg Rotschiefer. Der Unterschied zwischen beiden Weinen ist deutlich, obwohl sie vom Ausbau her gleich sind. Beide lagen im Holz, beide 2022er Jahrgang. Tobias Treis: „Aber hier merkt man die Typizität des Bodens gut. Hier der ganz blaue Schiefer, die Weine sind schlank, mineralisch, ganz filigran. Das ist eher die feine Violine, die da spielt. Und dort der Rotschiefer Sorentberg, das ist dann die Pauke.“ Sehr voluminös, mehr Frucht, Safran, Litschi, eine feine Mineralspur.Der gleiche Winzer, der gleiche Jahrgang, die gleiche Rebsorte, der gleiche Keller. Der einzige Unterschied ist halt der Boden, auf dem er gewachsen ist. Das ist schon toll.“ Violine und Pauke, nicht schlecht der Vergleich. Wir vergleichen noch die beiden Kabis – das gleiche Spiel. 

Der Hundertjährige

Zum Finale dann der Hundertjährige, also der Sorentberg 1000 von den 100 Jahre alten Reben. Die 1000 Rebstöcke ergeben 500 Liter, bedeutet ca. 600-650 Flaschen. „Die muss ich ja noch mit dem Italiener teilen. Also bleiben für jedes Weingut gerade mal rund 300 Flaschen übrig. Das ist noch nicht mal für jeden Tag eine. Auch deswegen liegen wir preislich im höheren Segment“, erklärt Tobias Treis. Bedeutet konkret ab 75 Euro aufwärts.
Wir probieren den 2020er. Zur Machart:  „Wir lassen den Wein komplett ohne Schönungsmittel und ohne alles ins Fass, also relativ trüb. Dann spontan vergoren ohne Kühlung, ohne zu erwärmen. Einfach den Wein naturnah lassen zu dem, was er selber werden will. Genau so wie das hier vor 100 Jahren gemacht wurde.“ Der 2020er hat 17 Gramm Restzucker und 7,3 Gramm Säure. Ja, das ist ein großer Riesling, tolle Würze, reife Säure, feine Mineral, und was  nicht noch alles. Ewige Präsenz, was für ein Kerl von Wein. 

Tolle Geschichte, dieses Sorentberg-Projekt. Nun gäbe es auch etliches zu den Weinen von Julius Treis zu sagen. Doch das ist eine andere Geschichte. Später. 


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