Von der Dynamik der Weinszene an Mosel und Saar war auf diesem Blog schon die Rede. Habe spannende junge Winzer kennengelernt und gute Tipps zu jungen Betrieben erhalten, wie etwa das Weingut Gehlen-Cornelius. Bekam jetzt wieder eine Art „Geheimtipp“: Weingut Bindges in Rißbach, einem Ortsteil von Traben-Trarbach. Also: Weingut-Besuch bei Bindges. 

„Habe Weinbau negativ betrachtet“

Jennifer und Christian Bindges

Christian und Jennifer Bindges empfangen in einem stattlichen Fachwerkhaus von 1610. Das beherbergt die Vinothek und dort wohnt die Familie auch. Im Jahr 2018 haben sie das Gebäude erworben und stilvoll wie denkmal­gerecht renoviert bzw. saniert. Was die beiden von der Geschichte der Sanierung erzählen füllt gewiss ein Buch, doch das ist hier nicht das Thema. Es geht um Wein und das Weingut, und auch dazu haben die Bindges einiges zu erzählen. 
Denn Christian Bindges wollte alles, nur kein Winzer werden. Obwohl seine Eltern Weinbau betrieben. „Als Kind hat die Arbeit im Weinberg überhaupt keinen Spaß gemacht. Während die anderen Fußball spielen gegangen sind, musste ich im Weinberg arbeiten. Ich wollte nicht Winzer werden und habe den Weinbau negativ betrachtet“, erzählt er. So studierte er in Ulm Elektrotechnik. Dort fanden es die Kommilitonen jedoch toll, dass er aus einer Weinregion, einer Weinbaufamilie kommt. „Tatsächlich habe ich Wein erst in der Fremde schätzen gelernt“, sagt er jetzt. Und langsam reifte die Idee, es doch mit Weinbau zu probieren. 

„Wir sehen uns am Anfang“

„Ich habe autodidaktisch gelernt, mit Versuch und Irrtum“, sagt Christian Bindges lachend. 2014 begann alles mit 2000 Quadratmetern Dornfelder und 1000 Quadratmetern Spätburgunder. Im Familienbesitz sind Rebflächen im Trabener Königs­berg mit über 50 Jahre alten wurzelechten Reben. Nach und nach wurde das Lagen­port­folio um die Kröver Steillagen Letter­lay und Steffens­berg erweitert. Aus den insgesamt 3000 Quadratmetern Rebfläche zum Start 2014 sind mittlerweile 2,5 Hektar geworden. Das muss noch nicht das Ende sein. „Wir sehen uns am Anfang unseres Weges“, sagen Christian und Jennifer Bindges unisono. Noch betreiben sie das Weingut im Nebenerwerb, das dürfte sich bald ändern. Gepflegtes Understatement vom Winzer vor der kleinen Verkostung: „Wir machen vielleicht nicht den besten Wein, haben aber einen eigenen Stil mit hohem Wiedererkennungswert.“
Das mit den besten Weinen ist Geschmacksache. Also: probieren. 

Weine im Test

Wie es sich an der Mosel gehört – und als Riesling-Fan sowieso – gilt der Fokus dem Riesling. 
Start mit dem 2023 Riesling vom Schiefer. Frische, Klarheit und Frucht sind die Stichworte. Ein sauberer, unkomplizierter Wein und eine gute Visitenkarte des Weinguts.

Der 2021 Riesling Kabinett Letterlay geht als Kabi-Klassiker durch. Gediegener Körper, feine Aromatik, charmante Säure und niedriger Alkoholgehalt – alles aktuell sehr angesagt.  
2022 Riesling Kabinett Königsberg setzt noch einen drauf. Mit 35 Gramm Restzucker und über 9 Gramm Säure ist der Wein top balanciert. Angenehm schlank. Für diesen Weintyp könnte das Prädikat „cool climate wine“ erfunden worden sein.  
Eine Art Rarität ist der 2022 Riesling Kabinett Alte Reben – wegen der wurzelechten Reben. Die stehen im Trabener Königsberg, sind fast 60 Jahre alt und wurzeln im grauen Schieferboden extrem tief. Die wegen des Alters der Reben logischerweise niedrigen Erträge sorgen für einen sehr komplexen Wein, der Reife und Würde ausstrahlt. Zeit geben!
Überraschend trocken trotz der Kategorie Kabinett präsentiert sich der 2022 Trabener Riesling, ein Ortswein aus Steillagen in Traben-Trarbach. Der Grund: Nur 10 Gramm Restzucker, aber 8,4 Gramm Säure. So ein (fast) trockener Kabinett macht den Wein für die „unbedingt trocken“-Gemeinde interessant. Aber auch für alle anderen. Nach der spontanen Gärung ruhte der Wein mehrere Monate auf der Feinhefe, das sorgt für einen ganz speziellen Charakter. 

Eine tolle Geschichte hat der trockene 2023 Riesling Steffensberg zu erzählen. Der ist ein halbes Jahr im Holzfass gelegen, aber in was für einem! „Ein gekauftes Fass von Romanée Conti, fünfte Belegung“, erzählt Christian Bindges stolz. Im Glas präsentiert sich der Wein kraftvoll, elegant, charismatisch, alles andere als ein Riesling von der Stange. Und, man mag es kaum glauben, auch ein toller Begleiter zu einem Rinderfilet. 
Zum Finale schließlich eine 2018er Riesling Beerenauslese vom Kröver Steffensberg. Ein Grande Finale: Die Farbe pures Gold. In der Nase wirkt er oxidiert. Im Gaumen aber ganz anders, eine angenehme Süße, reife Aprikosen, saftiger Pfirsiche, gelbe Trockenfrüchte. Ein  Gedicht. 


0 Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Avatar-Platzhalter

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Time limit is exhausted. Please reload CAPTCHA.