Eine feine Entdeckung während der jüngsten Weintour an der Mosel war das Weingut Bindges in Traben-Trarbach. Echte Newcomer, Jugend, fast ein Startup. Das Gegenteil ist der Besuch im Weingut Villa Huesgen. Viel Tradition, Internationalität, Größe.
Der Kosmopolit

Es empfängt Adolph „Ado“ Huesgen mit Tochter Karla. Ado Huesgen (manche nennen ihn den Sky Dumont von der Mosel) ist der personifizierte Kosmopolit. Er hat in Australien und England gelebt und noch immer exzellente Verbindungen nach Australien. So kommen Australier im Herbst zur Lese an die Mosel, es gibt ein gemeinsames Projekt. Damit nicht genug in Sachen Weltbürgertum. Ado Huesgen ist Vertreter des toskanischen Weingutes Tenuta San Leonardo, dazu auch noch der südafrikanischen Güter La Motte und Leopard’s Leap. Wow, möchte man sagen, mehr geht doch nicht.
Villa Huesgen ganz wörtlich

Das Kerngeschäft ist freilich das heimische Weingut in Traben-Trarbach, das Ado Huesgen in achter Generation führt. Villa Huesgen ist dabei ganz wörtlich zu nehmen. Denn das Herz des Betriebes schlägt tatsächlich in einer repräsentativen Jugendstil-Villa auf der rechten Seite des Ortes, in Traben also. So viel Historie! Fast 300 Jahre schon…
Denn vor nahezu 300 Jahren kam die Familie aus Holland an die Mosel. 1735 erfolgte die Grundsteinlegung des Weinguts, 1893 war Fertigstellung der Kellerei. Bis heute hat es selbstverständlich manche Modernisierung gegeben, aber die glorreiche Historie ist nicht vergessen. Schon die historischen Fotos sind einen Besuch wert.
„Weintradition modern inszeniert“
Natürlich geht es vor allem die Weine. Ado Huesgen bringt seine Philosophie so auf den Punkt: „Villa Huesgen ist große Weintradition modern inszeniert.“ 6,7 Hektar Reben werden aktuell bewirtschaftet. Riesling spielt die Hauptrolle. Im Anbau finden sich auch noch Pinot Noir, Weißburgunder und Chardonnay. Die wertvollsten Flächen liegen im Ürziger Würzgarten, Trabener Würzgarten, Enkircher Zeppwingert und Enkircher Steffensberg.
Die Stichworte in Sachen Weinbergwirtschaft lauten natürliche, spontane Begrünung, bewusst reduzierter Umgang mit Pflanzenschutzmitteln und selektive Handlese. Die Steilstlagen werden rein biologisch bewirtschaftet.
Kellermeister Edgar Schneider erklärt die Grundsätze der Vinifizierung: Minimalistische, klassisch-langsame Weinbereitung ohne Zusätze. Individuelle Maischestandzeiten. Langsames und schonendes Keltern in moderner Membranpresse sowie spontane Vergärung (außer der Basisweine) mit natürlichen Wildhefen. Im Keller stehen Fässer aus Edelstahl, Holz und Beton.
Nun wird probiert

Zur Einstimmung auf die Rieslinge der Ortswein, 2023 Blauschiefer Riesling trocken. Spontan vergoren, trocken, knackig, mit leicht salziger Spur. Riesling ganz klassisch.
Nun das australische Projekt. 2023 Huesgen & Margen Trabener Würzgarten Riesling trocken. Der Wein ist das Resultat einer seit über 40 Jahren bestehenden Freundschaft. Andrew Margan (100 Hektar im Hunter Valley) kann reichlich Erfahrung australischen Weinmachens vorweisen. Mit seinem Knowhow entstand mit dem Jahrgang 2019 erstmals dieser spezielle Mosel-Riesling in limitierter Auflage (4500 Flaschen). Die Trauben kommen vom Trabener Würzgarten, sind zwei Tage später gelesen als der Ortswein. Daher schmeckt er auch anders, schlanker, mit mehr Säure. Andrew Margan hat im Ausbau freie Hand. Mosel-Riesling im Australian Style – eine echte Rarität
Kabis und ein Star

Weiter geht’s mit dem 2023 Ürziger Würzgarten Riesling Kabinett trocken Alte Reben. Der Würzgarten ist das Dreieck direkt neben der Wehlener Sonnenuhr, gewiss kein Nachteil. Tue mich mit Kabinett trocken in der Regel schwer, in diesem Fall jedoch nicht. Florale Aromen, feine Würze – macht schon Spaß!
Ein Wein mit großer Geschichte ist der 2022 Alte Reben Riesling wurzelecht Enkircher Steffensberg trocken. Wurzelecht, lautet das Zauberwort, hierzulande immer noch eine Seltenheit. Der Wein war früher ein Star in Berlin, es gibt ihn heute noch im Adlon. Zurecht! Der 22er hat ein Jahr im Holzfass gelegen, bringt einiges an Power. Aromen nach reifen Früchten, dazu eine lebendige Säure – das passt.
Im echten Kabinett-Bereich liegt der 2022 Enkircher Steffensberg Riesling Kabinett, auf dem Etikett mit dem Zusatz feinherb. Elegante Süße und ein Hauch Schiefer – Daumen hoch bei allen Kabi-Freunden.
Süßes Finale

Nun 2021 Enkircher Zeppwingert Riesling Spätlese fruchtsüß. Spätlese fruchtsüß klingt nach massig Zucker. Ist auch so, doch die Süße dominiert nicht, weil da einiges an Säure dagegen steht. Die Reben sind über 50 Jahre alt, das bringt einen kräftigen Body und viel Power. Gelungen!
Auslese Riesling Ürziger Würzgarten edelsüß. Das Etikett zeigt den Ahnen Johann Wilhelm Huesgen, und der hätte sicher seine Freude an diesem Wein. Trotz der 98,8 Gramm Zucker kommt die Süße eher zart an den Gaumen. Der Wein ist rund, geschmeidig, cremig, eine echte Versuchung.

0 Kommentare