Michael Heinrich

Chasselas und Merlot als Stichworte reichen: Schweiz. Wieder einmal war Michael Heinrich für den Weinbeobachter in der Schweiz unterwegs, konkret im im Lavaux. Seit er 2019 – pre-coronal – die Fête des Vignerons besuchte, hat ihn diese spektakulär schöne Weinbauregion am Genfer See nicht mehr losgelassen. Nun wieder ein Besuch und die Frage: Was hat sich seither getan? Ein Spaziergang mit dem Schweizer Önologen Philippe Bujard durch Weinterrassen mit Kellerbesuch und einer Degustation.

„Chasselas geht immer“

Philippe Bujard

Auch im Lavaux sind die Sommer wärmer geworden. Während in Deutschland der August 2023 wenigstens ordentlich Regen brachte, waren in der Schweiz zum Herbst hin sogar kleinere Seen ausgetrocknet. Die Winzer indes frohlocken: Die Ernte 2023 ist im Keller, in sehr guter Quantität und Qualität. Ein toller Jahrgang reift in den Tanks und Fässern!
Auch 2022 war mit über 2300 Sonnenstunden überdurchschnittlich gut, nach einem intermediären Tal 2021. Für die Hauptrebsorte indes lohnt es kaum, nach dem Jahrgang zu fragen. Dem Chasselas (bei uns als Gutedel bekannt) fehlt es an der Textur für langes Reifen. Er wird jung getrunken und hier im Gebiet auch in Mengen. Beliebt ist er besonders als Apéro. Vin de Soif (Durstlöscher) wird er deshalb liebevoll auch genannt. „Chasselas geht immer“, sagt Bujard. 

Zwei Grand-Cru-Lagen

67% der insgesamt 800 Hektar im Gebiet sind mit Chasselas berebt. Bujard erklärt das Terroir: „Die besten Lagen liegen in der Mitte, nicht direkt am See, nicht zu hoch. “ Die höchsten Reben stehen auf 680 Metern Meereshöhe, der See liegt 330 Meter über dem Meeresspiegel. Entsprechend steil sind die Hänge; oberhalb von Epesses bis 45%. Zwei Grand-Cru-Lagen gibt es: Dézaley und Calamin. 
Ob Grand Cru oder nicht, macht tatsächlich den Unterschied: der beste Chasselas, den ich auf der Reise getrunken habe, ist ein 22er Grand Cru aus Calamin, von der Commune Bourg-en-Lavaux. Er ist mineralisch mit feiner Textur, kein Restzucker, schmeckt nach Aprikose und Birne. „In zwei Jahren ist der Wein vermutlich noch besser“, meint Bujard sogar.

Merlot im Kommen

Jerome Neyroud

Abseits vom Chasselas tut sich jedoch einiges. Auch am Genfer See sind mit der Klimaerwärmung ganz andere Rebsorten möglich. Einen Eindruck davon gibt Jerome Neyroud mit seinem Merlot. Von seiner Winzer-Wanderschaft brachte er die Reben aus dem Tessin mit. Der erste Jahrgang 2021 passte in ein 500-Liter-Eichenfass und mundet jetzt bereits vorzüglich. Es ist ein sehr ausdrucksstarker Wein mit reichlich, aber nicht übermäßig Tanninen; mit Frucht von Kirsche und roten Beeren und dunkle Schokolade.
Neyroud ist der erste Winzer, der in dem hochgelegenen Weindorf Chardonne  (fast 600 m) Merlot anbaut. Tiefer und näher am See ist die Rebsorte indes schon länger  verbreitet. Das Experiment setzt er derzeit mit Syrah fort. Ein kleines Fässchen liegt schon im Keller. Die Probe ist vielversprechend. 
Angst vor dem Klimawandel hat man hier also eher nicht.  Schweizer sind ohnehin pragmatisch und sehen die Chancen. Allenfalls der Wassermangel macht den Winzern Sorgen. Vielfach sind Bewässerungssysteme in Planung, die es hier bisher kaum gibt.
Wie Chasselas und Merlot damit klarkommen? Davon vielleicht mehr beim nächsten Besuch.


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