Habe sie kennengelernt: Rieslinge für die Ewigkeit. Konkret gilt das für zwei sehr alte Rieslinge von Robert Weil aus dem Rheingau. Einer war über 100 Jahre alt und noch topfit, für die Ewigkeit halt. Ich war so verblüfft wie begeistert. Noch älter Rieslinge die aus Rheinhessen. Die hatten jedoch Alterserscheinungen.
Bisher nur 1970er und ein Hundertjähriger
Meine Erfahrungen mit alten Weinen verdienten den Namen noch nicht wirklich. Zuletzt bei Schätzen aus Kloster Pforta, ein Riesling von 1979. In Würde gealtert, sehr genussvoll. Letztes Jahr ein Tokajer von 1975. Dann ein Rheingau-Riesling von 1963 (Rauenthaler Pfaffenberg vom Weingut Hans Ernst, Eltville), der war komplett hinüber. Und noch ein paar DDR-Weine, 1970er Jahre. Der 100 Jahre alte Port der Quinta do Mourão gehört in eine eigene Kategorie.
Doch unlängst hatte ich Gelegenheit, mal wirklich alte Weine kennenzulernen. Weine aus den 1920er Jahren und älter. Die für die Ewigkeit …
Rieslinge 1937 und 1921 bei Robert Weil
Eine tolle Vertikale von fünf Jahrgängen (2007 – 2016) Riesling Kindlich Gräfenberg Großes Gewächs wurde gekrönt mit zwei Weinen der Jahrgänge 1937 und 1921.
1937 Kiedricher Turmberg Riesling natur
Die Fachliteratur sagt, 1937 war ein grandioser Jahrgang. Muss wirklich so gewesen sein, denn dieser Riesling war irgendwie eine Steigerung von Wein. Schon die Farbe: pures Gold. In Nase und Gaumen noch topfit und stabil. Dazu eine fantastische Stoffigkeit. Der Wein würde heute unter Top-Orange laufen. Aus den Unterlagen gehe hervor, erzählte Wilhelm Weil, dass der Wein damals 2 bis 3 Jahre im Holzfass lag, Hunsrück-Eiche, klassische Fuderfässer. Anfang der 1990er Jahre wurde der 37er Riesling neu verkorkt und geschwefelt. „Der Wein hat die Flasche nie verlassen.“ Wir waren uns einig: Dieser Wein ist definitiv einer für die Ewigkeit. Es gibt noch sieben Flaschen …
1921 Kiedricher Berg Cabinet (heute Gräfenberg)
16 Jahre älter und damit schon über 100 Jahre alt ist der Kiedricher Berg Cabinet. Das Wort Riesling steht nicht mal auf dem Etikett. Der Grund scheint klar: Was sollte damals wohl sonst vom Kiedricher Berg (oder gleich aus dem ganzen Rheingau?) kommen? Wieder pures Gold in der Farbe! Und wieder Blick in die Fachliteratur: Die sagt, 1921 war ein Jahrhundertjahrgang. Glaube ich sofort. Beim Verkosten schlagen die Sinne Purzelbäume. Gelbe Frucht, Quitte, der Wein ist noch topfit, elegant, fein, hat eine ewige Präsenz. Alles noch sehr stoffig. „Er dürfte wohl 6 bis 10 Gramm Restzucker haben und 11-12% Alkohol“, meint Wilhelm Weil. Auch hier die klare Meinung: Ein Riesling für die Ewigkeit.
Ins 19. Jahrhundert bei St. Antony
Noch älter sind drei Weine, die in Rheinhessen im Weingut St. Antony verkostet wurden. Der umtriebige Weingut-Chef Dirk Würtz hatte sie bei der Präsentation des Gemeinschaftsweines „Unser Aufbruch“ noch als Überraschungen im petto. Und zwar in Gestalt von Rieslingen der Jahrgänge 1921 und 1911 und 1893 (!). Die Weine kamen nicht vom Weingut St. Antony (das wurde 1920 gegründet). Sie kommen aber aus Nierstein, Dirk Würtz hatte sie auf einer Auktion erworben.
1921 Niersteiner Auslese, Hermannshof, Weingut Herrmann Franz Schmidt
Dunkelgelb, deutlich dunkler als der 1893er. Rest von Botrytis, gewisse Süße noch da. Hat TCA. Aber definitiv trinkbar. Mir ist der schöne Weinspruch eingefallen: Der alte Mann riecht noch nicht aus dem Mund. Auch hier taucht Riesling gar nicht auf dem Etikett auf. Was sollte wohl sonst aus Nierstein kommen?
1893er Niersteiner Fläschenhardt, Feinste Auslese, Weingut Herrmann Franz Schmidt
Laut Dirk Würtz ist Herrmann Franz Schmidts Weingut das ehemalige Weingut von Gustav Adolf Schmidt. Und die Fläschenhardt heißt heute Hipping, eine sehr bekannte Lage am Roten Hang. Was für ein dunkles, fettes Gold. Okay, er hat Kork. Aber 1893, Wein aus dem 19. Jahrhundert!! Die angemessenste Haltung gegenüber diesem Wein ist das Schweigen.
1911 Niersteiner Eiswein, Hermannshof, Weingut Herrmann Franz Schmidt
Finale mit einem Eiswein, die Süße ist jedoch komplett verschwunden. Der Wein wurde vor 40 Jahren neu verkorkt und neu etikettiert (und vermutlich auch in eine neue Flasche gefüllt). auch wenn der Wein noch gut trinkbar ist nimmt das schon was vom Alters-Mythos.
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