Frostschäden bei den Winzern in ganz Europa: Wahre Horrornachrichten machten in diesen Tagen die Runde. Von Totalausfällen ist die Rede, kompletter Auslöschung, bedrohten Existenzen. Zu viel Panik? Klar ist, es sind große Schäden entstanden. Aber noch ist nicht klar, wie groß die Schäden genau sind.

Zu früher Austrieb

Tatsächlich haben die Spätfröste in den Nächten von 22./23. und 23./24. 2024 mit Temperaturen von minus 5 Grad und darunter immense Schäden angerichtet. Wegen der warmen und sonnigen letzten Wochen hat der Austrieb bereits Anfang April und damit im Vergleich zu den Vorjahren rund vier Wochen früher begonnen. Zwar können sich Winzer gegen Frostschäden versichern, aber bei einer Prämie von 8000 Euro pro Hektar dürften das die wenigsten gemacht haben. Zumal sich die Prämie im Schadensfall im kommenden Jahr verdreifacht. 
Wie groß die Schäden tatsächlich sind, muss sich noch zeigen. Eine alte Winzer-Weisheit scheint jedoch wieder einmal sehr aktuell: Ein Winzer sollte einen Jahrgang im Keller und einen auf der Bank haben. Die wirtschaftlichen Konsequenzen sind noch nicht absehbar. Erst einmal werden die Frostschäden erfasst. 
Habe mich in einigen Betrieben zur Lage umgehört. 

Wenigstens ein Lichtblick

Martin Schwarz flüchtet sich zunächst in Galgenhumor. „Wir leben noch“, sagt der VDP-Winzer aus Meißen. Dann erzählt er. „Uns hat es natürlich auch erwischt. In den Lagen in Seußlitz sind die Schäden sehr stark. Die 3 Hektar Reben in der ehemaligen Rebenversuchsstation in Grabenburg sind komplett hinüber. Bei unserer Lage Friedstein sieht es differenzierter aus. Im oberen Teil der Steillage stehen die Rieslinge, dort beträgt der Schaden 60 bis 70 Prozent. Den Pinot Noir darunter hatten wir mit Flies geschützt, mit begrenztem Erfolg. Ein Lichtblick ist der Chardonnay im unteren Teil. Dort haben wir die Reben mit kleinen Feuern geschützt, und das hat funktioniert.“ Dennoch schätzt Schwarz den Gesamtschaden auf rund 90 Prozent. Felix Hößelbarth, Vorsitzender des Weinbauverbandes Sachsen, geht in Sachsen generell von Ausfällen von 90 bis 100 Prozent aus. Sein bitteres Resümee: „Die Ernte 2024 ist größtenteils passé.“ Für konkrete Konsequenzen der Katastrophe ist es für Martin Schwarz jedoch noch zu früh. „Auf jeden Fall werden wir viel genauer wirtschaftlicher arbeiten und rechnen müssen als bisher“, sagt er. Er hofft, dass noch Beiaugen austreiben, um wenigsten etwas vom Jahrgang zu retten. Doch schon droht die nächste Gefahr: „Die Eisheiligen kommen noch!“  

Feuer in den Reben 

Auch Martin Junge vom Staatsweingut  Schloss Wackerbarth berichtet von schweren Schäden. Und das, obwohl man mit dem Schutz vor Frösten Erfahrung hat. „Leider müssen wir standort- und rebsortenabhängig auf unseren insgesamt 90 Hektar Rebfläche mit deutlichen Ertragsausfällen rechnen. Ob wir diese durch unsere Frostschutzmaßnahmen zumindest etwas minimieren konnten, wird sich erst in den nächsten Wochen zeigen.“ Wackerbarth hatte in den Frostnächten Rauchfeuer und Frostschutzkerzen eingesetzt, 30 Mitarbeiter waren im Einsatz. Frostschutzmaßnahmen in den Weinbergen sind bei Wackerbarth nicht neu, zuletzt gab es die 2020. „Nicht üblich ist jedoch, dass unsere Reben zu diesem Zeitpunkt im April bereits so weit ausgetrieben sind“

Frostschutz-Feuer in den Reben von Schloss Wackerbarth. Foto: Schloss Wackerbarth

„So schlimm war es noch nie“ 

Klaus Böhme vom gleichnamigen Weingut in Kirchscheidungen in Saale-Unstrut hat ein solches Desaster in seinem 30-jährigen Winzer-Dasein noch nicht erlebt. „Wir hatten schon immer mal Spätfröste, aber so schlimm war es noch nie. Es hat auch Lagen getroffen, die Frost sonst gar nichts kennen. Die Spätfröste haben das ganz Anbaugebiet zerlegt.“ Auch Böhme war vorbereitet. In seiner besonders anfälligen Lage Burgscheidunger Veitsgrube lief während der kalten Nächte eine Frostschutzberegnungsanlage. „Die hat teilweise geholfen, wenigstens konnten wir die Veitsgrube so am Leben erhalten.“ Auch das dürfte geholfen haben, bei den Mitarbeitern bei allem Frust etwas Optimismus zu verbreiten. Böhme denkt indes schon weiter: „Meine größte Sorge ist, dass sich das nächstes Jahr wiederholt. Ein Jahr Ausfall schafft man schon irgendwie. Aber ein zweites Jahr würden die meisten Betriebe nicht überstehen.“ Die genaue Höhe des Schadens werde sich noch zeigen. „Keiner weiß, was an ruhenden Augen noch kommt.“ 

95 Prozent sind  kaputt

Jörg Lückel, der das Weingut Familie Lückel in Freyburg/Unstrut führt, sagt: „Wir hatten ja schon immer mal Spätfröste, aber das waren Bodenfröste. Jetzt war es meterhoch deutlich unter dem Gefrierpunkt. Im Schweigenberg sieht es ganz schlimm aus. Der Frost hat auch bei mir Schäden angerichtet. Von dem, was ausgetrieben war, sind 95 Prozent kaputt. Jetzt hoffe ich auf das, was noch nicht ausgetrieben war.“
Auf das Prinzip Hoffnung setzen auch die vielen Hobby-Winzer. Etwa Petra Wiegel, die 900 Gutedel-Stöcke in Naumburg bewirtschaftet. „Wir müssen halt schauen was noch treibt. Aber es ist traurig, bitter und tut weh. Für einige Betriebe steht ja die Existenz auf dem Spiel.“

Frostschäden bei Gutedel-Reben in Naumburg. Foto: Petra Wiegel

Schäden in ganz Europa 

In ganz Europa beklagen Winzer Schäden durch die Spätfröste. Neben Sachsen und Saale-Unstrut scheinen in Deutschland besonders Franken, Rheinhessen, und Mosel/Saar/Ruwer betroffen. Via der sozialen Medien berichten viele Winzer von den Schäden und zeigen sie. In Österreich sind hauptsächlich die Gebiete entlang der Donau betroffen, über 1000 Hektar mit Frostschäden werden nach einer ersten Schätzung gemeldet. In der Steiermark  haben laut ORF Kälte und massiver Schneefall für riesige Schäden in den Weinbaugebieten gesorgt. Nur aus dem Burgenland seien noch keine größeren Schäden gemeldet worden. In der Schweiz hat es die Tal-Lagen im Wallis schwer getroffen und in Frankreich zittern die Gebiete Bordeaux und Loire um ihre Erträge.


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