Überraschungen und Entdeckungen sind etwas Wunderbares. Wieder einmal passiert im letzten Sommer mit den Weinen von Sigrid und Erwin Lehner. Sie nennen sich offiziell BioWeingut Lehner. Klar, vor Ort und im Urlaub schmeckt alles, das bringt immer einen Bonus. Über die Feiertage jetzt daheim gab’s Lehner-Weine ohne Urlaubsfeeling. Aber mit dem gleichen Urteil: Feine, ehrliche, genussvolle Weine!   

„Drei Häuser weiter“ 

Die Geschichte: Speisen im „Heimlich“ in Gols am Neusidlersee, ein Klasse-Restaurant mitten im Ort. Es wird betrieben von Peter H. Müller, einem Sommelier aus Deutschland. Natürlich mit schöner Weinkarte. Zum gebratenen Stör mit Soja-Nussbutter, Linsen und  Radieschen empfahl Müller einen Grünen Veltiner vom Weingut Lehner. Veltiner ist ja nun nicht die angesagte Rebe im Burgenland, und Lehner? Noch nie gehört.  War also skeptisch, aber Müller wird schon wissen was er tut. Volles Vertrauen also und – Volltreffer! Ich frage: „Wo liegt denn das Weingut?“ Müller: „Drei Häuser weiter.“ 

„Das richtige Augenmaß“

Logo des Weinguts – der Jahreskreis

Am nächsten Morgen – es ist Abreisetag – Anruf bei Lehners. Erwin meldet sich aus dem Weinberg, er will seiner Frau Bescheid sagen, ich kann kommen. Besuch also am frühen Morgen, Frau Lehner ist schon sowas von fit. Und Weine kennen eh keine Uhrzeit. Der Besuch ist das pure Vergnügen. Viel Philosophie, viele Geschichten (originell die Story vom Export nach Nigeria), und natürlich die Weine.
Der Betrieb ist 20 Jahre jung. Rund 10 Hektar werden bewirtschaftet, streng nach biodynamischen Richtlinien, ein Teil nach Demeter-Standard. Johann Wolfgang von Goethe und Rudolf Steiner sind Leitfiguren. Erwin Lehner ist schon immer dem Wein verbunden, tatsächlich ist er im Weinberg zur Welt gekommen. Sigrid Lehner, ausgebildete Krankenschwester, ist Autodidaktin. Sie gestaltet die Etiketten, begeistert Besucher für ihre Weine und spricht im Weinberg auch schon mal mit den Rebstöcken. Das Logo des Weinguts ist der Jahreskreis.

„Unterschiedlich wie wir“

Sigrid Lehner im eigenen Weingut

Zur Bewirtschaftung nur einige Stichworte: Rebschnitt nicht vor Weihnachten, keine Entlaubung, keine Bewässerung, Abfüllung komplett händisch (soll die Energie des Winzers in die Flasche bringen). Die Philosophie steht auf der Homepage: „Wie das gezähmte Haustier braucht die kultivierte Pflanze artgerechte Betreuung in einem ausgewogenen Umfeld, nicht zu wenig aber auch nicht zu viel. Es gilt, das richtige Augenmaß zu finden.“ Und so beschreibt Sigrid Lehner ihre Weine: „Sie sind so unterschiedlich wie wir, ein bisserl penibel und genau, manchmal regelverhaftet, aber auch endlos entspannt und spürig, erdverbunden und bodenhaftend, oft etwas durcheinander, regellos und kunterbunt, so sind unsere Weine: sie tragen unsere Persönlichkeiten, sie widerspiegeln ganz einfach Lebendigkeit…“

„Ich trau mich das“

Weine im Tasting

Jetzt wird’s konkret – die Weine. Der charaktervolle Veltliner vom Ried Edelgrund (Ganztraubenpresssung, Spontangärung, Reife auf der Hefe im Edelstahltank) war der Wegweiser. Nun Chardonnay, erst Spontangärung im Stahltank, dann Reifung auf der Feinhefe im kleinen Holzfass. Feiner Tropfen mit Persönlichkeit, die Rösatromen sind schön balanciert, das Holz gibt Kraft, ist aber nicht protzig.  Originell, wenn auch nicht meine Rebsorte: der Muskateller. Unfiltriert und ungeschwefelt, schöne Aromatik, weich, erdig. Dann eine Rarität: Neuburger, eigentlich nur in der Thermenregion Zuhause. 40 Jahre sind die Reben alt. 18 Monate Reifezeit – im Holz und  auf der Hefe. Dass die Flasche nicht aus dem Kühlschrank kommt, kein Problem. „Ich trau mich das“ sagt Frau Lehner. Und sie hat Recht. Der Neuburger präsentiert sich aromatisch, von ungewöhnlicher Dichte, in Hochform. Die Nachprobe vor wenigen Tagen war der gleiche Erfolg.  

„Entsorgungswein für Cabernet Sauvignon“

Das Rück-Etikett des „Pseudonym“

Jetzt noch Rote – plus eine Überraschung. ‚Unt Aus‘ (bedeutet, dass der Weinberg unterhalb des Ortes liegt) heißt der 2016er Zweigelt, ausgebaut im großen Holzfass und gebrauchten Barriques. Reif, saftig, die Tannine fein eingebunden. Hat auch jetzt wieder Spaß gemacht. Gilt erst recht für die ‚Assemblage 2015‘,  Blaufränkisch/Zweigelt/Cabernet Sauvignon. „Unser Entsorgungswein für Cabernet Sauvignon“, scherzt Sigrid Lehner. Würden Entsorgungen nur immer so enden… Ein reifer, vollmundiger, selbstbewusster Wein, ein Genuss! Das Finale ist spektakulär. „Pseudonym 2003“ – die Reborte ist geheim und war trotz aller Anstrengungen nicht zu erfahren. Ein Orange-Wein vom Feinsten, gewiss nicht jedermanns Sache, ich war begeistert. So viel Charisma, dazu die tröstliche Botschaft: Alter kann etwas Tolles sein.
Welche Rebsorte ist das nur? Wiederkommen!

 


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