In diesen düsteren Corona-Zeiten macht ein schöner Wein (ab sofort ist auf Instagram zu sehen, was entkorkt wird!) die Lage erträglicher. Im besten Fall ruft er schöne Erinnerungen hervor. Gerade geschehen bei einem tollen Süßwein von Aneto. So heißt ein kleines Familiengut in Portugal, das vor mehr als zwei Jahren schon einmal bei einer Präsentation von Douro-Weinen in Berlin aufgefallen war.

Francesco Montenegro

Habe vor einem halben Jahr Aneto-Besitzer Francesco Montenegro in Portugal besucht, da war Corona noch was für Lateiner. Herrliche Erinnerungen! Das Weingut in Penajóia – nicht weit entfernt von Miguel Bragas „Port Knox“  – war leicht zu finden, was in Portugal nicht selbstverständlich ist. Nicht selbstverständlich ist auch, dass ein Douro-Winzer keinen Portwein herstellt. Nachdem die Aneto-Weine durchprobiert waren, war für mich klar: Portwein muss Senhor Montenegro auch nicht machen – seine Weiß-, Rot- und erst recht seine Süßweine sind eine Klasse für sich. Auch gut: Aneto exportiert nach Deutschland.  

Das Weingut

Aneto heißt zwar der höchste Berg der Pyrenäen, bedeutet im portugiesischen aber Dill. Der wächst auf den Rebflächen hoch über dem Douro angeblich besonders gut, daher der Name. Offiziell gegründet wurde das Weingut 2001, der erste eigene Jahrgang war 2002. Vorher hat die Familie die Trauben verkauft. Familie ist ein gutes Stichwort.  Francescos Mutter war das älteste von 14 Kindern, Francesco selbst ist auch der Älteste. Nachdem 2002 die ersten 5000 Flaschen (ausschließlich ein Tinto) produziert und verkauft waren, wuchs die Vinícola beständig. 2014 wurde eine neue Kellerei gebaut. „Sie ist jetzt schon wieder zu klein“, sagt der Winzer seufzend. 

Im Keller mit Francesco Montenegro

Die Weine

17 Hektar (7 ha weiße Trauben, 7ha lokale rote Trauben, 3 ha Pinot Noir) beträgt die Rebfläche, 60.000 Flaschen die Jahresproduktion.  12 Weine werden produziert – 3 Weißweine, 1 Rosé, 3 Rotweine aus lokalen Trauben, 1 Pinot Noir, 2 Spumante und 2 Süßweine. Der Pinot Noir reift im 5000-Liter-Holzfass. Die anderen Roten Trauben werden ganz traditionell mit den Füßen gestampft und kommen dann in 300-Liter-Barriques. Die beiden Süßweine sind Spätlesen, einer mit 50 Prozent Botrytis, der andere 100 Prozent. Künftig soll auch Riesling angepflanzt werden.

Das Tasting bei Aneto

Echte Individuen: Zwei Weiße

Beim Start geht’s gleich in die Vollen: Vinho Branco Grande Reserva 2016, eine Cuvée Alvarinho + Encruzado. Im Holz gereift, doch das Holz dominiert nicht, gibt dem Wein aber Power. Hat nur 1,8 Gramm Restzucker,  ganz nach meinem Geschmack.  Der Vinho Branco Reserva von 2017 aus Semillon und Verdelho steht dem nicht nach. Mit 6 Gramm Restzucker und 6 Monaten im Eichenfass aber anderer Charakter, klassisch vollmundig. „Der hat Bauch“, meint der Winzer. Das waren schon mal zwei Knaller.
Der Rosé Colheita (je 50% Touriga Franca und Touriga Nacional) geht danach fast als Erfrischungsgetränk durch. Erfreulicherweise nicht süß, keine Fruchtbombe, leicht trinkbar – idealer Sommerwein. 

Der Stolz: Pinot Noir

Der Pinot Noir scheint Francesco Montenegro sehr ans Herz gewachsen, belegt immerhin mehr als ein Sechstel der Rebfläche. Der 2016er im großen Holzfass gereifte ist ziemlich dunkel, wirkt überraschend frisch, hat eine elegante Frucht. Die Rebe ist selten am Douro. Habe als PN-Freund eine Weile an dem Wein gerätselt, schließlich steht im Notizbuch: Liebe auf den zweiten Blick. Francesco Montenegro versektet den Pinot Noir auch, das Ergebnis ist ein trockener, geschmackvoller Pinot Noir Espumante. Frage mich jedoch: Ist der Pinot Noir nicht zu schade für einen Spumante?

Das Fasslager mit bester Aussicht

Rote Power: Autochthone Stars

Von ganz anderem Charakter sind die Rotweine aus den heimischen Trauben. Einsteiger ist der Vinho Tinto Colheita, „Red Dog“ genannt. Basis sind vier portugiesische Rebsorten, man hat sozusagen Portugal konzentriert in einer Flasche. Schön würzig, leicht trinkbar, keine Einwände.
Mit der Vinho Tinto Reserva (2015) geht es auf der Leiter einen gehörigen Schritt nach oben. Tolles Aromenspiel schwarze Früchte/Vanille, richtig viel Power. Die  Cuvée Touriga Franca, Touriga Nacional und Tinta Roriz ist „Douro in the Bottle“, wie Senor Montenegro sagt. Klasse-Wein! Noch eindrucksvoller der Vinho Tinto Grande Reserva (2015). Der Wein  (je 50% Touriga Nacional und Tinta Roriz)  ist 18 Monate in neuen Barriques gereift, lag dann noch im großen Holzfass. Eine perfekte Balance von Kraft und Eleganz, unendlich lange Präsenz.

Rote Trauben werden mit den Füßen gestampft, Touristen können helfen.

Süße Highlights

Habe mich auf das Tasting-Finale besonders gefreut, Anetos Süßwein ist schon 2017 aufgefallen. Colheita Tardia 2013  (Late Harvest oder zu gut deutsch Spätlese) ist 100 Prozent  Semillon, golden, balanciert, nicht klebrig = große  Klasse. Eines schönen Sauternes ebenbürtig. Der Colheita Tardia S 2010 ist ein besonderes Meisterwerk. 100 Gramm Restzucker und 16 Gramm Säure – der Wein ist ein Ereignis. In der Farbe braun-orange-gold, in der Nase die pure Versuchung, im Gaumen ein Spiel mit hundert Aromen. Geht in einer Blindverkostung als Top-Tokajer durch. 


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