„Wein am Dom“, zum fünften Mal: Diesmal 1000 Weine von 170 Weingütern, 3700 Besucher, Rekorde, Rekorde. Das Konzept, die Wein-Show in Speyer auf sechs stilvolle Verkostungsorte zu verteilen, erweist sich als Volltreffer. Dazu das Flair der alten Domstadt Speyer, die tadellose Organisation und auch noch Frühlingssonne – besser hätte der Rahmen nicht sein können. Was aber steht im „Schaufenster des Pfälzer Weins“, wie Pfalzwein e.V. seine Messe „Wein am Dom“ beschreibt?

Die Strategie

… war dringend notwendig.

Denn natürlich ist es überaus schwierig, 1000 Weine zu probieren und fair zu bewerten. Habe mich diesmal auf Weißburgunder konzentriert. Den hatte Pfalzwein zur „Rebsorte des Jahres“ erkoren. Konnte einigen „Seitensprüngen“ aber nicht widerstehen, dazu gleich mehr. Machte in der Summe mehr als 200 probierte Weine plus einige Sekte. Große Enttäuschungen waren nicht dabei. Ja, mancher war Durchschnitt, aber es gab viele Persönlichkeiten im Glas und einige richtig schöne Entdeckungen.  Und nicht nur beim Weißburgunder.

Typisch Weißburgunder?

… Weißburgunder also.

Lese bei Beschreibungen von Weißburgundern immer wieder von „typischen Apfelaromen“, „typischer Säure“ und sonst was typischem. Doch was ist typisch Weißburgunder? Bei den 150 probierten allein aus dem hierzulande zwar großen, global gesehen aber doch überschaubaren Gebiet Pfalz waren Bandbreite und Vielfalt derart groß,  dass als gemeinsame Nenner allenfalls „schmeckt“ taugen konnte.  Das mitunter gehörte Urteil „Der ist aber nicht als Weißburgunder erkennbar“ enthält den Denkfehler, dass es eben keine Definition gibt, wie ein Weißburgunder nun ganz genau zu schmecken hat.

Enorme Vielfalt

… ist das große Plus der Rebsorte.

In der Pfalz wird diese Vielfalt exzessiv gepflegt. Edelstahl, großes oder kleines Holzfass, Spätlese, Süßwein, viel Restzucker, kaum Restzucker, Orange – alles dabei und noch viel mehr. Jahrgangsunterschiede gibt es. Für mich hätten manche 2016er etwas mehr Säure vertragen können. Es gab eine Menge an Weißburgundern der Kategorie „frisch, fruchtig, lebendig“, oft angepriesen mit der Aussicht „schön auf der Terrasse im Sommer“. Dort kann man sich auch wohlfühlen.

Die Sieger

… von einer Sommelier-Jury aus 100 angestellten Weißburgundern als „Entdeckung des Jahres“ gekürt.

Beim Wein gewann der 2015er Weißburgunder vom Arzheimer Klingenwingert des Weinguts Kranz in Ilbesheim. Beim Sekt gab es gleich zwei „Entdeckungen“: Einen 2013er Weißburgunder-Sekt brut von Dr. Wehrheim in Birkweiler und den Weißburgunder-Sekt baut von Ludwig Wagner & Sohn aus Maikammer. Habe die Sieger probiert – feine Tropfen, keine Einwände. Beim Wein sei es knapp zugegangen, erzählt Jury-Chef Peer Holm. Dicht, fein, geradezu filigran präsentierte sich der Siegerwein. Der Zweitplatzierte (Weißburgunder vom Weingut Sauer in Böchingen) komplett anders, geradezu opulent, voller Power. 4:3 endete die Spontanabstimmung am Tisch. Zeigt nur, dass beide Facetten Fans haben.

Die „Seitensprünge“

… waren Weine, denen einfach nicht zu widerstehen war.

– Riesling muss sein. Der 2015er von der Deidesheimer Leinhöhle vom Weingut Georg Sieben Erben aus Deidesheim hat Eindruck gemacht. Wäre danach fast komplett zu Rieslingen umgeschwenkt …
– Umwerfender 2007er Riesling vom Forster Kirchenstück aus der Magnum-Flasche von Heinrich Spindler, Forst a.d.W.;  golden, erwachsen, reif, 1000 Eindrücke, fantastisch.
– Toller 2011er Riesling Petershöhle aus der Magnum-Flasche vom Weingut Weisbrodt, Niederkirchen; viel Schmelz, Reife, beeindruckend.
– 2015 Muscaris Auslese trocken, Weingut Galler, Kirchheim; die  Piwi-Sorte wird ihre Anhänger finden, verspricht eine Hochzeit mit der Ente auf dem Teller
– Cabernet Blanc 2016 Ruppertsberger Nußbien, Stefan Reinhardt Niederkirchen; die Neuzüchtung musste probiert werden, erinnert an Sauvignon Blanc, exotisch, grün, Paprika,
– 2014 Lagrein, Egon Schmitt, Bad Dürkheim; Als großer Freund der Südtiroler Rebsorte war der Wein ein Muss – und keine Enttäuschung, Würze, Pfeffer, Intensität, alles da!

Süße Versuchungen

… müssen auch mal sein.

Riesling Auslese Weisenheimer Sonneberg von 2015, Handwald-Schwerdt, Bad Dürkheim; 104 Gramm Restzucker, 10 Gramm Säure, Klasse-Wein!
– Die 2015er Riesling Beerenauslese der Vier Jahreszeiten Winzer. Süß und nicht klebrig, unschlagbares Preis-Leitungsverhältnis (8 Euro)
– Eine großartige 2015er Riesling Auslese Forster Ungeheuer von Heinrich Spindler, Forst a.d.W.; 149 Gramm Restzucker, 10 Gramm Säure, Olala
Weegmüller aus Neustadt an der Weinstraße hatte eine 2015er Rieslaner Auslese Von 14 Zeilen dabei. Top!

Ein Rätsel

… gab es auch.

Nicole Graeber aus Edenkoben ist vor einem Jahr mit einer bemerkenswerten Scheurebe Trockenbeerenauslese aufgefallen, seinerzeit die  „Entdeckung des Jahres“. Diesmal hatte die Jungwinzerin (neben einem sauberen 2016er Weißburgunder) einen Wein „1929“ dabei. Den wollte jeder probieren. Frau Graeber ließ raten, niemand erkannte, was im Glas ist: Ein halbtrockener Kerner, süffig. „1929 ist das Jahr, in dem Trollinger und Riesling gekreuzt wurden, das Geburtsjahr des Kerners“, klärt die Winzerin das Etikettenrätsel auf. „Ich will nur zeigen, welche Schätze wir haben, schöne alte Schätze.“  Klar, den aus der Mode gekommenen Kerner, dann auch noch halbtrocken, hätte niemand probiert. Bei 1929 griff jeder zu. Clevere Strategie, Frau Graeber!

Orange grandios

… d i e  Entdeckung bei „Wein am Dom“ 2017.

Orange-Weine sind ein Trend, nicht alles ist trinkbar. Die beiden, die Volker Benzinger aus Kirchheim a.d.Weinstraße mitgebracht hatte, waren jedoch schlichtweg großartig: Orange Pinot Blanc und Orange de Picardou Blanc, beide von 2015. Tolle Charaktere, tolle, andere Weine, blitzsauber gemacht. Für manchen Orange-Jünger vielleicht zu sauber? „Typisch deutsch“, sollen Kollegen aus Frankreich den Benzingers zu deren Naturweinen gesagt haben, begeistert waren sie aber auch.  Typisch deutsch ist auch, dass auf dem Etikett „Landwein“ stehen muss.  Auch das Staatsweingut mit Johannitergut aus Neustadt an der Weinstraße stellte einen Orange-Weißburgunder 2015 vor, auch gelungen.

 Aufgefallen

… die Weißburgunder, die ein Plus im Kostheft bekommen haben. Die Reihenfolge ist kein (!) Ranking:

2016 Weisser Burgunder Kirchheim, Benzinger, Kirchheim a.d.W.; schöner frischer, feiner Wein, wird jedoch von den Orange-Weinen (siehe unten) um den Ruhm gebracht
2015 Weißer Burgunder „S“, Geheimer Rat von Bassermann-Jordan, Deidesheim; wie gewohnt edel, fett, gehaltvoll, intensiv
2015 Weißburgunder St. Lamprecht und 2015 Weißburgunder St. Lamprecht Reserve, Bergdolt, Neustadt an der Weinstraße; der Gutswein ist intensiv, rauchig, in der Reserve ist das Holz noch sehr präsent, für Liebhaber
2015 Weißburgunder Böchinger Rosenkranz im unteren Kreuz VDP Grosse Lage, Weingut Menges, Flemlingen; exzentrischer Tropfen, unfiltriert, viel Charisma, nichts zum nebenher trinken
2015 Siebeldinger Weisser Burgunder vom Muschelkalk, Ökonomierat Rebholz, Siebeldingen; lebendig, filigran, von schöner Leichtigkeit
2015 Pinot Times, Aloisiushof, Sankt Martin; Weißburgunder, der 10 Monate im Holz lag und das auch nicht versteckt, voller Schärfe, Paprika im Glas; Gegenprogramm ist der 2015er Weisser Burgunder Stein & Erde trocken aus dem gleichen Haus; beschwingt, leicht trinkbar
2015 Weißer Burgunder Réserve, Weingut Meyer, Heuchelheim-Klingen; ein Jahr im Barrique gelegen, das ist natürlich spürbar, nur 1,5 Gramm  Restzucker, alles, nur kein Allerweltswein
2015 Weißburgunder Freinsheimer Musikantenbuckel, Weingut Krebs, Freinsheim; ein Jahr im 600-Liter-Fass gereift, das gibt die nötige Power
2016 Weißer Burgunder Spätlese trocken Klingener Herrenpfad, Weingut Hof, Heuchelheim-Klingen;  nur 0,9 Gramm Restzucker und dennoch aromatisch, fruchtig, die Reben bringens!
2016 Weißer Burgunder Schlossberg, Weingut Brendel, Pleisweiler-Oberhofen; schöne Mineralität, wieder eine ganz andere Wb-Spielart
2015 Weißburgunder Auslese St. Martiner Baron; Winfried Seeber, Sankt Martin; Wb geht nicht nur trocken, Trockenfrüchte, Nüsse, sehr erwachsen
2015 Weißburgunder Réserve Walsheimer Silberberg, Weingut Koch, Hanfeld; gutes Bespiel für intelligenten Umgang mit Holz, 30 Prozent sind im großen Fass gereift, das Holz hilft dem Wein, beherrscht  ihn aber nicht
2015er Weißburgunder Sonnenberg, Weingut Jülg, Schweigen-Rechenbach; auch hier maßvoller Umgang mit Holz, ein Drittel im Barrique gereift, ergibt einen Wein mit viel Kraft, Würze und Aroma, aber keinen Holzsaft
2015 Weißer Burgunder Dirmsteiner Mandelpfad, Jesuitenhof, Dirmstein; gereift im 600-Liter-Holzfass, sehr intensiv, kaum Frucht, aber viel Würze, viel Power
2015 Weißburgunder, Hanewald-Schwerdt, Bad Dürkheim; schön rund und doch kräftig, ein Jahr im großen Holzfass – Zweitbelegung – gereift, auch hier das richtige (Holz-)Maß
2016 Pinot Blanc  “Happy“, Emil Bauer und Söhne, Nußdorf; logisch, dass das Weingut mit den schrägen Etiketten hier auch den französische Namen verwendet, aber ja, der Wein kann happy machen, denke vor allem Frauen
2015 Weissburgunder Tradition, Weingut Gabel, Herzheim a. Berg; spontan im kleinen Holzfass vergoren, biologischer Säureabbau, alles gelungen, 0,7 Gramm Restzucker, mehr braucht der Wein auch nicht
2016 Weissburgunder, Weingut Dengler-Seyler, Maikammer; mit Traubenbeeren vergoren, schöne Struktur, wieder eine anderes Gesicht des Wb
2015 Weißburgunder Spätlese trocken, Wilhelmshof, Siebeldingen, voller Kraft und Power, die Reben sind 45 Jahre alt, ausgebaut im 600-Liter-Holzfass
2016 Weißer Burgunder Platin Frackweiler Kalkgrube, Weingut Lidy, Frankweiler;  viel Frucht und Charisma, kraftvoll, ein Teil im Holz ausgebaut
2016 Weißburgunder, Weingut Zimmermann, Wachenheim a.d.W.; erst kürzlich abgefüllt, schon sehr rund, ausgewogen, fein
2015 Weißburgunder LIMIT Haardter Herzog, Weingut Schäfer, Neustadt an der Weinstraße; voller Wucht und Persönlichkeit, es gibt nur 2000 Flaschen, deshalb Limit
2015 Cocovino Assemblage, Weingut Galler, Kirchheim; Cuvée aus Weißburgunder, Chardonnay, Auxerrois, spontan vergoren, vielschichtig, etwas für Entdecker. Vom gleichen Betrieb auch spontan vergorener Weißburgunder

Vielleicht etwas viel des Guten, aber keine wirkliche Überraschung. Auch die letzten Exkursionen in die Pfalz – Wein am Dom 2016, der Besuch neuer Vinotheken oder die Begegnung mit Jungwinzern  haben Eindruck gemacht.
Der Termin für „Wein am Dom 2018“ – 7./8. April 2018 –  ist notiert.

 


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