Grandi Marchi ist eine Vereinigung von 19 renommierten Weinfamilien aus allen Regionen Italiens. „Jedes Mitglied ist in der Region der beste Weinproduzent“, heißt es in der Eigendarstellung und damit ist klar, wohin die Reise geht. Große Namen wie Lageder, Antinori, Gaja, Pio Cesare, Sassicaia, Lungarotti, Rivera oder Tasca gehören dazu, die Granden der italienischen Weinszene. Grandi Marchi hat sich mit seinen Mitgliedern in Berlin präsentiert. Viele Winzer, in den meisten Fällen die Padrones selbst, waren mit vor Ort, an sich schon eine großartige Sache. Gilt auch für einige Weine.
Die Highlights
Es führt zu weit, hier über die 80 Weine zu philosophieren, die vorgestellt wurden. Vor der Kategorie „überraschend“ einige ganz persönliche Highlights, ohne Rang- und Reihenfolge.
Vom Prosecco-Spezialisten Carpenè Malvolti ist ein toller Extra Dry Prosecco Superior aufgefallen, und natürlich der PVXINVMV, von dem noch die Rede sein wird. Dann natürlich Alois Lageders großartiger Chardonnay Löwengang (2012), nicht minder beeindruckend sein 2010er Pinot Noir Krafuss. Überragend der Brunello di Montalcino „La Fuga“ von Ambrogio e Giovanni Folonari, angeblich ausverkauft. Ein anderer Farbtupfer der Turriga vom sardischen Traditionsgut Agricolas, schöner Beweis, was die Rebsorte Cannonau leisten kann. Lungarottis Rubesco Riserva ist ein Klassiker, der weiße Torre di Giano (Vermentino+Grecchetto+Trebbiano) war eine Überraschung. Schließlich Barbaresco (2012) und Barolo (2011) von Gaja – da muss nicht viel gesagt werden, wirklich groß. Auf einer Stufe, mindestens, Barbaresco und Barolo von Pio Cesare (gleiche Jahrgänge). In unserer Vierergruppe endete das Geschmacksduell Gaja-Pio Cesare übrigens 2:2. Tenuta San Guido hatte den 2011er Sassicaia im Gepäck. Über den Kultwein wird ja mitunter gelästert, wir fanden ihn sehr gut, 4:0.
Die Überraschungen
Eigentlicher Zweck der Berlin-Tour von Grandi Marchi war zu zeigen, dass bei aller Tradition die Weingüter durchaus innovativ sind, Experimente wagen und neue Weine kreieren. Jeder der 19 Betriebe stellte einen solchen Wein vor. Das war überaus spannend – und in einigen Fällen auch ein großer Genuss. Die interessantesten Weine mit den Berliner Notizen:
PVXINVM Valdobbiadene Prosecco Superiore DOCG Extra Dry / Carpené Malvolti, Venetien
Ein Knaller von Prosecco, vor unerhörter Leichtigkeit und Charme, Weltklasse, nur 500 Flaschen, PVXINVM ist übrigens historischer Name des Prosecco.
Incrosio Manzoni 2014 / Alois Lageder, Südtirol
Referenz an die weiße Rebsorte Manzoni, die gar nicht so oft sortenrein vermarktet wird. Ein Drittel in neuen Eichenfässern ausgebaut. Der Wein spaltet, Alois Lageder selbst berichtete, wie hinterher jemand zu ihm gekommen ist und gesagt hat, der Wein sei unmöglich. Sehe das ganz anders, ein sehr spannender diskutabler Wein, außerhalb des Mainstreams und Weltweingeschmackes. Genau das ist noch nötig.
Vinnae, Ribolla Giala 2014 / Venezia Giulia IGT / Jermann, Friaul-Julisch-Venetien
Eine ungewöhnliche Cuvée, 90% der historischen Sorte Ribolla Gialla, 5% Friulano und 5% Riesling; viel Charakter, hohe Intensität. Die Cuvée ist vielleicht eine Reminiszenz an die Familie, Michele Herman nennt sie „Big Mix“: Die Vorfahren kommen aus dem Burgenland, Slowenien und dem Friaul.
Iselis Nasco 2014 / Nasco di Cagliari secco DOC / Agricolas, Sardinien
100% Nasco, eine autochthone Rebsorte, bei der auch mancher Spezialist im Lexikon nachschlagen muss; große Reife, Schmelz, voluminöser, geradezu üppiger Wein. Wieder alles andere als ein Allerweltswein, aber wer will die schon?
Braccale 2011/ Rosso di Toscana IGT / Biondi Santo Tenuta Greppo, Toscana
80% Sangiovese Grosso treffen 20% Merlot, jede Traubenart getrennt gegärt, dann 10 Monate in französischen Eichenfässer. Das berühmte Gut gilt als Pionier des Brunello, nun soll auch ein anderes Segment erschlossen werden. Clemente Biondi Santi nennt den Braccale daher auch einen „Wein für jeden“.
Giudalberto 2013/ Toscana IGT / Tenuta San Guido, Toskana
Das Weingut schwebt mit seinem Sassicaia eigentlich in anderen Sphären, im Jahr 2000 nun wurde der Guidalberto kreiert, eine klassischen Bordeaux-Cuvée aus 60% Cabernet Sauvignon und 40% Merlot, laut Priscilla Incisia Rocchetta „kein Zweitwein“. Erinnert an einen Bordeaux, ist feingliedrig, lebhafte Säure, auch den typischen Johannisbeer-Touch.
Cont’Ugo 2012 / Bolgheri DOC / Marchesi Antinori, Toskana
Ein reinsortiger Merlot, absolute Neuheit im Hause Antinori, 12 Monate in Holzfässern gelegen. Gärung niemals über 28 Grad, sagt Piero Antinori. Ausdrucksvolle Frucht, sehr kraftvoll, Beeren, Pflaumen.
Piemonte Albarossa Montald 2011 / DOC / Michele Chiarlo, Piemont
Die Geschichte der Rebsorte Albarossa ist ein kleiner Roman. Michele Chiarlos Vater hat in Züchtung viel experimentiert, es gibt einen „experimentellen Weinberg“, wo alle Neuzüchtungen Chancen bekommen; Albarossa ist eine Kreuzung aus den Piemont-Klassikern Nebbiolo und Barbera ; 2005 war die erste Lese, aktuell gibt es 20 Produzenten. Sehr spannender Wein, mehr als ein Farbtupfer in der Region.
Conteisa 2011 / Langhe Nebbiolo DOC / Gaja, Piemont
Der Conteisa ist auch eine klassische Piemont Combi (92% Nebbiolo und 8% Barbera, gemeinsam vergoren), laut Gaia Gaja eine „Hochzeit aus Tradition und Moderne“. Das Ergebnis nennt sie eine „glückhafte Ehe“. Tatsächlich erweist sich die Ehe als schön balanciert, die Frucht nimmt sich zurück, fein gemacht. Conteisa ist übrigens ein piemontesisches Wort für Streitgespräch/Fehde, für einen echten Streit ist der Wein jedoch zu brav.
Oltre 2011/ Langhe DOC / Pio Cesare, Piemont
Noch so eine Legende aus dem Piemont, stattgefunden hat nichts weniger als eine Revolution: Erstmals in der Geschichte von Pio Cesare wurde mit dem Oltre kein reinsortiger Wein produziert. Oltre (heißt jenseits) ist eine Cuvée Nebbiolo+Barbera+Cabernet-Sauvignon+Merlot, 50% in Barriques und 50% in Holzfässern gereift. „Ein Wein für eine neue Generation“, sagt Augusto Botta; die Cuvée verspreche Frische und lange Lebensdauer zugleich, quasi den Stein des Weisen. Interessante Sache, aber auch Mainstream. Was wohl der alte Cesare Pio dazu gesagt hätte?
Puer Apuliae 2009 / Nero di Trioa Castel del Monte DOC / Rivera, Apulien
Pures Apulien ist ein Versprechen, der Nero di Troia hält es. Denn der Nero ist die drittwichtigste apulischen Rebsorte, wird eigentlich nie allein ausgebaut, sondern mit Montepulciano verschnitten. Denn Nero di Troia reift sehr spät, hat eine dicke Schale, das hässliche Entlein unter den Reben. „Wir kannten das Potenzial der Sorte selbst nicht“, gesteht Sebastiano de Corato von Rivera. Jetzt kennen wir es und wollen mehr davon. Was für ein lebhafter Wein, nach sechs Jahren noch quicklebendig und frisch. Echte Entdeckung!
Tascante 2012 / Siciliana IGT / Tasca d’Almerita, Sizilien
Hundert Prozent Nerello Mascalase. Alberto Tasca geht in die Vollen, nennt seinen Wein den Romanee Conti vom Ätna. Tatsächlich wird der Nerello Mascalase gestreichelt und umsorgt, an den Terrassen am Ätna (Vulkanböden!) sind mehrere Lesen für die perfekte Reife nötig. „Die Rebsorte ist über 100 Jahre alt, es gelang nie, einen interessanten Wein zu erzeugen“, sagt Alberto Tasca. Man ahnt es, im Fall des Tascante Siciliana ist das nun gelungen. Tatsächlich nicht opulent, wie zu vermuten, sondern elegant. Richtig gut.
Osar 2009 / Rosso del Veronesa IGT / Masi, Venetien
Wieder eine schöne Geschichte einer wiederentdeckten autochthonen Rebsorte. Osar ist das Kürzel für den Oseleta, einer sehr alten Traube, nach der Reblaus-Epidemie nicht mehr angebaut und eigentlich vergessen. Hatte keine Lobby. Kein Wunder: Wenig Ertrag, späte Reife, kleine Trauben, angeblich so groß wie Pfefferkörner, alles abschreckend. Durch Zufall wurde ein Oseleta wiedergefunden, man wurde neugierig, und Masi kelterte Mitte der 70er Jahre als erstes Gut überhaupt wieder einen Oseleta-Wein. Der Osar ist beim Amarone-Star Masi eine Nische, aber die hat Fans. Die 5000 Flaschen gehen angeblich zügig weg.
Redimore 2013 / Irpinia Aglianico DOC / Mastroberardino, Kampanien
Mastroberardino, „Hüter des Weinerbes Kampaniens“, verhilft der großen süditalienischen Sorte Aglionico zu neuen Höhenflügen. Der Redimore hat einen für Aglionico erstaunliche Frische, Charakter und Volumen entsprechen dem eines großen Aglianico, weich und fein. 2006 gab es einen Auswahlprozess mit antiken Klonen.
Ben Ryè 2008 / Passito die Pantelleria DOC Limited Edition / Donnafugata, Sizilien
Was wäre Sizilien ohne seine Süßweine? Donnafugata hat einen Passito von der Insel Pantelleria präsentiert. Die zum Teil 100 Jahre alten Zibibbo-Reben (Muscat d’Alexandrie) wachsen auf Vulkangestein, Mitte August wird gelesen, alles manuell natürlich. 1 Kilo Trauben ergeben 1 Liter Passito. Nichts für spitze Rechner. Göttlicher Wein.
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