Für manchen endet die Mosel – was Wein betrifft – in Trier. Welch ein Irrtum. Die südliche Mosel ist uraltes Weinland, Deutschland, Luxemburgs und Frankreich (Moselle!) teilen es sich. Gemeinsam ist der Kalkboden, der komplett andere Charaktere hervorbringt als die nördliche Mosel mit den Schieferböden, auf denen die Rieslinge wachsen, die Weltruhm erlangt haben.
Riesling gibt es an der südlichen Mosel auch, doch dort hat Elbling den Weinbau geprägt. Die Sorte hat freilich ein Image-Problem, ist nicht Mainstream-tauglich, die Rebfläche schrumpft konstant. Aber es gibt Hoffnung. Denn da sind Winzer, die sich dem Elbling mit Engagement widmen, die Erträge beschränken und zeigen, was mit dem einstigen Massenträger möglich ist. Dann sind da noch Auxerrois, die Burgundersorten, die Kalkböden so lieben, die Franzosen haben mit dem Gris eine eigene Spezialität kreiert.
Notizen von einer Tour entlang der südlichen Mosel.
Die deutsche Seite – Elblingland
Weingut Hellershof-Zilliken in Nittel ist schon mal ein guter Anfang, von dort kommt ein Musterbeispiel von Elbling. Aber auch ein feiner Riesling Alte Reben. Extrem spannend ein Sekt vom Roten Elbling aus 1999, 12 Jahre auf der Hefe gelegen und erst 2013 degogiert. Im Vergleich dazu ein Elbling-Sekt aus dem aktuellen Jahrgang – mehr als erstaunlich, was so ein Elbling alles kann (die Winzer erst recht) …
Nächste Station Schloss Thorn. Baron von Hobe-Gelting erzählt im Winzer-Gespräch die Geschichte, dass ihn der Gault Millau den Lordsiegelbewahrer des Roten und Weißen Elbling genannt hat, als den sieht er sich auch. Ein Drittel der 9-Hektar-Anbaufläche gehören dem Elbling. Der trockene Elbling Classic ist denn auch ein gutes Beispiel für alle, die wissen wollen, wie Elbling schmeckt. Der Muschelkalk-Boden ist präsent, in der Weinsprache heißt das „Terroir -Wein“. Der aromatische, feinherbe Rote Elbling ist eine echte Spezialität, mit 25 Prozent der Produktion auch das Zugpferd des Betriebes und ein kleiner Exportschlager. Klassiker kann der Baron auch. Der Pinot Blanc ist gelungen, auch die trockene Riesling-Spätlese, die hat große Präsenz. Das Siegel Rarität verdient erst recht der Sauvignon Gris, den sonst niemand in Deutschland anbaut. Die Reben hat der Baron an der Loire besorgt. Die feinherbe Auslese ist hocharomatisch und pariert die asiatische Küche, persönlicher Favorit ist die trockene Auslese, würzig, charmant, charismatisch. „Ich bin mehr so der Einzelkämpfer“ sagt Baron von Hobe-Gelting von sich, könnte auch für den letztgenannten Wein gelten.
Ein wahrhafter Elbling-Patriot ist auch Matthias Dostert in Nittel, 80 Prozent seiner Rebfläche gehört dem Klassiker. Der trockene Elbling 2014 hat am meisten beeindruckt, generell gilt auch hier: So schmeckt Elbling. Wer es geschmeidiger mag, für den gibt’s den Classic mit etwas mehr Restzucker (etwas über 10 Gramm). Für einen großen Moment ist die Elbling Spätlese gemacht, reif, fertig, zum Träumen.
Unterwegs noch aufgefallen: Ein toller Grauburgunder vom Weingut Biewers (Fellerich) sowie ein famoser Spätburgunder von Karl Sonntag (Nittel).
In Luxemburg – nicht nur Schaum
Auf der anderen Seite der Mosel liegt Luxemburg. Ein herrlicher Ort zum Schauen ist das Wormeldinger Koeppchen, die berühmteste luxemburgische Weinlage. Von der Kuppe mit ihrer kleinen Kapelle hat man einen wunderschönen Blick über das Moseltal, im Idealfall blickt man mit einem Crémant im Glas in die Welt. Den können die Winzergenossen von Vinsmoselle (860 Hektar, 350 Winzer, 11 Millionen Flaschen Jahresproduktion) ganz gut, Die Cremants laufen unter der Marke Poll-Fabaire (zu deutsch Paul Faber, Poll-Fabaire klingt aber besser). In Wormeldingen liegt die Vinothek am Fuße des Koeppchens. Probieren: Chardonnay Brut und die Cuvée Millésimée. Star des Portfolios ist aber die Cuvée Cult, Kellermeister Guido Sonntag sagt unbescheiden, dies sei „Dom Perignon von Luxemburg“. Kann man gelten lassen, mit 12,50 Euro ist der Luxemburger Dom auch etwas günstiger. Warum? „Wir machen was für die Menschheit.“ Noch ein schöner Spruch von Marc Weyer, dem Chef des Luxemburger Winzervebandes zum Thema Luxemburger Wein: „Wir sind ja ein Mückenschiss auf der Weltweinkarte. Aber das kann ja auch was Besonderes sein.“ Manches ist es.
Laurent Kox nennt seine Domaine Kox in Remich bescheiden einen „kleinen Mittelbetrieb“. Mag auf die 12,5 Hektar Rebfläche zutreffen, auf die Kategorien Engagement und Ideenreichtum nicht. Jedes Jahr bringt der Winzer ein neues Produkt auf den Markt, 2015 ist es ein schwefelfreier Cremant. „Die Klimaerwärmung hat uns viel gebracht, vor allem bei den Rotweinen. Aber der Riesling wird zu früh reif, der geht bald nicht mehr“, meint Laurent Kox. Die 14er Rieslinge gingen aber noch sehr gut, der von der Lage Remicher Primerberg verdient die besten Noten. In der Verkostung zieht Kox alle Register. Da sind verschiedene Spielarten des Elblings, alle Geschmäcker werden bedient. Persönlicher Favorit ist der 2012er Elbling Lea Linster, geradezu opulent. Dann eine Querprobe zum Teil im Barrique (Holz aus Luxemburg!) gereiften Pinot Blancs verschiedener Jahrgänge. Solche Vergleiche sind immer interessant, im privaten Ranking gewann der 2012er, aber da gingen die Meinungen auseinander. Schließlich als Knüller ein Weißburgunder Vin Orange 2014, ganz im Trend. Aber Monsieur Kox ist auch da clever. „Er ist ein Kompromiss, weil geschwefelt“, erklärt er selbst. „Salon-Orange“ hat ein Tester den Wein getauft, auf jeden Fall extrem spannend. Und geradezu sensationell mutet an, wie rasant sich der Wein im Glas entwickelt. Von Kox wird noch zu hören sein. Seine Tochter mache „was anderes“ sagt er und verrät : „Sie hat Amphoren im Garten vergraben …“
Mehr Europa geht nicht
Schließlich Schengen, Dreiländereck, Ort des berühmte Abkommens. Mehr Europa geht nicht, logisch, dass der Gedanke auch Winzer beflügelt. Charta Schengen heißt das Projekt, zehn Winzer (vier Luxemburger, zwei Franzosen und vier Deutsche) machen mit. Die Charta-Weine haben einen gemeinsamen Qualitätsanspruch und das gemeinsame Label „Charta Schengen Prestige“. Ein Plus in der Notizen beim 2012er Riesling vom Caves Krier Fréres in Remich, beim gefälligen 2011er Pinot Blanc von Vinsmoselle und zweimal Plus beim Pinot Gris vom Weingut Helmut Herber im Saarland, knackig, aromatisch, Klasse-Tropfen.
Frankreich – die Mutigen
Dass an der französischen Mosel, Moselle natürlich, Weinbau betrieben wird, ist selbst in Frankreich kaum bekannt. Wen wundert’s. Die AOC Côtes de Toul (100 Hektar, 20 Winzer) und AOC Moselle (60 Hektar, 18 Betriebe, 6 im Haupterwerb) – beide in Lothringen/Lorraine – sind Winzlinge in der großen Wein-Nation, marginal. Im lothringischen Weinbau unterwegs sein hat noch etwas von Abenteuer – man muss die Reben suchen. Dabei gehörte Lothringen vor über 100 Jahren zu den großen Weinregionen, angeblich auf 20 000 Hektar (manche sagen 100 000) standen Reben. Doch Reblaus, Krieg und Stahlindustrie haben dem Weinbau dort die Grundlage entzogen und ihn fast zum Erliegen gebracht. Aber nur fast. Jetzt sorgen von Pioniergeist beseelte Winzer für ein Comeback.
Winzer wie Damien Jaspard (AOC Moselle) zum Beispiel. Der junge Mann hat Psychologie studiert, sich jetzt dem Weinbau verschrieben und arbeitet auf 2 Hektar in Marieulles nach biodynamischen Prinzipien. Da glänzt noch nicht alles, aber mit einem Vin Jeaune (gelber Wein) und einem Auxerrois-basiertem Cuvée von 2007, leicht oxidiert, hat er Weine im Portfolio, die nicht dem Massengeschmack treffen, aber unbedingt Liebhaber finden.
Die Domaine Oury-Schreiber (AOC Moselle) in Marieulles gibt es seit 1991, 8 Hektar, auch ein Bio-Gut. Die Hälfte der Produktion sind Sekte in traditioneller Flaschengärung, man könnte (darf aber nicht) Champagner sagen. Kein Wunder, die Ourys stammen aus der Champagne. Der schöne Crémant Henri II kann es denn auch mit Champagnern aufnehmen, ist aber, richtig, günstiger.
Chateau de Vaux (AOC Moselle) in Vaux ist mit 14 Hektar schon eine große Nummer in der kleinen Wein-Lorraine. Wer bei dem Namen stutzt – das historische Schloss war mal in deutschem Besitz, die Familie hat sich den Markennamen Schloss Vaux nach dem Krieg in Deutschland gesichert. In Vaux mit dem historischen Schloss (bis Ende der 1980-er Jahre Altersheim) kümmert sich seit 1999 Familie Molozay um den Wein, gearbeitet wird auf biologischer Basis und auch mit Mut. So bekommt neben dem Lorraine-Dreiklang Pinot Gris, Auxerrois und Pinot Noir auch Müller-Thurgau eine Chance. Der konzentrierte Müller-Thurgau Les Mages ist klasse. Von den Weinen gibt es überhaupt Gutes zu berichten: Der famose Chardonnay Extra Brut von 2010 zum Beispiel. Oder die Cuvée Les Gryphes 2014 aus vier weißen Sorten, hat was. Monsieur zaubert auch einen 2004er Les Gryphes aus dem Keller, alt, aber eine Pracht. Gilt auch für die Cuvée Septentrion (Pinot Gris, Müller-T. und Auxerrois), im Holz gereift, der 2006er ist noch immer nicht ganz fertig. Und natürlich die Roten. Bei den jüngeren Pinot Noir dominiert noch das Holz, wohin die Reise geht, zeigen die 2005er: Tolle, reife, lebendige Tropfen, immer wieder gehört: „So schmeckt Pinot Noir.“
Domaine Regina (Côtes de Toul) in Bruley ist eine gute Startup-Geschichte. Die Besitzer Isabelle und Jean-Michel Mangeot waren früher Manager bei Michelin und haben sich 2009 den Traum vom eigenen Weingut erfüllt. Mit 1,5 Hektar Reben ging’s los („Keine Ausbildung, keine Ahnung, keine Schere“, sagt Madame), jetzt bewirtschaften sie 14 Hektar. Einige schöne Weine, absolute Spezialität ist der Gris, ein blasser Rosé aus 85 Prozent Gamay und 15 Prozent Pinot Noir von ganz eigenem Charakter und richtig gut. Geplant ist, demnächst einen Cremant de Lorraine auf den Markt zu bringen.
Schließlich Domaine Lelièvre (Côtes de Toul) in Lucy, etwas mehr Erfahrung weil Familienbetrieb in dritter Generation, 11 Hektar. Auch hier ist der Rosé Gris die Spezialität, Chef David Lelièvre hat fünf Gris-Cuvée kreiert. Beachtung verdient auch der in Champagner-Methode hergestellte Sekt Les Evêques, Daumen hoch. Insgesamt anständiges Niveau, gilt erst recht für die Mirabellen-Brände
Die Grenzen
Die Mosel ist ein tolles Weinland, der südliche Teil ist was für Entdecker und Freunde von Winzern, die nicht unbedingt den Weltweingeschmack bedienen wollen. Das Gebiet liegt war mitten in Europa, aber deren Grenzen spürt man ganz schnell beim Versuch, sich den soeben entdeckten Wein aus Frankreich oder Luxemburg nach Deutschland schicken zu lassen. Zölle, Speditionsgebühren, Steuerfragen, was da alles beachtet werden muss, ist der reinste Horror. Der Aufwand ist nicht zu rechtfertigen, war das Ergebnis aller diesbezüglichen Diskussionen. Die Winzer verzweifeln, die Konsumenten auch.
1 Kommentar
Martin Kurzweil · 16/06/2015 um 09:16
Liebes WeinBeobachter.com – Team,
ein schöner Artikel den ich – als „Grenzgänger“ – sehr gerne gelesen habe. Mittlerweile bin auch ich zum Elbling-Liebhaber geworden. Dass die südliche Mosel eher für Entdecker ist, da man „nicht unbedingt den Weingeschmack bedient“, sehe ich allerdings anders. Für mich sind die Winzer aus Luxemburg, Frankreich und Deutschland wahre Allrounder, die sowohl auf dem Mainstream schwimmen, als auch Tradition und Geschichte hochhalten und gerne experimentieren. Daher fahre ich immer mit Vorfreude an die südliche Weinmosel und nicht nur bis Trier.
Einen Tipp hätte ich übrigens für Ihre Elbling-Auswahl noch.
Im Weingut Scharfbillig an der luxemburgisch-deutschen Grenze im Ort „Igel“ gibt es eine limitierte Auflage eines Schwarzelbling (Rotwein). Ein absolut gelungenes Experiment vom Jungwinzer des Betriebs. Und nicht das Einzige.
Herzliche Grüße
Martin Kurzweil