Im Fokus Ungarn. Endlich mal, sagen einige. Dass aus Ungarn wunderbare Weine kommen, ist nicht ganz neu. Allerdings sind sie nicht ganz so leicht zu bekommen und auch nicht unbedingt jedem bekannt. In Potsdam gibt es einen fantastischen Ungarn-Laden. Angetrieben von der Idee, Ungarn wieder einmal in den Fokus zu rücken, wurde Irene Kleißl dort fündig und quasi von der Csardasfürstin persönlich beraten. In einem alten Gewölbekeller im Schlaubetal, wo auch der schon neulich erwähnte Tokajer von 1975 zur Höchstform reifte, wurde zu sechst verkostet.
Château Dereszla – Tokaji dry 2020
Im Weingut gibt es einen 1 Kilometer langen Keller aus dem 15. Jahrhundert. Die Kellerei selbst stammt aus dem 18. Jahrhundert. Nach einigen Eigentümerwechseln gehört das Gut seit 2000 der Familie d‘Aulan aus der Champagne. Tokaj mag weltberühmt sein für seine Süßweine, aber auch die trockenen haben Weltniveau! Bei dem vom Château Dereszla – 86% Furmint, 9% Muscat, 5% Kaba – fallen die Stichworte Birne, Honig und Zitrus. Der Wein ist erfrischend, mineralisch und aromatisch. Ein großer Genuss und (ich nehme schon mal vorweg…): der Sieger des Abends!
Weingut Vayi – Furmint 100 evés 2021
Wir bleiben noch in Tokaj. Der Direktor dieses Ein-Mann-Weinguts Dr. Krisztián Ungváry ist eigentlich Militärhistoriker. 1996 kaufte er seinen ersten Weinberg. Dieser gehörte einst der Familie Baron Vay, die vor hundert Jahren dort Furmint pflanzten. Der Hobbywinzer produziert mit beharrlichem Fleiß auf 2,5 Hektar jährlich 5-8000 Flaschen Wein, davon diesen 100 evés, den Furmint aus 100-jährigen Reben, mit dem Logo einer Fledermaus. Trotz des Alters der Reben wirkt er irgendwie leicht und lebendig. Würzig und eher herb, Kräuterbonbons, Birne und Weihrauchkörner gehen als Stichworte über den Tisch. Hat gut gefallen, und in Anbetracht der Reben schon auch was Besonderes.
Tornai – Sauvignon Blanc
Die Kellerei Tornai ist ein schon lange bestehendes Familiengut in der Nagy-Somlóer Weinregion, wo nur Weißwein-Reben angebaut werden. Sie haben einen hohen Mineralgehalt und waren früher als Medizinalwein und Hochzeitswein gefragt. Der Wein hat eine intensive Nase, blumig, fruchtig, später pudrig. Wir entdecken Holunderblüte, Grapefruit, exotische Früchte und Passionsfrucht – die typischen Sauvignon blanc Aromen. Erinnert schwer an einen neuseeländischen Sauvignon.
Thummerer – Egri Bikaver Classic
Eger ist nach Tokaj die bekannteste Weinregion Ungarns. Bikaver ist im deutschen als Stierblut bekannt. Ein Name mit großer Story: Der Legende nach glaubten 1552 die Osmanen angesichts des unglaublichen Widerstands der Ungarn, dass diese Wein mit Stierblut tranken… Vilmos Thummerer keltert einen der besten Egri Bikaver Ungarns – ohne Blut natürlich. Seit 1984 ist er ein Leuchtturm in der Region. Von 7 bis auf 100 Hektar ist das Familienweingut gewachsen. Stierblut ist eigentlich eine Cuvée. Die muss mindestens 4 Rebsorten enthalten, 50% davon müssen eine lokale sein. Thummerers Classic enthält Kékfrankos (Blaufränisch), Merlot, Cabernet Franc, Cabernet Sauvignon und Kadarka. Wir entdecken Nelken, Cassis, Zimt, auch etwas Süße und Vanille.
Thummerer – Terra Cuvée 2018
Welche Rebsorten hier im Spiel sind war nicht in Erfahrung zu bringen. Wir vermuten lokale Reben, denn bei jeder Blindverkostung wäre dieser Wein als „typisch Ungarn“ sofort erkannt worden. Die süßliche Spur ist verräterisch. Trotz seiner 5 Jahre ist Holz noch ziemlich präsent. Der Wein hat Power, Holunderbeeren und Paprikapulver werden erkannt. Der Rotwein-Sieger bei fast allen Verkostern in der Runde!
Tüzkö – Kékfrankos 2018
Das Gut Tüzkö (Feuerstein ) wurde 1990 von Geschäftsleuten mehrerer Länder gegründet und ist jetzt im Besitz von Marchese Antinori. Es werden lokale und internationale Rebsorten angebaut. Kein Wunder, dass dieser Blaufränkisch gefällig und ganz im europäischen Stil daherkommt. Er ist rund, harmonisch, gefällig, Minze, Pflaume und Vanille werden genannt. Ganz gewiss ein sehr angenehm trinkbarer Wein – freilich ohne ungarischen Charakter. Und für einen Blaufränkisch-Fan wie den Weinbeobachter einfach zu soft.
Teleki – Pinot Noir Villanyi 2020
Das Weingut wurde 1881 von Teleki, Zsigmond gegründet. Der Name des Lieferanten des K&K-Hofes wurde zur Zeit der Reblaus europaweit bekannt – durch die Selektion der von ihm herausbekommenen, Reblaus-resistenten Unterlagen. Das Weingut Csányi Pincészet versteht sich als Nachfolger dieser renommierten Rebschule. In der Nase kommt nicht viel an. Insgesamt wirkt der Wein etwas schlank, vorsichtig gesagt. Alles andere als ein kein feuriger Csardas. Auffällig ist die spürbare Säure, dann kommen Sauerkirschen, Heidelbeeren und eine Spur Karamell in den Gaumen.
Fazit: Eine spannende Verkostung extrem unterschiedlicher Weine. Weil Ungarn im Fokus stand waren die typisch ungarischen Rebsorten waren auch deutlich im Vorteil. Und: eine Reise nach Tokaj steht nunmehr auf der To-do-Liste des einen oder anderen.
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