Neuerdings nennt sich Baden „Garten Deutschlands“. Weil Garten auch Weingarten bedeuten kann, Baden mit rund 16.000 Hektar Rebfläche das drittgrößte deutsche Anbaugebiet und auch für viel Genuss bekannt ist, scheint eine Weintour in Baden eine gute Idee. Sogar eine sehr gute Idee.
Erster Stopp: Weingut Heitlinger
Start der Weintour in Baden ist Östringen-Tiefenbach, Weingut Heitlinger. Das Weingut ist eng mit dem Namen Heinz Heiler verbunden, ein gebürtiger Kraichgauer. Der Unternehmer kaufte Anfang der 2000er Jahre das Traditionsgut und später auch das benachbarte Weingut Burg Ravensburg. Das gibt’s seit 1251 und ist eines der zehn ältesten Weingüter der Welt, das durchgängig produziert. Obwohl im gleichen Besitz und nur wenige Kilometer voneinander entfernt sind die beiden VDP-Weingüter weinrechtlich komplett getrennt. Alle Weine werden jedoch in der 2012 neu errichteten Kellerei in Tiefenbach vinifiziert. Exportiert wird in 45 Länder. Ein Golf-Ressort und ein Hotel gehören auch noch zum Imperium.
Seele der Weingüter ist Claus Burmeister, der als Geschäftsführer oder laut Homepage Winemaker für Heitlinger (84 Hektar) und Burg Ravensburg (34 Hektar) verantwortlich ist. Seit 2014 wird nach biodynamischen Richtlinien gewirtschaftet. Mit Verve und Leidenschaft bringt Burmeister die Philosophie näher. Für sind Weine Lebewesen. „Meine Freunde sind die Rebstöcke“, sagt er, oder: „Wenn es den Reben gut geht, geht es mir auch gut.“ Der Boden sei das A und O, und prompt demonstriert er entschlossen, wie es in seinem humusreichen Böden aussieht. Man hat das Gefühl, er kennt jeden Regenwurm mit Namen.
* Spannende Weine: Der frische Gutswein Pinot Blanc 2022 ist ein feiner Türöffner. Der Eichelberg Pinot Blanc 2019 aber ist eine andere Kategorie, Großes Gewächs, auch großer Wein. Klasse auch der Heinberg Chardonnay 2019. Die Pinot Noir Reserve 2019 erfüllt alle Erwartungen. Hochinteressant die Naturweine. Müller-Thurgau auf der Maische und unfiltriert bekommt man auf dem Level nicht oft. Der Renner ist der 22er Muskateller, ungeahnte Opulenz. Vom Weingut Burg Ravensburg sind die Rieslinge von der Husarenkappe großartig, der 2011er geradezu umwerfend. Ein Ausrufezeichen im Notizbuch hat auch der Dicke Franz Blaufränkisch bekommen. Ich mag die Sorte.
Zweiter Stopp: Weingut Klumpp
Zweiter Halt Bruchsal, Weingut Klumpp. Anders gestrickt als Heitlinger, aber nicht minder interessant. Ein klassischer Familienbetrieb. Senior Ulrich Klumpp ist Quereinsteiger, war einst Verwaltungsbeamter. „Aber ich wollte immer Wein machen.“ Gesagt, getan. 1980 kreierte er seinen ersten eigenen Wein, ein trockener Weißburgunder. 1983 hat er sich als Winzer selbstständig gemacht, erst danach eine Winzerlehre absolviert. „Es war learning by doing.“ Schon seit 1995 wird nach Bio-Richtlinien gewirtschaftet, Klumpp gehört damit zu den Pionieren des Bio-Weinbaus. „Damals sind wir ins eiskalte Wasser gesprungen“, sagt er. So ist der Betrieb stetig gewachsen. Vier Jahre dauerte der Umbau des Weinguts, im Keller stehen jetzt über 500 Barrique-Fässer. 2015 ist der neue, sehr schicke Verkostungsraum fertig geworden. Jetzt bearbeiten Klumpps 25 Hektar Reben und produzieren 300.000 bis 400.000 Flaschen pro Jahr. 30 Prozent werden in 30 Länder exportiert. Und es geht immer weiter, die Söhne Andreas und Marcus (ist mit Maike Nägel vom Weingut Meyer-Näkel verheiratet) haben übernommen und auf dem Weingut gibt’s wieder eine Baustelle. Ein Weinerlebnis-Parcours ist geplant.
*Spannende Weine: Der trockene Auxerrois 2022 mit toller Aromatik und Textur, hier mehr als der kleine Bruder des Chardonnay. Dann der große Bruder, der knochentrockene (1 g RZ) Muschelkalk 22er Chardonnay mit toller Aromatik. Der 21er Kirchberg Chardonnay von über 40 Jahre alten Reben steht dem nicht nach. Auch der 21er Rothenberg Grauburgunder mit seiner tollen Würze muss gewürdigt werden. Klumpp kann auch Rot. Der Gipskeuper Spätburgunder 2022 präsentiert sich saftig, würzig, mineralisch, macht viel Spaß.
Dritter Stopp: Weingut Kopp
Nun geht’s zum Weingut Kopp in den Sinzheimer Ortsteil Ebenung. Ebenung hat 78 Einwohner, da ragt der fulminante Neubau des Weinguts Kopp heraus. Eröffnet wurde im September 2022. Das Weingut ist etwas älter, aber das ist relativ. 1986 haben die Kopps mit einem Hektar angefangen, 2012 wurden 17 Hektar bewirtschaftet, jetzt sind es 32 Hektar. Johannes Kopp (33 Jahre alt) hat übernommen. „Erst habe ich alles gemacht wie der Vater, der leider zeitig gestorben ist.“ Aber irgendwann doch nicht mehr. 2018/19 erfolgte die Umstellung auf Bio, 2022 auf Demeter-Standard. Interessant der Sortenspiegel. „Die Ortenau ist eigentlich Riesling-Gebiet, aber es gibt einen Wandel hin zu Burgunder-Sorten.“ Also dominieren die Burgundersorten. Auch hier ist der Export wichtig, England, Japan, Australien und Dänemark sind die wichtigsten Märkte. Was es kaum noch gibt: Das Weingut ist ein Mischbetrieb, neben dem Weinbau gibt’s noch Obstbau, dazu werden 20 Hochlandrinder gehalten. „Zur Pflege der Weingärten und für unser Restaurant“, erklärt Johannes Kopp. Im Restaurant speist man übrigens ausgezeichnet.
*Spannende Weine: Muss als Nicht-Sekt-Fan den Sekt Blanc de Blanc loben, drei Jahre auf der Hefe gelegen. Fein! Der 21er Sauvignon Blanc, im Stil ein Neuseeländer, viel Charisma. Herzstück sind die Weine vom Feigenwäldchen, Monopollage. Der feingliedrige Feigenwäldchen Spätburgunder (Cuvée 2017/2018) ist mehr als gelungen, doch alles in den Schatten stellt für mich der Feigenwäldchen Riesling 2020. Spontan vergoren, fantastische Komplexität, ein toller Wein.
Vierter Stopp: Hex vom Dasenstein
Weiter geht’s ins idyllische Kappelrodeck. Was wäre Baden ohne seine Genossenschaften? Bei der Hex vom Dasenstein bewirtschaften 500 Winzerfamilien satte 670 Hektar Rebfläche. Die Weinbauern haben es nicht leicht, weil die Rebflächen manchmal nur handtuchgroß sind und mitunter in Steillage. Der Arbeitsaufwand wird auf rund 600 Stunden pro Hektar taxiert, es gibt Gegenden, da ist es nicht mal die Hälfte. Im Portfolio gibt es Weine unter dem Label Hex vom Dasenstein und Villa Heynburg. Tatsächlich zwei verschiedene Linien, zwei Kellermeister wirken. Villa Heynburg mit 50.000 Flaschen pro Jahr gilt als Premiumlinie, von der „Hex“ gibt es 1,5 Millionen Flaschen. Biologische Bewirtschaftung ist aktuell kein Thema. „Piwis dagegen schon, das wird wachsen. Aber laut unserer Wahrnehmung werden Piwis eher von Produktionsseite getrieben, es gibt wenig Nachfrage“, sagt (Hex-)Kellermeister Thomas Hirt. So sind denn aktuell nur auf 6 Hektar Piwi-Sorten im Anbau. In anderen Bereichen sind die Genossen mutiger. Rote Sorten wie Lagrein, Tempranillo und Merlot bereichern das Spektrum.
*Spannende Weine: Der 21er Heidehöfe Weißburgunder mit kaum Restzucker (1,7 g) und opulenter Frucht ist eine Überraschung. Interessant auch der 21er Riesling vom Kappelberg, Großes Gewächs zum moderaten Preis (16,90 €). Highlight ist zweifellos der Tempranillo, die Antwort der „Hexer“ auf den Klimawandel. Lag 18 Monate im Barrique und hat satte 14,5% Alkohol. Eine Blindverkostung mit Spaniern ist fällig!
Fünfter Stopp: Weingut Zotz
Nun Heitersheim, Weingut Zotz. Julian Zotz führt nach Studium in Köln und Geisenheim das Weingut, das es bereits seit 1865 gibt. Seit 1903 am Standort in Heitersheim, nebenan war der Stammsitz des Malteserordens. Eine Spezialität des Hauses Zotz sind Sekte (100.000 Flaschen pro Jahr), man versektet selbst. Wichtiges Thema ist auch alkoholfreier Wein/Sekt, da das Weingut Zotz als Vorreiter. Schon 2012 hat man damit begonnen, da war das Thema kaum bekannt und schon gar nicht populär. Jetzt ist es Trend und ein Wachstumsmarkt. Überaus spannend war denn auch eine Probe alkoholfreier Weine – zu dem Thema gibt es demnächst einen Extra-Beitrag. Doch was wäre Baden ohne den Gutedel? Julian Zotz widmet sich der so oft unterschätzten Rebsorte mit Leidenschaft. Die Ergebnisse sind beeindruckend.
*Spannende Weine: Wieder eine Sekt-Überraschung! Der Crémant – eine Weißburgunder-Spätburgunder-Cuvée – macht viel Freude und gute Laune. Dann natürlich Gutedel. Chasslie heißt einer der neun Gutedel im Programm in Anspielung auf Sur Lie (französisch: auf der Hefe), der Wein lag über 5 Monate auf der Hefe. Milde Säure, schöne Aromatik. Mit dem Gutedel Römerberg gönnt sich Julian Zotz auch einen Lagen-Gutedel, der ein doppeltes Ausrufezeichen bekommt.
Weinbau in Baden
Baden ist mit 15.800 Hektar Rebfläche das drittgrößte Weinbaugebiet Deutschlands (ca. 100.000 Hektar), erzeugt rund 1,1 Millionen Hektoliter jährlich. 77 Winzergenossenschaften produzieren 80 Prozent der badischen Weine. Daneben gibt es weitere 300 Weingüter, die eigenständig Wein erzeugen.
Das Weinbaugebiet Baden ist in neun Bereiche unterteilt: Tauberfranken, Badische Bergstraße, Kraichgau, Ortenau, Breisgau, Kaiserstuhl. Tuniberg, Markgräflerland, Bodensee. 55 Prozent der Weinberge sind mit weißen, 45 Prozent mit roten Weintrauben bepflanzt. Die Hitliste der Rebsorten führt mit großem Vorsprung Spätburgunder an, es folgen Müller-Thurgau, Grauburgunder, Weißburgunder, Riesling und Gutedel.
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