Weinbau in Kärnten? Habe alpine Weine bisher nur mit Südtirol in Verbindung gebracht, voriges Jahr wieder mit tollen Entdeckungen. Aber Wein in Kärnten? Noch nie gehört, geschweige denn Wein aus Kärnten getrunken. Bis zum Besuch im Weingut Sternberg. Das liegt in Wernberg in der Nähe von Villach. Dort betreibt Alexander Egger biodynamischen Weinbau. Der Besuch hält Überraschungen parat, obwohl der Sternberg-Winzer Egger im Hauptberuf eine Elektro-Firma leitet und den Weinbau „nur als Hobby“ betreibt. Aber was heißt hier Hobby: Die Rebflächen sind in bestem Zustand. Der Keller sehr chic. Und die Weine? Werden wir sehen. 

Zur Krönung Maria Theresias

Zunächst gibt es einen Crashkurs zum (bisherigen) Mysterium Weinbau in Kärnten. „Kärnten ist eines der ältesten Weinbaugebiete Österreichs. Vor über 2000 Jahren wurde hier schon Wein erzeugt“, erzählt Alexander Egger. „In der Blütezeit um 1686 standen auf fast 800 Hektar Reben. Und bei der Krönung von Maria Theresia (1740) stand Kärntner Wein auf dem Tisch.“ Das zwischenzeitliche Ende des Weinbaus in Kärnten hat die Monarchin allerdings auch besiegelt. „Die Habsburger haben die Strafzölle aus dem Friaul abgeschafft. Das machte die Einfuhr von billigem Wein möglich und der Kärntner Weinbau ist zum Erliegen gekommen.“ Welche Sorten damals angebaut wurden ist nicht ganz klar, man vermutet Blauer Wildbacher. Sehr wahrscheinlich hatte der Wein damals auch ein anderes Geschmacksbild. Winzer Egger erzählt eine schöne Geschichte: „In der Kirche Sittersdorf musste der Pfarrer dreimal in der Nacht läuten. Das bedeutete, du sollst dich jetzt umdrehen, damit die Säure des Weins nicht die Magenwände zerstört.“

140 Hektar und 200 Winzer  

Ende des 20. Jahrhunderts gab es wieder ernsthafte Versuche, in Kärnten Weinbau zu betreiben. Aktuell bewirtschaften mehr als 200 Winzer in Kärnten 140 Hektar Rebfläche. Vermarktet werden die Weine als  Berglandwein, was auch für Weine aus Tirol und Vorarlberg gilt. Alexander Eggers Weingut Sternberg gibt es seit 2009. Aktuell stehen auf 5,5 Hektar eigene Reben. Dazu hilft er bei der Bewirtschaftung von 1,5 Hektar Rebfläche des Obst- und Weinbauzentrums in St. Andrä in Kooperation mit dem Land Kärnten. Auf den eigenen Flächen stehen Sauvignon Blanc, Riesling, Traminer, Pinot Noir sowie die Piwi-Sorten Sauvignon Gris und Sauvignac. Die Reben stehen in 570 bis 610 Metern Höhe (das steilste Stück hat 48% Neigung!) auf Lehm- und Schieferboden, „alles Gletscherauslauf“. Die Erntemenge beträgt 3000 bis 5000 kg/ha, deutlich weniger als die erlaubten 8500 kg/ha. Rund 13.000 Flaschen produziert Egger pro Jahr.  

Winzer Alexander Egger

Bio aus Überzeugung 

Das Weingut Sternberg ist Bio-zertifiziert und arbeitet nach biodynamischen Prinzipien. So ist es auch kein Wunder, dass man zwischen den Reben Schafe und Pferde trifft.  Egger wirtschaftet aus voller Überzeugung biodynamisch, ohne den Einsatz von Pestiziden. „Wir wohnen direkt neben den Reben, haben in der Gasse 18 Kinder, die da spielen. Da kann ich nicht spritzen. Ich kann nicht sagen, wenn ich spritze, hört’s ihr auf. Wir haben den Vorteil von über 100 Hektar Biofläche rund um unseren Hof, da gibt es keinerlei Spritzmittelrückstände.“ Allerdings musste/muss auch er schon Lehrgeld zahlen. Das schwierige Jahr 2016 brachte einen Totalausfall.  Und in diesem Jahr gab es im Sommer außergewöhnlichen Starkregen. „In einem normalen Jahr haben wir 1000 bis 1200 mm Niederschlag. Heuer waren es vom 18. Juni bis 10. August 1350 mm, da war der Biobereich nicht zu Halten. Wir haben eine ganz kleine Ernte, aber die Qualität ist sehr gut.“ Wasser ist ein Thema, aber anders als in vielen Gebieten Deutschlands, wo Bewässerung praktiziert oder geplant wird. „Über Bewässerung müssen wir nicht nachdenken“, meint denn auch Alexander Egger. „Statt Schlauchleitungen für Bewässerung haben wir fast 4000 Meter Drainage-Rohre.“ 

Gewinner des Klimawandels? 

Es ist offensichtlich, dass die Renaissance des Weinbaus in Kärnten auch eine Folge der Erderwärmung ist. Trauben gelangen mittlerweile auch im alpinen Klima und auf Höhenlagen zur Vollreife, zum Teil mit beachtlichen Mostgewichten. Frage an den Winzer: Seid ihr Gewinner des Klimawandels? „Beim Klimawandel ist keiner von uns Profiteur“, hält Egger erst einmal fest. Aber ganz so einfach sei das alles auch nicht. „Die Durchschnittstemperatur steigt, was uns beim Weinbau hilft. Aber es gibt den Nachteil Starkregen und die Extreme weltweit. Oder Frost.“ Jetzt kommt noch ein Aber. „Frühfrost hat es aber schon immer gegeben. Es hat auch immer schon Starkregen gegeben, immer Wetterkapriolen. Die Häufigkeit ist problematisch.“ Schließlich hätten Wetterkapriolen auch viel mit dem Mond zu tun, das wusste schon Rudolf Steiner. „Und heuer ist ein besonderes Jahr, ein Supermondjahr. Der Mond ist so nahe wie noch nie, im August hatten wir zweimal Vollmond. In einem bestimmten geografischen Band war das Wetter extrem. Wir hoffen, das war einzigartig.“ 

Im Land der Biertrinker

Nach so viel Bildung und Austausch wird es nun Zeit für die Weine.  Unbedingt muss da sein Freund und Berater Jörg Bretz erwähnt werden, der in Geisenheim studiert hat und jetzt im Burgenland lebt. Die Stichpunkte zur Erzeugung: Alles Handlese, Vergärung teilweise spontan, der runde (!) Keller mit Stahltanks, Barriques, Holzfässern und Amphoren hochmodern. „Wein ist für mich ein Hobby, deswegen können wir die Weine machen wie wir sie wollen“, sagt der Kärntner Winzer. Sein Credo: „Ich will Weine, die Charakter haben, die zu Kärnten passen.“ Zur mediterranen Küche würden seine Weine nicht passen, eher zur kräftigen Kärntner Küche.  Schöner Spruch: „Kärntner sind zu 94% Biertrinker, die anderen 5% sind Kinder und trinken Milch.“ Kein Wunder, dass rund die Hälfte der Produktion in den Export geht (USA, Nordeuropa, Japan).

Im Keller des Weingut Sternberg. Links eine Boden-Amphore.

Nun aber die Weine

Um es gleich zu sagen: Ich bin vom Niveau der Weine sehr positiv überrascht. Keine 08/15-Ware, keine Weine von der Stange, sondern charakterstarke Tropfen. Vieles ist in der Amphore gereift, Orange- und Naturwein sind die Flaggschiffe. Sogar ein ganz im deutschen Stil gemachter Riesling Kabinett gehört zum Portfolio.

Start mit dem Reserve Sekt 2019 mit dem schönen Namen „Perlen des Südens“. Eine Extra-Brut-Reserve. Die Grundweine sind 90% Riesling und 10% Veltliner. Gut gemachter Sekt zum Einsteig ist immer eine feine Idee. Dann Kärntner Satz 2021, quasi ein Gemischter Satz. Acht Rebsorten, also alle, sind im Spiel, 50% im Holz gereift, 50% acht Monate in Amphore. Dann ab in den Stahltank zwecks Eigenklärung, minimale Schwefelgabe. Ein kräftiger, ausdruckstarker Tropfen, ein Kärntner Kerl von Wein. Der Sauvignon Blanc 2021 ist zu hundert Prozent in der Amphore gereift. Im Weingut Sternberg stehen mehrere – Standamphoren und Bodenamphoren. Feines Beispiel eines Orange-Weins, viel Spannung, viel Charisma. 

Es gibt auch noch den Sauvignon Blanc 2021 Großes Holz. Der ist, wie das Etikett schon verrät, im großen Holzfass (600 l) gereift, französische Feineiche, 18 Monate lang. Die kräftige Säure (8,5 g) stört nicht, der Wein kommt fast geschmeidig in den Gaumen. Wir erkennen einen charmanten Vanilleton, auch eine Spur Tannin. Der Traminer 2021 ist 18 Monate in Barrique gereift, jeweils zu einem Viertel in erster, zweiter, dritter und vierter Belegung. Fast schon Luxus.  Unfiltriert gefüllt und 0 Gramm Restzucker. Das liebe ich. Schmeckt aber nicht knochentrocken, denn da kommt die klare Frucht der Rebsorte zur Geltung, Rosen, herrlich verspielt. 

Spannendes aus der Amphore

Jetzt wird’s spannend: Amphore 2018, ein Naturwein aus Grauburgunder und Chardonnay. Lag 8 Monate auf der Maische, dann 2 Jahre in der Amphore. In der Farbe kräftiges orange, oxidative Noten, wie ein Sherry. Mit 13,5% Alc. auch ausreichend Power. Es gibt irre viel zu entdecken: Röstaromen, Dörrpflaumen, Senf, voller Power. Top-Wein, von mir gibt’s Höchstnoten. 
Danach hat es der Pinot 2021 nicht leicht. Pinot steht auf der Vorderseite, auf der Rückseite Blauburgunder, auch der ist fein gemacht.  „Drei Rebstöcke für eine Flasche Wein“, erklärt Winzer Egger, und:  „Gerebelt, gemaischt, immer wieder überschüttet, dann 2 Monate auf der Maische, dann in gebrauchtes kleines Holzfass.“ Klassisch Kirsch-Aromen, Eleganz, nur zarte 12,0% Alkohol. 

Schließlich noch ein Riesling Kabinett 2022, den ich in Kärnten nun wirklich nicht erwartet hätte. Die „technischen Daten“: 30 g Restzucker, 9 g Säure, 9% Alkohol. War eine Idee von Jörg Pretz und wohl auch Wunsch von einigen Gastrobetrieben. Absolut gelungen, kann mit schönen „Kabis“ von der Mosel oder aus dem Rheingau locker mithalten.   
Zum Abschied gibt es noch eine Fassprobe vom Traminer. Der hat ein bewegtes Leben hinter (gereift in Amphore und Holzfass) und ganz gewiss noch viele schöne Jahre vor sich …


0 Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Avatar-Platzhalter

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Time limit is exhausted. Please reload CAPTCHA.