Tour im Burgenland: Nach Reinhold Krutzler stand mit Josef Umathum in Frauenkirchen der Besuch eines weiteren von mir hoch geschätzten Winzers an. Zur Einnordung: Die Weine von Umathum werden bei Staatsbanketten in Österreich serviert, Arnold Schwarzenegger und Wolfgang Puck sind gute Kunden. Das Etikett Star-Winzer ist bei Josef Umathum mal nicht übertrieben.
Star-Allüren sind Josef Umathum, Jahrgang 1960, jedoch völlig fremd. Freundlicher Empfang, entspannte Atmosphäre, hochinteressante Betriebsführung, fast drei Stunden nimmt sich Winzer Zeit. Im Notizblock findet sich am Ende Material für ein Buch, so viele Infos, so viele Geschichten. Und der Kofferraum ist voller Kisten.

Das Weingut

Das Weingut war einst klassischer gemischter Landwirtschaftsbetrieb, 1958 von den Eltern Elisabeth und Johann Umathum gegründet. Schwerpunkt damals waren Zuckerrüben- und Getreide-Anbau. 1959 wurde der erste Weingarten ausgepflanzt, die Rebfläche wurde im Laufe der Jahre immer wieder erweitert. 1985 übernahm Josef Umathum die Leitung. 1987 erfolgte die Spezialisierung komplett auf den Weinbau. Schon mit seinem famosen 1987er Jahrgang stieg er in die Spitze der österreichischen Rotweinerzeuger auf.  Aktuell bewirtschaftet das Weingut Umathum 50 Hektar Rebfläche. 20 Mitarbeiter sind beschäftigt.

Die Rieden

Die Hälfte der Rebfläche befindet sich auf der Ostseite des Neusiedler Sees.  Der Boden (Humus auf Kiesel und Lehm) verfügt über gute Drainage ist also vor allem trocken.  Die Top-Lagen dorrt sind die Rieden Hallebühl, Vom Stein und vor allem Haideboden, perfekt für Zweifelt und St. Laurent. Wichtig: Die Vegetationsperiode ist hier kürzer als auf der Westseite. Die anderen Weine wachsen auf der Westseite des Sees, am Leithagebirge, auf Sand und Lehm über Kalkstein und auch auf Schieferböden. Ideal für  Blaufränkisch! Dort gibt es die berühmten Lagen Unter den Terrassen und Kirschgarten.  Der Kirschgarten (2001 wieder aufgebaut) ist die einzige Terrassenlage des Burgenlandes.

Die Terrassen am Westufer des Sees.  Foto: Weingut Umathum

Die Idee

Josef Umathum stellte seinen Betrieb ab 2006 auf ökologischen Weinbau um. Mittlerweile wird das Weingut wird komplett biodynamisch bewirtschaftet, folgt der Philosophie des Anthropologen Rudolf Steiner. In der Produktion orientiert sich Umathum an den Richtlinien von Demeter. Das wird jedoch nicht auf den Etiketten erwähnt.  Alle Arbeiten folgen dem Rhythmus der Natur. Die Mondphasen spielen auch eine Rolle, freilich nur, wenn es auch ökonomisch Sinn macht.  

Die Reben

Im Weingarten erfolgt die Lese komplett per Hand, maximal nur die Hälfte der erlaubten Menge wird geerntet.  Viel Aufmerksamkeit verwendet der Winzer auf der genetischen Selektion der Reben. Josef Umathum spricht von „positiver Selektion“. Ziel sind der Natur und dem Klima angepasste Reben. „Die Pflanze merkt sich einen kalten Winter, einen warmen Sommer und wie sie behandelt wird“, erklärt Josef Umathum. Ziel ist die intelligente Pflanze, die selbst entscheidet: Was braucht sie, warum und wieviel. 

Der Keller

Die Kathedrale beeindruckt, weil der größte Keller des Weinguts tatsächlich an eine Kathedrale erinnert, mit Hauptschiff und Seitenschiff etc.. Hier herrschen konstant 14 Grad und 80% Luftfeuchtigkeit. 400 Holzfässer liegen in der Kathedrale — bewacht von zwei Engeln. Ein alter Beichtstuhl steht auch hier. Dann gibt es noch den Fasskeller mit 40 Fässern a 2500 Litern. Das Holz für die Fässer kommt aus Waidhofen an der Ybbs von Fassbinder Paul Schneckenleitner. 
Die Weißweine reifen in Stahltanks. Der letzter Schrei ist die optische Sortiermaschine. Ein Computer ist darauf programmiert, die „ideale“ Traube zu erkennen. Per Hochgeschwindigkeits-Zeilen-Kamera und Laser überwacht der Rechner in Millisekunden, ob es sich um unreife oder überreife Beeren, kaputte und zerquetschte Trauben, Stiele, Tiere, Blätter oder sonstige Fremdkörper handelt. In kaum nachvollziehbarer Geschwindigkeit wird das unerwünschte Material mithilfe von Düsen, die einen stark konzentrierten Luftstrahl aussenden, aus dem Lesegut herausgeblasen.

Die Wein-Kathedrale

Die Weine

Top-Lagen, intelligente Reben, verantwortungsvolle Bewirtschaftung und moderne Kellertechnik – da kann eigentlich gar nichts schief gehen. Geht es auch nicht. Die Weine sind durch die Bank ein Genuss bzw. versprechen für die Zukunft sehr viel davon. Die Highlights eines tollen Tastings:

Drei Weiße

Auftakt mit drei Weißweinen. Der Muskateller 2019 ist duftig, trocken, klassisch nach Pfirsich und Muskat, hat eine schöne Säure und einen schönen Nachklang. Der Pinot Gris Reserve 2018 lag 12 Monate im Holz, hat da schon mehr Muskeln, ist kräftig, intensiv. Die Reben sind aus den 1960er Jahren! Schließlich der Traminer 2018, ein Mischanbau gelber und roter Traminer. Klassisch Rosenblüten, fast zart und sehr elegant. Der Traminer war in der Gegend des Neusiedler Sees ehemals weit verbreitet – heute gilt er als Rarität.

Der Königliche

Königlicher Wein (2017) – das macht jetzt neugierig. Tatsächlich ist es ein Lindenblättriger, nur darf das nicht auf dem Etikett stehen. Das Weingesetz verbietet Sorte und Jahrgang zu nennen. 2010 führte Umathum seinen Lindenblättrigen (ungarisch Hárslevelû) neu ins Sortiment ein. „Die Rebsorte war früher hier verbreitet, dann ist sie nicht mehr reif geworden. Dank des Klimawandels wird sie jetzt wieder reif“, erklärt er. Da müssen wir mal den Klimawandel loben, so komisch das auch klingt. Denn dieser Lindenblättrige hat viel zu bieten. Er ist im Fass vergoren, lag ein Jahr auf der Hefe, ist süffig. Riecht wirklich nach Lindenblüten! Wir entdecken gelben Apfel, Honig, schöne Würze. Hat nur 2,9 Gramm Restzucker, dazu eine schönen Säure (6,7g).   

Der Rosa

Rosa 19 – „ein ganz außergewöhnlichen Rosé Saignée, der Weingeschichte geschrieben hat“, war auf einem Portal zu lesen. Saignée muss erklärt werden. Der Begriff kommt  aus dem Französischen und bedeutet wörtlich „Aderlass“. Das bezeichnet eine Methode zur Bereitung von Roséwein. In der Tat lässt man bei diesem Verfahren den Gärbehälter mit der Rotwein-Maische nach einigen Stunden oder Tagen „zur Ader“, es wird ohne Pressung 10–20 Prozent des Mostes abgezogen. Dieser hat dann eine rötliche Farbe und wird zu Roséwein weiter vergoren. Umathum Rosa erinnert mit seiner blassrosa Farbe an einen Tavel. Es ist ein Zweigelt, ein Jahr im großen Holzfass gereift. Klassisch, pikant,  pfeffrig, würzig, schöne Kirsch- und Himbeeraromen. Herrlich: Nur 0,7 Gramm Restzucker. 2004 kam er erstmals auf den Markt, damals nur 1000 Flaschen. Jetzt ist der Wein ein Verkaufsrenner.   

Top-Rote

Die Rotweine sind Umathums Paradeweine, mit ihnen ist er berühmt geworden. Zum Start wird gleich hoch ins Regal gegriffen: Haideboden (Cuvée Zweigelt, Blaufränkisch, Cabernet Sauvignon) , tolle Balance und Harmonie, Johannisbeeren, reife Kirschen. Ein Klassiker, wurde schon 1991 gekeltert.
Dann der Pinot Noir Unter den Terrassen 2016, für mich als Burgund-Freund ein Highlight. Kommt von der Westseite des Sees, dort sei der Boden optimal für Pinot Noir, erzählt der Winzer. Er ist in kleinen alten Fässern gereift; würzig in der Nase, im Geschmack rote Beeren und eine Spur Kaffee,  schlank, elegant, großartig.  Der Kirschgarten 2016 hat herrlichste Erinnerungen geweckt. Der 2006er war erst unlängst eine wunderbare Erfahrung. Der 2016er ist  jetzt famos: dunkle Kirschen in der Nase, saftig, kirschig, pfeffrig, eine Spur Graphit, ewig lange Präsenz. Im Finale dann schöne Frische und Minze. Was hat der für eine Zukunft!
Der St. Laurent vom Stein 2015 war eine Art Bekehrung. Konnte mit der Rebsorte bisher nicht viel anfangen. Jetzt schon. Brombeeren und reife Himbeeren im Geschmack, daneben dunklen Kirschen,  weich und und elegant. „Perfekt zu Wild“, sagt Josef Umathum, da läuft einem glatt das Wasser im  Mund zusammen.

 

Der perfekte Wein?

Im Anschluss gibt’s noch ein Interview mit dem Winzer (demnächst auf dem Blog), eine Frage vorab: Gibt es den perfekten Wein? Josef Umathum: „Es gibt nicht den perfekten Wein, weil es nicht den perfekten Verkoster gibt. Das hängt zusammen. Und wir sind als Menschen Individuen mit allen Vor- und Nachteilen und wir können eben das Perfekte nur am nicht-Perfekten erkennen. Man strebt immer danach und ich denke, es gibt viele Schritte, um zu einem perfekten Wein zu kommen. Man hat diese Vorstellung, aber wir werden es nie erreichen.“


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