Der Termin ist schon fast Pflicht – und hat sich auch in diesem Jahr wieder gelohnt: Die Präsentation der Generation Riesling, eine 2005 gegründete Initiative des Deutschen Weininstituts (DWI), um jungen deutschen Winzern eine Plattform zu bieten. In Berlin stellten 31 Jungwinzer 222 Weine vor. Leider konnten nicht alle Weine probierten werden, vier Stunden waren einfach zu kurz. Dennoch eine perfekte Gelegenheit, um Talente, Ideen und Trends zu entdecken. Das Gesamtfazit fiel wie im letzten Jahr wieder sehr positiv aus. Junge Winzer beleben mit Engagement und neuen Ideen die Szene. Um die Zukunft des deutschen Weins muss sich niemand sorgen.
Einige Beobachtungen
Überaus innovativ sind die Jungwinzer bei Markennamen. Die Weine heißen zum Beispiel „Bock auf Silvaner“ (Emmerich-Koebernik), „Grenzgänger“ (Gravino) oder „Duell“ (Weißbrodt), dahinter verbirgt sich immer eine Geschichte.
Spontanvergärung kommt mehr und mehr in Mode, manche gehen unerschrocken ans Werk. Viel interessantes, aber nicht alles ist toll.
Frauenpower ist angesagt, bei immerhin drei aus den Top Ten der Weinbeobachter-Crew haben Frauen das Sagen. Das ist über dem Durchschnitt der deutschen Winzer.
Aufgefallen ist, dass Rotweine durchaus zu den Stärken der Generation gehören. Besonders interessant wird es, wenn sie sich Cuvées oder auch internationalen Sorten zuwenden.
Mit Holz wird experimentiert. Statt einfach nur Barrique-Ausbau gibt es Cuvées aus verschiedenen Barrique-Belegungen oder mit nur einem geringen – 10, 20 Prozent – Barrique-Anteil. Barrique-Weißweine kommen eher aus der Mode, wenn, dann werden sie mit Sorgfalt gemacht.
Weingüter & Weine
Die Notizen der dreiköpfigen Weinbeobachter-Crew, die sich oft, aber nicht immer einig war. Zum Glück! Die Reihenfolge ist kein Ranking, sondern entsprach der Stand-Folge bei der Präsentation in Berlin.
Weingut Graffito (Baden) überraschte mit dem Lemberger. Ein Lemberger aus Baden! Seit quasi immer hat die Gemeinde Kürnbach das Recht, die Lieblingssorte der Württemberger zu pflanzen, weil einige Weinberge bei Flurbegradigungen die Grenze wechselten. Bemerkenswert auch der Weißburgunder, 14 Monate im Barrique und auf der Hefe gereift, mit 14,9 Prozent Alkohol aber nichts für zarte Gemüter. „Spielerei“ nennt Winzer Jochen Gramm das Ganze, wir finden es spannend. Aufgefallen auch die Cuvee „Grenzgänger“ (Rebflächen sowohl in Baden als auch in Württemberg), das 60% Lemberger mit je 15% Spätburgunder und Cabernet Sauvignon sowie 10% Regent vermählt. Sehr gelungen, das fanden wir auch beim Schwarzriesling – mit 2:1 Mehrheit.
Beim Württemberger Gut Kurz-Wagner war der Lemberger auch gut, ist ja fast logisch. Aber auch andere Weine überzeugten. Ein sehr schön würziger Grauburgunder gefiel ebenso wie der Spätburgunder P1 (P steht für für Sohn Oliver Kurz’s achtjährigen Sohn Paul) sowie die Cuvée aus Merlot und Cabernet Mitos, ist 18 Monate in nicht nur neuen Barriques gereift.
Max Müller I aus Franken machte den Silvanern alle Ehre und das in allen Stufen. Solide der Gutswein, mit mehr Charisma der Silvaner vom Ratsherr, der Volkacher Paradelage. Den 14er Silvaner Eigenart gab’s als Fassgrobe, der reift noch bis Mai in unterschiedlich alten Fässern aus Spessart-Eiche (!). Doch Toni Müller kann nicht nur Silvaner, Freunde einer schönen Scheurebe kommen auch auf ihre Kosten.
Auch Lisa Bunn aus Rheinhessen kann Silvaner, ein schöner unkomplizierter Wein für (nicht nur) warme Tage. Gewohnt auf gutem Niveau auch der Ríesling Hipping sowie der Weißburgunder vom Löss. Neu im Portfolio ist der spannende und durchaus streitbare Wild Wedding (bei uns zweimal Daumen hoch und einmal seitwärts), eine für die eigene Hochzeit im Juni kreierte Cuvée aus Sauvignon Blanc und Scheurebe. Sie brachte Scheurebe ein, der künftige Gatte Sauvignon, Verhältnis 50:50, was ein gutes Omen scheint. Gilt auch für die Tatsche, dass beim Wild Wedding keine Sorte dominiert.
Der Gelbe Muskateller vom Wein- und Sektgut Geil in Rheinhessen ist so, wie ein Gelber Muskateller sein soll. Die Cuvée Nocturne (Spätburgunder, Merlot, Cabernet Sauvignon und Dornfelder) kann als Vorzeige-Wein gelten, was deutscher Rotwein vermählt mit internationalen Sorten kann.
Weinreich, ebenfalls Rheinhessen, wird im Weißburgunder/Chardonnay (60 zu 40) vom Weißburgunder dominiert, dennoch einfach lecker. Der Silvaner Bechtheim ist ein erfreulich typischer Vertreter der Rebsorte, hat nur 0,5 Gramm Restzucker, ganz nach dem Geschmack des Weinbeobachters. Riesling Hasensprung hat eine richtig fette Nase und auch nur 1,5 Gramm Restzucker, bringt dennoch viel Eleganz – sehr gelungen. Winzer Marc Weinreich hat den Betrieb vor sechs Jahren übernommen, auf biologischen Anbau umgestellt und auch sonst ziemlich viel erneuert.
Weingut Wörth (Rheinhessen) hat einen Grauburgunder ins große Fass gelegt – herausgekommen ist ein sehr schön cremiger Wein. Getoppt noch vom Weißburgunder, der das Barrique elegant aufgreift und fein ziseliert wiedergibt. 70 Jahre Reben sind halt ein Pfund.
Weingut Hüls von der Mosel schickte eine 14er Fassprobe vom nach 36 Stunden Maischestandzeit spontan vergorenen Weißburgunder. Bester Beweis, dass an der Mosel mehr geht als Riesling.
Auch Weingut Walter zeigte mit seinem netten Weißburgunder, dass es töricht wäre, die Mosel nur auf Rieslinge zu reduzieren. Für einen 14er war der schon ziemlich weit. Aber natürlich beherrscht ein Mosel-Winzer das Riesling-Handwerk, der 13er von der Pündericher Marienburg hat viel Terroir im Blut, unbedingt gelungen. Der frische Riesling als Spätlese vom Briedeler Schäferlay lässt die 60 Gramm Restzucker kaum spüren.
Silvaner von der Nahe? Emmerich-Koebernik stellte ein Prachtexemplar vor. Dass es auf dem Label „Bock auf Silvaner“ heißt, ist da mehr als verständlich. Eine Idee von Christiane Koebernick, die das Gut in neunter Generation führt. Sehr fein auch der Grauburgunder vom Rotliegenden, schön knackig. Die Cuvée Weißburgunder/Grauburgunder („Bock auf Burgunder“) ist überaus solide, die rote Cuvée Hauptmann (eine witzige Hommage an die Namens-Assoziation zum Hauptmann von Köpenick) aus 40% Spätburgunder und 60% St. Laurent verdient das Prädikat Klasse.
Weingut Hees von der Nahe stellte mit der Auener (S) einen Vorzeige-Riesling aus 2014 hin, der Schwester-Weißburgunder steht nicht nach. Die Riesling vom Auener Römerstich war eine Entdeckung. „Das Tal kennt kein Mensch“, sagt Marcus Hees, das sollte sich ändern. Hees hatte ausschließlich Fassproben „am Start“, noch ist nichts abgefüllt.
Stefan Bietighöfer aus der Pfalz nennt seinen 13er Riesling Reserve. Der ist gut, aber Reserve? Das trifft auch auf den ebenfalls schönen Grauburgunder zu. Die Grand Reserve ist dann besser, aber eher relativ. Überraschend der Pinotage, in Deutschland höchst selten anzutreffen, der mit Stefan Dorst produziert wurde. Dorst hat als Berater des Weinguts Laibach in Stellenbosch viel Südafrika-Erfahrung. Unbedingt Erwähnung verdient die Beerenauslese Schabernack.
Die Weine vom Pfälzer Weingut Karl-Heinz Gaul sind schon bei den jungen Pfälzern aufgefallen. Was in Berlin zu probieren war, hatte durchweg hervorragendes Niveau. Die Gutsweine Weißburgunder und Riesling lassen keine Wünsche offen, der Gewürztraminer ist als 14er noch frisch, aber schön würzig, und schön schlank. Der Riesling Asselheimer wie auch der spontan vergorene Lagen-Riesling von der Sausenheimer Hütte haben viel Charisma, gutes Niveau. Gilt erst recht für den 13er Weißburgunder Zugpferd, auch spontan vergoren.
Hannewald-Schwerdt stellte eine Riesling-Fassprobe vor. Frucht und Kräuterigkeit halten die Balance. Der Sauvignon Blanc ist okay. Die 12er Cuéee aus Cabernet Sauvignon und Merlot – 18 Monate im Barrique gelegen – deutet viel an, ist aber noch lange nicht am Ziel. Getoppt wurde das noch von der 12er Cuvée Cabernet Sauvignon/Merlot/Blaufränkisch, richtig gut.
Gerhard Klein aus der Pfalz hatte mit dem Grünen Veltliner einen Exoten dabei, der eigenständig als sehr weiche Variante überzeugt. Der Sauvignon Blanc Fumé hält mehr, als die Nase verspricht. Das funktioniert.
Stefan Meyer stellte einen sehr gehaltvollen 14er Grauburgunder vor. Der Wein hat stark polarisiert. Der 12er Syrah Klosterpfad hat die 15 Monate Fassreife zur Hälfte in neuen, die andere in gebrauchten Barriques verbracht. Weißer Pfeffer liegt wie ein Hauch über einem sehr gelungenen Exoten.
Stefan Reinhardt bietet einen fetten 13er Weißburgunder „Deidesheimer Nonnestück“, der lange fett bleibt und fein ausläuft. Dem spontan vergorenen Riesling „Ruppertsberger Reiterpfad“ hat der Jungwinzer viel Herzblut gewidmet, der Wein hat noch ein langes Leben (der Winzer hoffentlich auch!). Der 12er St. Laurent zeigt, dass auch diese Rebsorte beherrschbar ist.
Seckingers Fassprobe vom Weißburgunder, der spontan vergoren wurde, protzt mit Grapefruit und Kräutern, Cassis und zarter Cremigkeit. Allerdings gingen hier die Meinungen doch auseinander. Der Cabernet Sauvignon von 2012 hat tolle Frucht und zartes Holz trefflich kombiniert. Übrigens werden bei den Brüdern Jonas und Philipp Seckinger alle Weine spontan vergoren. Mutig.
Wambsganss, auch aus der Pfalz, überzeugte erneut. Weiß- und Grauburgunder fügen sich nahtlos ein. Der Graue ist schon sehr reif. Der St. Laurent ist als 14er schon erstaunlich reif.
Nach Weißbrot schmeckt bei Weisbrodt gar nichts. Das Wein- und Sektgut aus Niederkirchen in der Pfalz gilt als eines Flaggschiffe der Generation Riesling, ist ein sicherer Tipp und enttäuschte auch in Berlin nicht. Der Bio-Riesling „Alte Welt“ ist würzig, fruchtig, typisch Pfalz. Der Bio-Weißburgunder überzeugt komplett. Der 12er „Das Duell“ aus Merlot (40 %) und Cabernet Dorsa (60%) ist rund, fruchtig, reif – gelungen und macht einfach viel Spaß.
0 Kommentare