„Kleinod unter den französischen Weinbaugebieten“ nennt sich das Roussillon in der Eigenwerbung, was doppeldeutig gelten kann. Klein ist das Gebiet im Südosten Frankreichs an der Grenze zu Katalonien tatsächlich. Auch beim Wein gehört Roussillon zu den kleineren Gebieten der Grand Nation. Nur zwei Prozent der französischen Weine kommen aus der Region.

Kleinod steht aber auch für Besonderes, einen Schatz. Das gilt uneingeschränkt für die grandiose Landschaft, das Gebiet erstreckt sich wie ein Amphitheater. Im Osten offen zum Mittelmeer und sonst von drei Bergmassiven umgeben: im Norden die Corbières, im Westen die Pyrenäen sowie den Albères im Süden.

Kleinod soll auch für die Weine gelten. Berühmt ist Region vor allem wegen ihrer Süßweine, den Vins Doux Naturels (Natürliche Süßweine). Die Muscat de Rivesaltes, Maury oder Banyuls sind Klassiker. Leider bedienen Süßweine aktuell nicht den Mainstream, die Roussillon-Winzer mussten bei trockenen Weinen Anstrengungen unternehmen. Das haben sie gemacht – und die eigentlich Stärke dabei nicht vergessen.

Landschaft im Roussillon. Foto: CIVR

Landschaft im Roussillon. Foto: CIVR

Auf Deutschland-Tour präsentierten Roussillon-Winzer kürzlich ihre Weine. Fazit des Weinbeobachter-Teams beim Besuch in Berlin: Der Nachmittag hat sich gelohnt, es gab interessante Entdeckungen und schöne Weine. Das kleine Segment der Weißweine verdient Beachtung, die Roten können spannend bis richtig gut sein, die Stars sind jedoch immer noch die Süßen. Auch nicht unwichtig: Im Preis-Leistungsverhältnis steht Roussillon ganz weit oben.

Die Favoriten des Weinbeobachter-Teams

– Domaine Saint Sebastien (20 Hektar-Betrieb bei Collioure-Banyuls, unfassbar, dass die Domaine noch keinen deutschen Importeur hat)
Collioure Inspiration Minérale 2012; großer Weißwein aus alten Reben Grenache blanc,
Collioure Inspiration Marine 2012; rotes Grenache-Carignan-Cuvée aus alten Reben, vollkommener Schmeichler
Collioure Inspiration Céleste 2012; 100% Mourvedre, reif fertig, ein großer Kämpfer
Banyuls Inspiration Artende, Hors d’Age 2010; zehn Jahre lang in Glasballons im Freien gereift, Nougat, Schoko, Kakao, klebt nicht, ein Hammer

– Domaine Mas Amiel (eines der berühmtesten Güter des Gebiets, 200-jährige Tradition, 170 Hektar und Export in alle Welt; trockene Weine erst seit 15 Jahren)
Côtes du Roussillon Altair 2011; Cuvée Grenache+Macabeu, erst Stahltank, dann Holzfass, buttrig, mineralisch, fein
Maury sec, Alt 433 2012;  Rotwein von Reben auf Granitböden, das schmeckt man auch,
Maury doux, Mas Amiel Vintage 2011 weiß; umwerfende Nase, elegant, vielschichtig
Maury doux, Mas Amiel Vintage 2012 rot; ein Jahr in 350-Liter-Fässern im Freien oxidiert, ein  Klassiker
Maury doux 1980; ein Jahr im Freien oxidiert, dann 32 Jahre im Fass, sensationell

Domaine de la Perdrix (35-Hektar-Gut, seit dem 17. Jahrhundert  im Familienbesitz)
Côtes du Roussillon Joseph Sebastien PONS 2012; 90% weißer Grenache + 10% Macabeu; Klasse Cuvée, Joseph Sebastien ist ein katalanischer Schriftsteller und Urgroßvater des Winzers
Côtes Catalanes Conto 2013; Syrah + Carignan, im Stil der neuen Welt werden Holz-Chips eingesetzt, dem Wein bekommt’s, großer Erfolg bei der Jugend
Muscat Rivesaltes 2013 weiß; klassisch, schön ausbalanciert, Aromen von Orange und Zitrone
Rivesaltes Ambré 2010; 36 Monate im Holz, Oxidation draußen, tolle Aromen, Schoko, getrocknete Aprikosen, Kaffee

– Chateau de Rey (Familiengut seit mehreren Generationen, 35 Hektar, direkt am Meer)
Côtes du Roussillon Sisquo 2013; feines Weißwein-Cuvée
Côtes du Roussillon Oh de Muscat 2013; toller trockener Muscat
Côtes Catalanes Oh de Syrah 2013; noch jung, frisch, fruchtig, leicht trinkbar
Rivesaltes Tuilé, Le Chouchou 2007; feiner Süßwein, 4 Jahre im Fass, Schokolade, Nougat und mehr
Muscat Rivesaltes; schöne Frische, keine aufdringliche Süße

– Chateau Donna Baissas (86 Hektar; seit 1817 im Familienbesitz)
Chardonnay 2010; typischer Chardonnay, wie aus dem Lehrbuch
Rivesaltes Ambré, Hors d’Age weiß; mindestens sechs Jahre im Fass, ewige Präsenz im Gaumen
Rivesaltes Ambré, Hors d’Age rot; nur aus roten Trauben, grandios

– Mas de la Deveze (35-Hektar-Weingut im Agly-Tal, die Besitzer-Familie Hugues hat das Gut erst vor zwei Jahren gekauft)
Côtes Catalanes Macabeu 2012; reinrassiger Macabeu, zeigt, was die unterschätzte Sorte kann
Côtes du Roussillon Villages Tautavel 2012; 70% Mourvedre, ein Jahr im Barrique, viel Charisma
Maury Doux 2013; frisch, fruchtig, fast leicht
Muscat Rivesaltes 2013 weiß; tolle Nase nach Heu, Gras, im Geschmack fast wuchtig, lange präsent

– Domaine La Toupier (Önologe Jérôme Collas hat das 10-Hektar-Gut erst 2012 gegründet, Weine mit starker Identität sind sein Ziel)
Maury Doux Blanc Tertio 2013; ein 100% Macabeu mit schöner Süße, Trockenfrüchte, Aprikosen, Pfirsich etc.
Maury Doux Grenat Au gré d’Eole 2012; schöne Balance, fast filigran, macht Spaß

– Domaine Grier (junges 25-Hektar-Gut, wurde 2006 von der aus Südafrika stammenden Familie Grier gekauft)
Grier Brut, Méthode Traduítionelle;  es gibt nur 5 Sekt-Produzenten im Roussillon, der von Grier ist Klasse; jeweils 50 Prozent Macabeu und Chardonnay, lag 4 Jahre auf der Hefe
Côtes Catalanes Macabeu 2013; reinsortig, mit einiger Wucht, nette Alternative zu den Weltweinsorten
Côtes Catalanes Grenache-Carignan 2013 rosé; der Verkaufsschlager im Export nach Südafrika, feiner, typischer Südfrankreich-Rosé

Noch einige Fakten

Klima. Mit mehr als 2500 Stunden Sonneneinstrahlung zählt das Departement zu der trockensten und sonnenreichsten Region Frankreichs. Typisch sind die regelmäßigen Winde, besonders der Tramontana.

Klassifizierung. Die beginnt ab 1930, die Bezeichnungen VDQS (vins délimités de qualité supérieure = limitierte Weine hoher Qualität) und AOC (kontrollierte Herkunftsbezeichnung) werden ins Leben gerufen. Die natürlichen Süßweine sind die ersten, die ab 1936 mit der AOC  ausgezeichnet werden. Die Gebiete Banyuls und Maury werden 1936 klassifiziert und geschützt, haben sich seit dieser Zeit praktisch nicht verändert. Im gleichen Jahr wird die Bezeichnung Rivesaltes geschaffen., 1956 wird die einheitliche Herkunftsbezeichnung Muscat de Rivesaltes eingeführt. 1977 erhalten die Weine Côtes du Roussillon und Côtes du Roussillon Villages die AOC-Bezeichnung.

Menge. Im Roussillon werden 2 Prozent des nationalen Produktionsvolumens hergestellt. Mindestens 80 % der natürlichen Süßweine Frankreichs stammen aus dieser Region.

Fläche. In den 60er Jahren gab es noch eine Rebfläche von 70 000 Hektar, heute sind es nur noch 22 019 Hektar, 80 Prozent Hanglagen. Der durchschnittlichen Ertrag beträgt im Roussillon 33 hl/ha, bei den AOC/AOP-Weinbergen in ganz Frankreich liegt der Durchschnitt  bei 60 hl/ha.

Struktur. Hauptsächlich Familienbetriebe. Es gibt rund 2500 Winzer (in 4150 Betrieben), davon 2160 im Haupterwerb. Die Betriebe sind mit 10 Hektar im Schnitt eher klein. Praktisch jeder Weinort besitzt eine Genossenschaftskellerei, zurzeit sind 24 Weinbaugenossenschaften und Erzeugergemeinschaften aktiv, sie stellen 70% der Weinproduktion; dazu kommen 380 selbstständige Winzer.

Rebsorten. 23 sind registriert. Die AOC/AOP Vins Doux Naturels (natürliche Süßweine) werden aus einem auf die «edlen» Rebsorten beschränkten Bestand produziert: Grenaches, Macabeu, Malvoisie du Roussillon, Muscat d’Alexandrie und Muscat à petits grains.
Für die trockenen AOC/AOP-Weine werden verwendet: Grenaches, Carignan Noir, Syrah, Mourvèdre, Cinsault, Lladoner Pelut, Macabeu, Malvoisie du Roussillon, Roussanne, Marsanne und Vermentino.
Für die Produktion von Vins de Pays/IGP kommen u. a. Merlot, Cabernet Sauvignon, Cabernet Franc, Marselan, Chardonnay, Sauvignon blanc und Viognier hinzu.

Die natürlichen Süßweine

Bis zum 13. Jahrhundert wurden sie durch Austrocknen oder Überreifen der Trauben am dem Rebstock gewonnen. 1285 entdeckte Arnau de Vilanova, Rektor der Universität Montpellier und Hofarzt der Könige von Mallorca, in Perpignan die „Mutage“, die Unterbrechung des alkoholischen Gärprozesses. Seither hat sich dieses Verfahren weiterentwickelt und zur Entstehung der Natürlichen Süßweine geführt.

Das Verfahren der Herstellung den natürlichen Süßweine wird Mutage genannt. Während der alkoholischen Gärung fügt der Winzer dem Traubensaft 96% Vol. Weinalkohol in einem Verhältnis von 5 bis 10% des Traubenmostvolumens zu. Diese Operation stoppt die Wirkung der Hefen, bevor sie den ganzen Zucker in Alkohol umwandeln können. So behalten die Natürlichen Süßweine einen Teil der in der Frucht enthaltenen natürlichen Süße. Im Vergleich zu Portwein oder Madeira hat der Vin Doux Naturel einen leicht niedrigeren Alkoholgehalt von 15 bis 18 Vol. %.

Trauben im Roussillon. Foto: CIVR

Trauben im Roussillon. Foto: CIVR


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