Der Kampf um die Wein-Kundschaft ist bei Supermärkten/Discountern in vollem Gang. Edeka engagierte den Star-Önologen Michel Rolland, der für die Handelskette einen Bordeaux kreierte. Lidl setzte auf die Dienste von Richard Bampfield, britischer Master of Wine. Von ihm ließ Lidl seine „exklusiven Weine“ (so die Werbung) fürs Weihnachtsgeschäft nach dem Parkerschen 100-Punkte-Schema bewerten und veröffentlicht diese auch im Prospekt zur Kampagne. Folgendes Schema gilt bei Bampfield/Lidl: 70-79 = Durchschnitt, genießbar, 80-84 = gut, solide gemachter Wein, 85-89 = sehr gut, mit besonderen Eigenschaften, 90-94 = außerordentlich, herausragender Charakter, 95-100 Klassiker, großartiger Wein.
Bin bei Discounter-Aktionen generell skeptisch, sehr skeptisch, wie schon beim viel diskutierten Aldi-Barolo. Doch Beobachten ist Programm, deswegen auf zu Lidl und schauen, was es mit den Weinen auf sich hat. Da das Beste gerade gut genug ist, waren die Weine mit Bampfields höchsten Wertungen fällig: Ein 2012er Chablis für 6,99 Euro, mit 87 Punkten benotet und damit der am höchsten bewertete Weißwein. Dann der Spitzenreiter bei den Roten, 2010er Saint-Emilion Grand Cru, 8,99 Euro und 90 Punkte „schwer“. Schließlich, auch wegen der Aldi-Konkurrenz, ein Barolo von 2009 für 8,99 Euro und 87 Punkten. Um es vorweg zu sagen: Einige Vorurteile mussten revidiert werden. Die Weine im Einzelnen:
Der Chablis. Bisher galt: Das Segment unter den 1er Cru und Grand Cru – die sind leider meist richtig teuer – ist nicht das Geld wert. Entsprechend niedrig die Erwartungshaltung. Erste Enttäuschung beim öffnen, Plastikkork, geht eigentlich nicht. Doch dann im Glas: ein knackiger Chardonnay, ohne Schnörkel, erfrischend, lebendig, keine übertriebene Frucht, schön balanciert. Natürlich kein großer Wein, aber zu Muscheln. Meeresfrüchten – jederzeit. Steht in der Werbung für 6,99 Euro, an der Kasse aber nur 3,99 Euro eingescannt, mithin ein unschlagbares Preis-Leistung-Verhältnis. Bampfield gibt 87 Punkte, keine Einwände.
Der Saint-Emilion: Der Grand Cru der Genossenschaft in Saint-Emilion. Saftig, typisch nach schwarzen Johannisbeeren, Brombeeren, Wild-Aromen wie toter Hirsch. Schon jetzt ganz fit, kann aber noch liegen. Aber ein Bordeaux für unter 10 Euro und dazu noch aus dem Spitzenjahr 2010 gewiss kein schlechtes Geschäft und macht in drei, vier Jahren vielleicht noch mehr Spaß. 90 Punkte von Bampfield, andernorts sind dafür 15 bis 20 Euro fällig.
Der Barolo: Unfiltriert, das kommt mehr und mehr in Mode. Aber ein Knaller ist dieser Barolo nicht, er tut nicht weh, ist leicht trinkbar, hat aber kein Charisma. Ist erst vier Jahre alt und eigentlich schon fertig, bei Klassikern unvorstellbar. Es gibt viele viel bessere Barolo, für die sind aber auch mehr als 8,99 Euro fällig. Das geld schient für den Saint-Emilion besser angelegt. Bampfield schreibt in seinem Urteil über den Barolo: „Am besten sollte er dekantiert und zum Essen getrunken werden.“ So ist es, seine 87 Punkte scheinen milde geurteilt.
Noch ein Wort zu Richard Bampfield, das Zugpferd der Kampagne. Der Engländer war Weinhändler und ist seit 1990 Master of Wine, war Europamanager für den australischen Weinproduzenten Brown Brothers. Seit 2000 ist er Berater/Consultat, arbeitet für Yvon Mau, Albert Bichot, Dom Perignon, Santa Rita, Château Sociando-Mallet, Enotria, die English Wine Group und seit 2012 auch für Lidl. Er betreibt die Website wineevents und ist Chairman der Association of Wine Educators (AWE).
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