Eine vielversprechende wie spannende Verkostung von reifen Bordeaux bei passionierten Sammlern in Potsdam. Zum Tasting standen sechs Weine der Jahrgänge 1994 bis 2000. Die Weine wurden zehn Stunden zuvor geöffnet und dekantiert. Was eine kluge Entscheidung war, direkt nach dem Öffnen waren die Tropfen noch sehr verschlossen, manche versprachen wenig Genuss. Das sollte zehn Stunden später anders sein.
Fazit: Alle Weine waren noch gut bis sehr gut trinkbar, lediglich Château Talbot zeigte Alterungserscheinungen und fiel – freilich nicht bei allen der sieben Verkostern – doch ab. Das mag am Jahrgang gelegen haben, 1994 war ein schwaches Jahr im Bordeaux. Die anderen fünf Weine zeigten sich dagegen noch auf der Höhe, womit nicht unbedingt zu rechnen war. Der Sociando-Mallet, der Grand-Puy-Lacoste und der Chasse-Spleen lieferten sich ein „Kopf-an-Kopf-Rennen“ um den „Tagessieg“, bei den sieben Teilnehmern gab es denn auch drei verschiedene Favoriten. Interessant: Die Frauen der Runde bevorzugten den Grand-Puy-Lacoste, der sich überraschend geschmeidig präsentierte. Anders der Sociando-Mallet, der diskutabler war und viel Charisma hatte. Chasse-Spleen schließlich erfüllte alle Erwartungen und zeigte sich wie noch wie Mitten im Leben. Schon erstaunlich bei einem fast 18 Jahre alten Wein. Bei der Reste-Probe Tags darauf – also über 24 Stunden nach dem dekantieren – waren die Rest-Tannine auch noch weg und Chasse-Spleen war auf dem Höhepunkt.
Die Weine mit den Verkostungsnotizen
Chateau Talbot 1994 – St. Julian
nicht ganz klar, Schwebeteilchen, oranger Rand, In der Nase Salmiaknote, Stall, im Geschmack überraschend fit, am Anfang staubig, stumpf, Senf?
Chateau Sociando-Mallet 2000 – Haut Medoc
schönes rot, Nase Cassis, Brombeerblätter, Johannisbeeren, Brombeeren, topfit, mitten im Leben, klasse, am Ende Rosmarin , Myrthe, hat was philosophisches
Chateau Grand-Puy-Lacoste 2000 – Pauillac
leicht oranger Rand, Nase Sahne-Toffee, sûßlicher Touch, rund und fertig, Beeren, Tabakblätter, femininer Wein, Kaminwein
Chateau Lanessan 1998 – Haut Medoc
leicht trüb, oranger Rand, feuchtes Unterholz, gibt Rätsel auf, massiv Säure, saure Gurke in Nase, nach gebrochenem, schnell weg, schlank, Individualist, folgt keinem Trend, wirkt dünn, spät Tabak, Lakritze, in der Nachverkostumg klar aufsteigend
Chateau Bel Air 1996 – St. Estephe
dunkelrot, ältlich, verhaltene Nase, überreife warme Brombeeren, Waldbeerenmarmelde, Rumtopf, Bittermandel, noch Resttannine, wirkt gewöhnlich, bieder, bäuerlich, die Frische ist eigentlich sensationell für 17 Jahre
Chateau Chasse-Spleen 1995 – Moulis en Medoc
leicht oranger Rand aber sonst kräftiges dunkelrot, Nase nach eingelegten Pflaumen, Backpflaumen, Renekloden, noch etwas Tannine, Butterstreusel, etwas Tabak, Zigarrendeckblatt, charismatisch
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