Im Anbaugebiet Saale-Unstrut ist ein Generationswechsel voll im Gang. Die Generation der Gründerväter (und wenigen Mütter), die in den 1990-Jahren ein Weingut gegründet hat, tritt kürzer, Söhne oder Töchter übernehmen. Wir hatten das Thema bereits bei André Gussek und seinen Söhnen. Ähnlich und doch etwas anders liegt der Fall im 7-Hektar-Weingut Professor Wartenberg nahe Roßbach. Professorin Maria Wartenberg (61) führt das Weingut, Tochter Elisabeth Wartenberg (29) gilt als Leitende Angestellte und übernimmt perspektivisch. Ein Gespräch über Wein mit Maria und Elisabeth Wartenberg.
Woher kommt das Interesse am Wein?
Maria Wartenberg: Das war von Anfang an da. Ich bin hier geboren und bin quasi im Weinberg aufgewachsen. Ich habe schon zeitig, noch bevor ich in die Schule gekommen bin, Reben beschnitten und bin mit meinem Vater in den Keller gegangen und habe an den Fässern geklopft.
Nur geklopft?
Maria Wartenberg: Nein, ich durfte auch mal lecken. Hat aber nicht geschmeckt. Doch man bekommt von Anfang an ein Gefühl dafür, wie Weinbau funktioniert. Zumindest, was den historischen Weinbau betrifft. Damals war ich ja bedeutend jünger.
Und Sie, Elisabeth, hatten Sie eine Chance, etwas anderes zu machen?
Elisabeth Wartenberg: Es gab schon Optionen, etwas anderes zu machen. Aber da ich schon von klein an im Weinberg mitgemacht habe und mir die Arbeit viel Spaß gemacht hat, war das dann der logische Weg, Weinbau zu studieren.
Wo haben Sie studiert?
Elisabeth Wartenberg: In Geisenheim. Erst den Bachelor, dann den Master.
Was war das Thema der Masterarbeit?
Möglichkeiten der Reduktion des Pflanzenschutzes im Weinbau.
Erinnern Sie sich noch an den ersten bewusst getrunkenen Wein?
Maria Wartenberg: Ich habe in meiner Abiturzeit gerne Portugieser getrunken, das war Anfang der 1980er-Jahre. Damals haben wir noch die Weine zur Winzergenossenschaft gebracht. Solange wir bei der Winzervereinigung waren, habe ich auch gerne die Rotweine von dort getrunken.
Elisabeth Wartenberg: Ich bin ja relativ früh, da war ich 17, Weinprinzessin geworden. Ich denke, so mit 16 habe ich das erste Mal aktiv Wein probiert. Konkret kann ich keinen Wein nennen. Zuerst waren es sicher die eigenen Weine und zum Anfang natürlich süß.
Ihre Tochter hat in Geisenheim studiert. Woher haben Sie das Weinwissen, Frau Professorin?
Maria Wartenberg: Mein Vater hat sich als Botaniker und Pflanzenphysiologe mit Pflanzenerkrankungen der Rebe befasst. Von ihm habe ich natürlich viel mitbekommen. Ich habe es leider nicht geschafft, in die grüne Biologie reinzukommen. Ich habe Biophysik studiert und bin dann in der Medizin gelandet. Das hatte rein wissenschaftliche Gründe. (Professorin Wartenberg hat einen Lehrstuhl für Molekulare Kardiologie und Stammzellenforschung an der Uni Jena)
Wein war trotzdem immer ein Thema?
Maria Wartenberg: Sobald ich Zeit hatte und von der Uni rauskam, ging es hier weiter. Nach der Wende habe ich mit meinem Mann angefangen, den Weinberg wieder in Ordnung zu bringen. Ich hatte mit meiner Mutter damals nur noch um die 250 Rebstöcke, mehr nicht. Dann haben wir aufgerebt, und es ging richtig voran. Stück für Stück haben wir die Flächen vergrößert. Zunächst haben wir die Arbeit alleine geschafft. Dann kam ein Punkt, wo wir gesagt haben, wir brauchen Hilfe und müssen einen Winzer einstellen. Und wenn man dann einen Winzer hat, dann kann man auch eine Fläche dazunehmen, damit der Winzer was zu tun hat. Dann kommen Flächen hinzu, und wieder werden Leute gebraucht. So schaukelt sich das hoch – solange man den Wein auch verkaufen kann. Gleichzeitig haben wir hier die Straußwirtschaft eröffnet. Das war dann die Basis der Vermarktung.
Was ist für Sie ein guter Wein?
Maria Wartenberg: Ein Wein, den man noch auf den Lippen schmeckt oder in Erinnerung hat, wenn man abends im Bett liegt.
Elisabeth Wartenberg: Für mich verbindet sich guter Wein auch immer mit schönen Erinnerungen. Etwa ein toller Geburtstag oder ein Moment, wo man mit lieben Freunden zusammengesessen hat. Das macht den Wein immer auch ein bisschen besser, egal, welchen man trinkt.

Woher rührt Ihre Leidenschaft für Piwi-Sorten?
Maria Wartenberg: Wir sind Wissenschaftler und experimentierfreudig. Die Beschäftigung mit den Piwis hat für uns die Erkenntnis gebracht, dass das eigentlich der einzige Weg ist, sich loszulösen von Pflanzenschutzmitteln. Aber das erfordert auch eine Entwicklung der Piwi-Rebsorten. Die müssen immer neue und mehr Resistenzgene haben.
Haben die aktuellen Sorten das denn nicht?
Maria Wartenberg: Doch. Aber es gibt Piwis, die am Anfang entwickelt wurden, die haben doch Oidium-Befall, also Echten Mehltau. Wir haben das jetzt mit aller Bitterkeit beim Cabernet Cortis, den ich sehr gerne mag, festgestellt. Da muss man aufpassen. Aber es gibt mittlerweile Rebsorten, die eine höhere Resistenz haben. Da ist viel Entwicklungspotenzial.
Ist die Konzentration auf Piwis auch in Ihrem Sinne?
Elisabeth Wartenberg: Bei mir und meinem Freund, der auch in Geisenheim studiert hat, stehen Piwi-Sorten ebenfalls weit vorn. Bei uns ist es in den Steillagen ohnehin mit der Bewirtschaftung schwierig, gerade was den Pflanzenschutz betrifft. Man merkt aber, auch im Umgang mit den Kunden, dass da in Bezug auf Pflanzenschutz ein Bewusstsein entstanden ist. Das geht schon stark in die Richtung, dass man ein bisschen nachhaltiger sein möchte.
Wie groß ist der Anteil von Piwi-Sorten bei Ihnen im Anbau?
Maria Wartenberg: Etwa 50 Prozent der Fläche. Wir haben in den letzten Jahren ausschließlich Piwi-Sorten aufgerebt.
Wie kommen die neuen Sorten mit dem Klimawandel klar?*
Maria Wartenberg: Ganz unterschiedlich. Aber es gibt Piwi-Sorten, die Extreme erstaunlicherweise gut tolerieren können. Wir hatten 2023 einen tollen Johanniter.
Elisabeth Wartenberg: Ja, der halbtrockene. Der war beim Frost sehr beständig. Der hat als Kreuzungspartner Vitis Amorensis. Die Rebe kommt aus der Grenzregion zur Mongolei. Diese Rebe bringt Eigenschaften in die Genetik rein, die extreme Wetterschwankungen aushalten. Das ist das, was wir brauchen.
Maria Wartenberg: Mein Mann hat mir zum Spaß verschiedene Reben gekauft, die aus diesen Regionen, also Russland, der Ukraine oder der Mongolei, kommen. Die wollen wir jetzt mal in den Garten stellen und schauen, was die so aushalten.
Können oder werden Piwis die traditionellen Sorten ersetzen? Oder bleiben sie ein Nebenprodukt?
Maria Wartenberg: Ich glaube nicht, dass sie die traditionellen Sorten komplett ersetzen werden. Wir sind in der Region ja auch traditionsbewusst. Und zu den alten Rebsorten kann man auch viel mehr Geschichten erzählen. Silvaner, Gewürztraminer oder Riesling haben eine Geschichte, die reicht bis zu den alten Römern. Und von Geschichten lebt eine Weinprobe, das macht sie unterhaltsam. Schon aus dem Grund und weil die Zisterzienser den Weinbau hierher gebracht haben, möchte ich nicht alles komplett umreißen. Jetzt ist es schön ausgewogen, und so soll es auch bleiben.
Gibt es bei Piwis noch so etwas wie typisch Saale-Unstrut? Oder zählt die Region da nicht mehr?
Maria Wartenberg: Unsere Piwi-Weine hier haben schon einen eigenen Charakter. Der spiegelt auch den Charakter der Böden der Region wider. Es gibt doch schon viele Merkmale, die uns von westlichen und südlichen Weinregionen unterscheiden.
Elisabeth Wartenberg: Unsere Weine sind mineralischer. Und wir haben hier natürlich auch ein ganz anderes Ertragsniveau. Da ist das Qualitätsbewusstsein doch noch ein bisschen ein anderes.
Typisch Saale-Unstrut haben wir angerissen, was ist denn typisch Wartenberg?
Elisabeth Wartenberg: Wir haben komplett Steillagen, also alles ausschließlich Handarbeit. Der zweite Aspekt ist der Keller. Mein Partner Yannik ist Kellermeister. Sein Credo ist, das Maximum an Potenzial von den Trauben herauszuholen. Er arbeitet häufig mit längeren Maischestandzeiten, also dass die Beerenhäute mit dem Saft in Kontakt kommen. Er versucht, möglichst aromatische Weine zu machen. Aber er versucht auch immer mal was Neues. So haben wir zum Beispiel den Orange-Wein im Sortiment. Ganz neu ist jetzt ein Riesling aus dem Barrique-Fass.
Wie finden Sie die Ideen der nächsten Generation?
Maria Wartenberg: Die finde ich gut. Man muss aus dem Wein das Authentische herausholen. Man muss überlegen, wie der Charakter des Weines noch unterstrichen werden kann. Wir machen den Wein nicht, damit er einer breiten Front von Kunden gefällt. Sondern wir wollen, dass der Wein er selbst ist. Dann gefällt er auch Leuten, die uns ähnlich sind.
Sie schauen gar nicht auf den Kundengeschmack?
Maria Wartenberg: Schon, aber sich zu sehr auf den Kundengeschmack einzustellen, ist gefährlich. Ich habe mit Winzern telefoniert, konkret in Rheinhessen, die haben massenhaft Grauburgunder angebaut, weil der Mode geworden ist. Jetzt sitzen sie auf ihrem Grauburgunder. Ich finde, man muss sich ein bisschen davon loslösen, den Kunden hinterherzurennen. Wenn es heißt, die Leute mögen mehr halbtrockene Weine, dann kann man nicht in einen wunderbaren trockenen Riesling noch Süßreserve reintun, weil man glaubt, dass man den besser verkaufen kann. Der Wein muss er selbst sein. Das kann man auch gut vermitteln, man muss nur dahinterstehen.
Sie sind Wissenschaftlerin und arbeiten analytisch. Machen Sie das auch beim Wein? Kommt beim Wein trinken die Wissenschaftlerin durch oder können Sie auch einfach mal genießen?
Maria Wartenberg: Von der Herangehensweise bin ich da schon Wissenschaftlerin. Zahlen machen mir Spaß. Ich mache gerne ExcelTabellen, da steht dann zum Beispiel der Oechslegrad und Säuregehalt beim Lesegut, dann wird das auch beim Wein analysiert, und das kann man dann miteinander in Bezug stellen. Das sagt viel über die Charakteristik eines Jahrgangs aus. Das ist mir schon wichtig, mich mit Zahlen zu befassen. Aber es gibt auch Kunden, die sich für diese Labordaten interessieren.
Welchen Wein öffnen Sie, wenn Sie nach Hause kommen?
Elisabeth Wartenberg: Die eigenen Weine eher nicht, weil ich ja den ganzen Tag mit denen zu tun habe. Ohnehin trinke ich gar nicht so viel Wein, sicher nicht jeden Tag. Wenn, dann probiere ich gerne Weine aus anderen Regionen Deutschlands. Aus Urlauben bringen wir immer Wein mit, der wird natürlich auch getrunken.
Maria Wartenberg: Ich stimme meiner Tochter zu, dass wir nicht jeden Tag Wein trinken. Ich trinke meist Rotwein, gerne auch international, Tannat beispielsweise, eine tolle Sorte. Also generell die gerbstoffhaltigen, kräftigen Rotweine.
Mit wem würden Sie gerne mal ein Glas Wein trinken?
Maria Wartenberg: Gerne öfter mit der Familie, mit meinem Mann, meiner Tochter und ihrem Freund, so ganz in Ruhe. Wir kommen leider zu selten dazu.
Elisabeth Wartenberg: Mit Günther Jauch. Ich schaue gern „Wer wird Millionär“. Er hat ja auch selbst ein Weingut, und da würde ich gern mal mit ihm fachsimpeln.
Gibt es den perfekten Wein?
Elisabeth Wartenberg: Ich würde sagen, ja, aber das betrifft immer die konkrete Situation. Wenn ich mir ein schönes Gericht koche und dazu einen tollen Wein trinke, das ist dann für den Moment der perfekte Wein. Oder wenn ich mit Freunden zusammen bin und mit denen ein Gläschen Sekt oder einen Rosé trinke, dann kann das auch perfekt sein. Also es kommt immer auf die Situation an.
Maria Wartenberg: Für mich ist ein perfekter Wein der, der über Jahre, vielleicht sogar über Jahrzehnte sich nicht negativ verändert. Von dem man eine Anzahl im Keller hat und immer wieder probiert und sieht, wie er weiter lebt. Wir hatten mal einen Rotwein von 2003, einen unheimlich dichten, intensiven Portugieser, den konnte man noch 15 Jahre danach mit Freude trinken. Es gab auch vereinzelt Rieslinge, die über Jahre immer besser geworden sind. Das zeichnet einen guten Wein und einen guten Menschen aus: wenn er älter wird, dass es immer besser wird.
0 Kommentare