Im Anbaugebiet Saale-Unstrut ist ein Generationswechsel voll im Gang. Die Generation der Gründerväter (und wenigen Mütter), die in den 1990-Jahren ein Weingut gegründet hat, geht in den Ruhestand oder tritt kürzer, Söhne oder Töchter übernehmen. Wie im Winzerhof Gussek. Der letzte Besuch in Naumburg ist gar nicht lange her. André Gussek – beim Start 1993 noch Kellermeister im Landesweingut Kloster Pforta – war einer der ersten Winzer in der Region, der ein eigenes Weingut gründete. Es ist eine Erfolgsgeschichte. Seit kurzem bestimmen die Söhne mit – und die sind beim Interview „Über Wein“ auch beide dabei. Das Weingut hat die Rechtsform einer Kommanditgesellschaft, André Gussek, seine Frau Alexandra und seine Söhne Stefan und Thomas halten jeweils 25% der Anteile. Als Geschäftsführer eingetragen ist Thomas Gussek.  

Die Frost-Nächte Ende April haben immense Schäden verursacht. Wie sieht es bei Ihnen aus? 
Thomas Gussek:
  Einen Weinberg hat es verschont, der Göttersitz, da hat der Name wohl ein bisschen geholfen (lacht). Das sind 3,5 Hektar, also ein Drittel unserer Fläche. Dort haben wir vielleicht 5 bis 10 Prozent Schaden. Aber bei zwei Drittel unserer Fläche sprechen wir über einen Totalausfall.

Das Weingut existiert jetzt 31 Jahre. Haben Sie so etwas wie die Frostnächte im April schon mal erlebt? 
André Gussek: Flächendeckend sicher nicht. Aber zu DDR-Zeiten, Ende der 80er Jahre, ich glaube es war 1987, da hatten wir über 32 Grad minus. Da hatten wir im Landesweingut statt 700.000 Liter 2500 Liter geerntet. Von 150 Hektar! Das waren aber Winterfröste. Unser letztes vergleichbares Ereignis war 2020. Da gab es auch Spätfröste, aber da war es nicht flächendeckend. Damals hatten wir im Blütengrund keine Schäden, im Göttersitz wenig. Nur in Thüringen ist es immer extrem. Ich sage immer: Der Dachsberg ist im Sommer unser Grand Cru, im Winter ist es unsere Angstfläche. 

Woher kommt die Liebe zum Wein?
André Gussek: Meine Großeltern kommen aus der Landwirtschaft. Mein Vater, er hatte einen Lehrstuhl an der MLU in Halle, hat sich sein Leben lang mit Wein beschäftigt, rhetorisch und trinkig. Das hat mich schon sehr geprägt. Nach seinem Willen sollte ich aber Mikrobiologie studieren. Hab ich auch gemacht, habe dann aber umgeschult und bin dann beim Wein gelandet. 

Erinnern Sie sich noch an den ersten Wein, den Sie getrunken haben? 
André Gussek: Da war ich noch nicht so alt… Mein Vater hat sein Leben lang gedacht, dass wir nicht wussten, wo der Schlüssel zum Weinkeller ist. Mein jüngerer Bruder und ich haben natürlich mit süßen Weinen angefangen, Tokajer, Cotnari, Murfatlar, das war in der Schatzkammer. 
Thomas Gussek:  Man muss unterscheiden zwischen jugendlichem Konsum von irgendwas und das erste Mal bewusst. Bewusst begann das bei mir in der Ausbildung. Der erste Wein, an den ich mich genau erinnern kann, ist der Wiltinger Gottesfuß Alte Reben von Van Volxem. Der war schon toll. 
Stefan Gussek: Der erste Wein? Wahrscheinlich war das beim sonntäglichen Mittagessen Zuhause. Da gab es immer Wein zum Essen. Aber an einen konkreten Wein kann ich mich jetzt aber nicht erinnern. 

Thomas und Stefan, war das für Sie immer klar, im Weingut einzusteigen? 
Thomas Gussek:  Bis 16, 17 wollte ich kein Winzer sein. Bei der Gründung des Weinguts 1993 war ich neun Jahre alt, also fast im arbeitsfähigen Alter. Da musste ich schon mal mit helfen. Am Anfang ging das noch, aber mit 14, 15 hast du andere Interessen. Der Wandel kam bei mir während der Armeezeit. Da habe ich erkannt, dass es wichtig ist, für seinen Allerwertesten selbst verantwortlich zu sein. Nach dem Militärdienst bin ich zum Vater gegangen und hab ihm gesagt: Ich mach das. 
Stefan Gussek: Ich bin Quereinsteiger. Eigentlich bin ich Koch, gelernt habe ich in Dortmund. Irgendwann bin ich zurückgekommen, habe in der Alten Schmiede in Naumburg gekocht. Und dann bin ich dann hier mit eingestiegen.

Und wie vertragen Sie sich? 
Thomas Gussek: Wir sind in der Kindheit schon mal aneinandergeraten. Aber jetzt sind wir ein Herz und eine Seele. 
Stefan Gussek: Stimmt, dem kann ich nur zustimmen. 

Was zeichnet die Weine von Saale-Unstrut besonders aus?
André Gussek: Wir stehen für trockene Weine mit fruchtigem Charakter und eigentlich moderatem Alkoholgehalt. Letzteres wird immer schwieriger, wegen der Klimatik. Das funktioniert aber auch. Wir stehen immer öfter vor der Entscheidung, entweder wenig Alkohol und  dafür Restsüße oder trocken und dafür mehr Alkohol. Aber ich habe keine Angst, einen Müller-Thurgau mit 13,5% auf die Flasche zu bringen. 
Thomas Gussek: Typisch bei uns ist auch die Sortenvielfalt, da haben wir eine große Varietät. Und es wird weiter viel probiert, an Sorten und bei der Stilistik. Das ist extrem spannend. 

Was ist das Alleinstellungsmerkmal der Weine von Gussek? 
André Gussek:
Wir haben uns von Anfang an auf den Ausbau in Holzfässern konzentriert. Vor allem auch bei Weißweinen. 
Thomas Gussek: Ich denke, dass mein Vater beim Thema Barrique der Pionier im Gebiet war. Das ist schon ein Alleinstellungsmerkmal. Ich habe großen Respekt vor diesem Erfahrungsschatz. Wir versuchen die Grenzen des Machbaren auszureizen und sind dem Terroir-Gedanken sehr verbunden.

Stefan Gussek, André Gussek und Thomas Gussek (v.l.). Foto: Torsten Biel

Wie hat sich das Gebiet in den letzten 30 Jahren verändert?
André Gussek: Die Schultern, auf denen das Weinbaugebiet ruht, sind breiter geworden. Weil die Vielfalt gewachsen ist, zwischen Haupterwerbs- und Nebenerwerbwinzern, zwischen  großen und kleinen Weingütern. Geändert hat sich auch die Beschäftigung mit dem Wein, also welche Persönlichkeit bekommt der Wein. Die Individualisierung der Weine  gab es früher gar nicht.

Sie bewirtschaften aktuell rund 10 Hektar. Soll es dabei bleiben?
Thomas Gussek: Nein, wir haben da schon noch was vor. Details sind aber noch nicht spruchreif.

Wie sieht es mit den Rebsorten aus? Planen Sie mehr Piwis zu pflanzen? 
Thomas Gussek: Müller-Thurgau ist stark rückläufig, die Burgundersorten peitschen voran. Die machen schon fast ein Drittel der Fläche bei uns aus. Was die Piwis betrifft haben wir Cabernet Cortis und Johanniter, mehr aber nicht. Generell sind wir für Neues offen. 
André Gussek: Bei der letzten Weinmeile haben wir von unserem guten Müller-Thurau Alte Reben wenig verkauft. Grauburgunder, Rosé und die Süßweine waren die Renner. 

Welchen Wein öffnen Sie, wenn Sie am Abend nach Hause kommen?
Thomas Gussek: Tatsächlich ist das Beste nach einem Tag im Weinberg das Bier danach. 
André Gussek: Zum Essen wird Wein getrunken, vor allem eigener. Erstens haben wir eine große Vielfalt und dann ist es auch gleichzeitig so was wie eine Qualitätskontrolle. Aber wir bekommen auch viel Wein geschenkt bzw. es wird getauscht. Das probieren wir natürlich auch. 

Und was wird zu besonderen Anlässen entkorkt, Weihnachten etwa?
André Gussek: Sekt! Wir haben ja selbst guten Sekt. Wenn die Familie in größerem Rahmen zusammen ist, dann gibt es quasi alles – trockenen Weißen, trockenen Roten und Süßwein. 

Gibt es den einen, unvergesslichen Wein, den Sie getrunken haben?
André Gussek: Ganz klar unser Blauer Zweigelt von 2018. Das ist der größte Erfolg, den wir hatten. Da schwärmen heute noch die Leute davon, die davon was abbekommen hatten. Der hat den Deutschen Rotweinpreis bekommen. Der Wein war schon genial. 
Thomas Gussek: Unvergesslich kann ja sowohl positiv als auch negativ besetzt sein. Mein Vater hatte mir zum 30. Geburtstag einen 1984er, mein Geburtsjahr, geschenkt. Ich glaube es war ein Chianti. Aber 84 war ein grauenhafter Jahrgang. Der Wein war nicht gut. Das ging in der Kategorie unvergesslich in die andere Richtung.
Stefan Gussek: Ich kann da leider nichts beitragen. 

Mit wem würden Sie gerne mal ein Glas Wein trinken?
André Gussek: Nicolas Joly, ein französischer Winzer, Biodynamiker. 
Thomas Gussek: Egon Müller. Habe Ihn kennengelernt, bin aber nicht in den Genuss gekommen, ein Glas mit Ihm zu trinken.

Gibt es den perfekten Wein?
André Gussek: Ich habe schon mehrere perfekte Weine getrunken. Chateau Mouton Rothschild 1989 etwa, oder Chateau Layout, Lafitte Rothschild, das war schon sehr, sehr gut. 
Thomas Gussek: Perfektion kann man nur anstreben, Und wenn man merkt, dass jemand eine Perfektion anstrebt, dann ist das schon fast perfekt.   


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