Nicht nur wegen seiner großartigen Bergsterne gehört Klaus Böhme, der das gleichnamige Weingut in Kirchscheidungen seit 1990 führt, zu den führenden Winzern in Saale-Unstrut. Wir treffen uns ab und an und reden – natürlich – über Wein.
2024 gab es große Schäden wegen der Spätfröste. War die Ernte letztlich so schlimm wie befürchtet?
Bereits im Frühjahr war schon abzusehen, dass es eine kleine Ernte geben wird – so ist es auch gekommen. Wegen unserer Flächenerweiterung war es für uns aber doch noch ein versöhnliches Ergebnis, auch wenn die Menge weit von dem entfernt ist, was wir sonst ernten. Jetzt schauen wir und damit meine ich auch meine Kollegen auf das neue Jahr – wir wünschen uns ein „normales“ Jahr ohne Winter- und Spätfröste und ohne Hagel.
Wie gehen Sie damit um, weniger geerntet zu haben? Preise anheben, Trauben zukaufen, oder?
Zur Landwirtschaft gehören Schwankungen, auch starke. Da gibt es eben auch mal ein schlechtes Jahr. Wir hatten in 2022 und 2023 richtig gute Ernten, die helfen uns jetzt. Es gibt also ein stückweit Kompensation. Als Winzer begibt man sich ja auf den Weg mit dem Bewusstsein, dass so etwas eintreten kann. Da sind wir in Saale-Unstrut ohnehin Spezialisten in Europa.
Wie meinen Sie das?
Im Sommer haben wir in den Jahren 2018 und 2019 Temperaturen von bis zu 41 Grad Celsius erlebt und im Februar 2021 50 Zentimeter Schnee und Minus 25 Grad Celsius – dass ist eine Spannbreite von über 65 Grad. Mir fällt kein anderes Weinanbaugebiet in Europa mit solchen Extremen ein. Auch die Niederschläge variieren stark von sehr trockenen Jahren mit unter 400 Liter wie 2018 bis hin zu fast 800 Liter in 2021. Die Weinberge in dieser Spannweite zu bewirtschaften, ist eine extreme Herausforderung.
Ist das typisch für Saale-Unstrut?
Saale-Unstrut steht für Vielfalt, für ein großes Spektrum an Rebsorten. Manchen mag das zu viel sein, aber das muss jeder Betrieb selbst entscheiden. Ich möchte darauf nicht verzichten. Die Rebsorten-Vielfalt ist auch eine Antwort auf Fragen, die uns der Klimawandel stellt.
Wofür steht das Weingut Klaus Böhme?
Dass man die Weine über viele Jahrgänge wiedererkennt. Da haben wir in mehr als 30 Jahren schon eine Kontinuität erreicht. Also dass man einen Weißburgunder trinkt und sagt, der könnte von Klaus Böhme sein. Da haben wir unseren Weg gefunden. Die Stellschrauben und Experimentierfelder sind nicht groß.
Aber es gibt doch Innovationen. Ihre Tochter Luise hat mit dem Freygeist eine Gebiets-Cuvée kreiert, die am Markt sehr erfolgreich ist. Sind weitere Projekte angedacht?
Der Freygeist ist Luises Projekt. Aber mit Cuvées haben wir uns schon vor über zehn Jahren beschäftigt, da ist der Alles Rosa entstanden. Diese Rosé-Cuvée hat uns gezeigt: Cuvées haben in Saale-Unstrut eine gute Chance. Mittlerweile sind die halbtrockene Weißwein-Cuvée Traubenzauber und die Secco-Cuvée Sommerfrische hinzugekommen. Da sind wir wieder bei der Sortenvielfalt. Die bietet nämlich auch die Chance, tolle Cuvées oder auch Marken zu kreieren.
Klingt fast so, als setzen Sie jetzt voll auf Cuvées…
Nein, nein, die reinsortigen Weine bleiben der Schwerpunkt, die Cuvées sind Ergänzung.

Wir müssen über den Klimawandel reden. Wie ist der im Gebiet sichtbar?
Als ich im Weinbau begonnen habe, Mitte der 80-er Jahre, stand über allem die Frage: Werden im Herbst die Trauben reif? Diese Frage stellt sich heute nicht mehr. Wenn es einen Beweis braucht, dann ist es der stark gestiegenen Riesling-Anteil in unserem Anbaugebiet. Riesling zählt zu den klimatisch anspruchsvollsten Rebsorten, es ist augenscheinlich.
Konnte man sich auf den Klimawandel vorbereiten?
Natürlich, das sind Dinge, die nicht von heute zu morgen vom Himmel fallen. Wer aufmerksam Natur und Landschaft beobachtet, stellt fest, dass in den letzten 20-30 Jahren Veränderungen sich vollzogen haben – Austrieb, Blühbeginn usw. Die Veränderungen, die wir jetzt erleben, haben sich angedeutet.
Wie reagieren Sie? Auf neue Rebsorten setzen?
Man muss sich bewusst sein, dass man auf die großen Veränderungen des Klimas nur bedingt reagieren kann. Tröpfchenbewässerung wäre da auch zu erwähnen. Vieles wird vom Aufwand her auch nicht möglich sein. Auch wir befinden uns als Winzer in der Nachhaltigkeitsdiskussion. Die Rebsortenvielfalt kann aber auch hier helfen. Man kann versuchen, in Verbindung mit unseren Weinbergsflächen die bestmöglichen Varianten herauszuarbeiten. Oftmals sind das auch schwere Entscheidungen, weil man einen Weinberg nicht jedes Jahr neu pflanzen kann. Im Weinbau müssen wir in großen Zeiträumen denken. Wir bewirtschaften einen 90 Jahre alten Silvaner-Weinberg. Dort sind fast noch alle Stöcke aus dem Pflanzjahr 1934 erhalten. Die Winzer, die diesen Weinberg angelegt haben, haben vor 90 Jahren alles richtig gemacht. Standort passt perfekt zur Rebsorte!
Wie sind Sie überhaupt zum Weinbau gekommen?
Mitte der Achtzigerjahre habe ich gemeinsam mit meiner Mutter einen ehemaligen Weinberg, der zu unserem Bauernhof gehört, wieder aufgerebt. Das war eine spannende Zeit, und ich bin heute meiner Mutter dafür noch dankbar! Als die Wiedervereinigung kam, hatte ich ein abgeschlossenes Landwirtschaftsstudium und über ein paar Umwege bin ich dann wieder bei meinem Hobby gelandet. Kurz gesagt, ich habe meine Leidenschaft zum Beruf gemacht. Meine damalige Frau, Ina Paris, hat diese Entscheidung mitgetragen und wir haben gemeinsam begonnen, das Weingut aufzubauen. Auch das werde ich nie vergessen.
Erinnern Sie sich noch an den ersten Wein, den Sie getrunken haben?
Ich erinnere mich, dass ich immer ein Gemisch aus viel Wasser, etwas Wein und ein Löffel Zucker in einem Weinglas bekommen habe. Das muss im Grundschulalter gewesen sein… Und so habe ich mich als kleiner Junge schon als Weintrinker gefühlt. Die Großeltern tranken am liebsten Silvaner von der Unstrut, aber den gab es leider nur sehr selten, ein trockener Riesling aus Ungarn war dann oft die erste Wahl! Eigentlich konnte ich ab dem Zeitpunkt dem Thema Wein gar nicht mehr ausweichen… (lacht)
Was öffnen Sie, wenn Sie nach Hause kommen?
Ich probiere gerne Weine aus anderen Gebieten. Wenn ich unterwegs bin, bringe ich immer Weine mit. Im Sommer bevorzuge ich die Weißen, Silvaner und Weißburgunder sind meine Favoriten. Im Winter gern auch mal einen Rotwein.
Was wird zu besonderen Anlässen entkorkt?
Da schaue ich ins Archiv, da wird ein älterer Jahrgang entkorkt.
Ihr persönlicher Lieblingswein?
Ich erinnere mich sehr gern an den Jahrgang 2006. Das war nicht nur das Sommermärchen zur Heim-WM, sondern auch ein großartiger Weinjahrgang. Eine Riesling Spätlese von 2006 aus dem Rappental ist nach wie vor für mich ein ganz besonderer Wein.
Mit wem würde Klaus Böhme gerne mal ein Glas Wein trinken?
Als Fußballfan natürlich mit einem meiner Kindheitsidole – Günter Netzer – aus der Tiefe des Raums. In einem Interview hat er einmal preisgegeben, dass er während seiner Zeit bei Real Madrid mittags immer mit Mannschaft und Präsidenten zum Essen eingeladen wurde und dazu Rotwein getrunken hat, um wenige Stunden später Liga zu spielen. Das würde ich gern bei einem guten Glas Wein mit Günter Netzer vertiefen.
Gibt es den perfekten Wein?
Ich glaube, ich werde nicht danach suchen… Perfekt ist es immer dann, wenn man in guter Gesellschaft einen guten Wein und vielleicht noch an einen schönen Ort trinken kann, denn Wein ist mehr als ein alkoholisches Getränk! Es formt Landschaften, Kultur und diese Erde wäre um einiges ärmer, gebe es die Weinlandschaften nicht.
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