Zeit für die ersten 2023er im Test. Denn die ersten Weine des Jahrgangs 2023 sind auf dem Markt, und das schon seit Dezember 2023. Nicht aus Südafrika, sondern von Saale-Unstrut. Mir gefällt das zeitige Abfüllen eigentlich nicht, bin der Überzeugung, dass Wein Zeit braucht. Aber ich kann auch die Winzer verstehen, die Weine des Jahrgangs 2023 schon im November, mitunter sogar Ende Oktober abfüllten. Deren Erklärung: Der Markt verlange das, leere Keller seien im Weihnachtsgeschäft fatal. Außerdem, darauf wird hingewiesen, seien diese Weine zum baldigen Verbrauch gemacht. Mit dem Argument ,wer nicht probiert, kann nicht mitreden’ war ich bei der so genannten „Frühchen-Probe“ schon 2022 dabei. Das war durchaus interessant, und so ließ ich mich nicht lange bitten, die ersten 2023er noch im Jahr 2023 zu probieren. 

41 Weine am Start

Also Mitte Dezember auf nach Roßbach ins Weingut Frölich-Hake. Dort traf sich auf Einladung des „Burgenlandjournals“ eine kleine Gruppe von Weinmachern, Weinkennern und Weinjournalisten zu dieser speziellen Jungweinprobe. Sandra und Volker Frölich-Hake – obwohl selbst noch keinen 23er Wein abgefüllt – haben die Veranstaltung perfekt organisiert. 41 Weine vom Jahrgang 2023 waren angestellt, darunter 12 Fassproben. Deutlich weniger als im letzten Jahr. Ein Trend? 
Diese (offene) Verkostung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit; es wird weder prämiert noch gepunktet. Das Tester-Team verschaffte sich lediglich einen ersten Überblick über den neuen Jahrgang und bekam im Idealfall auch eine Vorstellung davon, wohin die Reise der Saale-Unstrut-Weine von 2023 gehen könnte.

Die folgenden Einschätzungen der Weine sind das Ergebnis anregender Diskussionen und oft auch kontroverser Meinungen. Protokolliert hat sie mein geschätzter Kollege Frank Nowak vom Burgenlandjournal. In diesem Beitrag sind sie mit eigenen Anmerkungen ergänzt.  

Starke Rosés 

Ein starker Start in den Abend waren die Rosés (und ihre Ableger), die ausnahmslos schon jetzt überzeugen konnten. Auffallend: Sowohl Weißherbst als auch Blanc de Noirs jeweils vom Blauen Zweigelt von Sandra Polomski (Weinhaus Polomski), hergestellt von Johannes Beyer. Polomskis Blanc de Noirs war mein persönlicher Sieger, weil filigran und mit nur 6 Gramm Restzucker, trotzdem mit feiner Aromatik (Drachenfrucht, gelbe Pflaumen) ausgestattet. Auch klar im Plus die Rotlinge von Bernard Pawis und Johannes Beyer. Der Rotling Pink Pony vom Weingut Born hat seinen Kult-Status bestätigt. Als Tankprobe wurde ein Portugieser Rosé vom  Weingut Frölich-Hake vorgestellt, 0,6 Gramm  Restzucker und eine tolle Nase – viel versprechend, bin gespannt, was daraus wird.  

Klassiker und Nischen

Die Gutedel von Thürkind, Herzer und Böhme lieferten durchweg zuverlässig ab. Grundverschieden zwar, aber jeder mit typischer Handschrift. Stephan Herzer, Klaus Böhme, André Gussek und Andre Zahn schickten auch Müller-Thurgau (DQW) ins Rennen – mit Sicherheit Kundenlieblinge! Gut gemacht, ich hätte mir die meisten aber Müller-typischer gewünscht. 
Mario Thürkind vom gleichnamigen Weingut bedient mit dem (halbtrockenen?) Muscaris und dem Kerner lieblich eine Nische, in der ich leider nicht zu Hause bin, die aber konstant gut besucht ist.  Die halbtrockene Variante des Kerners der Winzervereinigung schielt auf die gleiche Klientel und soll laut Kellermeisterin Kathleen Romberg wahrscheinlich die „100%-Saale-Unstrut-“Linie im Lebensmitteleinzelhandel (LEH) bereichern. 

Jahr der Burgunder?

Großes Potenzial – gerade was noch kommende Spät- und Auslesen betrifft – haben wohl die 2023er Burgunder von Saale-Unstrut. Viele kamen an diesem Abend zwar noch als Tankproben ins Glas, ließen ihr Vermögen aber erkennen. Zum Beispiel die Weißburgunder von Christoph Lindner aus Höhnstedt oder der von Volker Frölich aus Roßbach, der beim Spätburgunder große Probleme mit der Kirschessigfliege hatte und noch viel Arbeit im Keller vor sich sieht. Bereits abgefüllt und zuverlässig erstklassig: der Weißburgunder von Klaus Böhme.
Bei den Grauburgundern war das Feld überraschend klein, die vom Weingut Zahn und Grober-Feetz scheinen auf einem guten Weg, brauchen aber noch Zeit. Gleiches gilt für die Auxerrois‘ (jeweils Tankproben) vom Thüringer Weingut Bad Sulza und dem Landesweingut, die auf jeden Fall Potenzial haben. 

Schwieriges 2023

Potenzial war überhaupt eines der am meisten gebrauchten Worte des Abends. Denn ein endgültiges Urteil des Jahrgangs 2023 vermochte noch niemand zu fällen. Denn das Weinjahr an sich war schon schwierig und herausfordernd: nach feuchtem Jahresbeginn folgte im späten Frühjahr eine lange Trockenperiode, die erst im Hochsommer von kühlerem und nassem Wetter abgelöst wurde. Wer seine Trauben gut durch Mehltau und Fäulnis gebracht hatte, den erwartete ein traumhafter Altweibersommer, der lange anhielt und den Trauben optimale Reife-Bedingungen bot. Schon war die Rede vom 23er als des Jahrgangs der Spät- und Auslesen an Saale-Unstrut. 
So waren im Verkostungspanel an jenem Dezember-Abend vier Prädikatsweine am Start, wovon einer herausstach: die viel diskutierte Tankprobe des 2023er Rieslings Kabinett vom Weingut Deckert; mit 12,5% Alkohol und 11 g Restzucker fast schon Spätlesecharakter – auf jeden Fall aber ein erstklassiger Lagenwein. „Ich habe lange mit ihm gekämpft, wollte ihn schon rausreißen“ sagte Winzerin Lisa Weineck über die Riesling-Anlage in den Ehraubergen – zum Glück hat sie sich eines Besseren besonnen!

Zucker im  Trend

Sonst noch? Bereits fertig waren die Bacchus‘ der Weingüter Böhme, Beyer und Herzer. Stephan Herzer lieferte wie Bernard Pawis auch einen halbtrockenen Cabernet Blanc, beide mit ordentlich Restzucker. Überhaupt scheint „halbtrocken/fruchtig“ einer der Trends der 2023er Weine zu werden. Immerhin lag fast die Hälfte der 41 angestellten Weine des Verkostungsabends jenseits der “Trocken“-Zone. Das muss man nicht mögen; aber ein Teil, vor allem der jüngeren Kundschaft fragt dies wohl vermehrt nach. Einem anderen Trend, den hin zu alkoholärmeren Weinen, lässt sich mit dem Aus- bzw. Spätlesejahr 2023 an Saale-Unstrut wohl nur schwer folgen. Dafür spricht auch der letzte Wein des Abends: Der Traminer vom Weingut Pawis, der ob seines recht zurückhaltenden Buketts sehr edel daherkommt. Feiner Wein! Allerdings war mit wie manch anderem in der Runde ein Rätsel, wie nach so kurzer Zeit im Keller so ein runder, ja fertiger Wein herauskommen kann. 

Die Verkoster (v.l.n.r.): Sandra Polomski, Volker Frölich, Lisa Weineck, Christoph Lindner, Gerald Lange, Stephanie Grober-Feetz, Uwe Köster, Kathleen Romberg.

Fotos: Frank Nowak, Uwe Köster


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