Es ist eine Alte Liebe, die mich mit Assyrtiko verbindet. Gleich bei meinem ersten Besuch auf der Ägäis-Insel Santorin bin ich Fan der autochthonen Rebsorte Assyrtiko geworden. Auch in den folgenden Jahren haben mich die Weine begeistert, wie auch die Dynamik des Weinbaus auf der Insel. Vor 30 Jahren gab es auf Santorin lediglich 6 Weingüter, aktuell sind es 20. Ein enormer Wandel, auch wegen der Erkenntnis: Mit Wein kann man Geld verdienen. Aktuell kosten 1 Kilogramm Trauben 5 Euro, so viel wie in der Champagne.
Nun sind die Besuche eine Weile her, die Dynamik hat weiter an Fahrt gewonnen. Die Initiative Vovcanic Agrikulture of Europe organisierte ein Tasting mit Weinen aus Santorin. Die perfekte Gelegenheit, mit der alten Liebe Assyrtiko wieder mal zu flirten.  

Santorin

Die Insel ist vulkanisch geprägt, vor 650.000 Jahren gab es eine erste Eruption; im Jahr 1645 vor Christus dann den großen Ausbruch. 15.500 Einwohner leben auf Santorin, jährlich kommen 5 Millionen Touristen. Matthew Argyros, einer der bekanntesten Winzer Santorins, sagt: „Der Tourismus ist Freund und Feind zugleich.“
Die Böden haben einen hohen Natrium-Anteil, deshalb haben die Weine generell eine gewisse Salzigkeit, was ja jetzt Mode ist. Die Böden sind natürlich vulkanische Asche, haben viel Bimsstein und Basalt, dafür wenig Lehm. Deshalb kann die Reblaus nicht überleben. Die Wurzelschösslinge der Rebstöcke sind daher zum Teil 100 bis 500 Jahre alt. 
Das Klima zeigt einige Extreme. Extremer Wind, extreme Trockenheit (313 mm Niederschlag pro Jahr, manchmal nur 100), aber auch extreme Morgenfeuchtigkeit. 
Die Rebfläche beträgt derzeit rund 1200 Hektar. Nur 1000 bis 2000 Rebstöcke stehen auf einem Hektar, der Ertrag ist niedrig, 5 bis 20 hl/ha. 33 von 62 verschiedenen Rebsorten sind identifiziert.
Die Reberziehung ist ungewöhnlich. Der Wind und der Schutz vor Verdunstung des morgendlichen Kondenswassers zwingt die Weinbauern zu einer ungewohnten Reberziehung in Busch- beziehungsweise Korbform (Kouloura). Sieht auf den ersten Blick etwas wild aus, macht aber Sinn. Gelesen wird Anfang August und ausschließlich per Hand, was sehr mühevoll ist (bücken!).  

Assyrtiko

Assyrtiko ist die Star-Rebe auf der Insel, belegt rund 85% der Anbaufläche auf Santorin (etwa 1100 ha). Das spannende an Assyrtiko ist: Die Weine haben keinesfalls das übliche Profil anderer weißen Sorten aus Südeuropa. Die trockenen Weißweine haben Mineralität und eine erregende Frische. Gern auch einen ausgeprägten Geschmack nach Salz, nassem Stein, Austerschale oder grünen Kräutern.
Generell kennt Assyrtiko drei Weinstile:

Trockener Assyrtiko

Die trockenen Weine ohne Holzreifung (mit oder ohne Hefelager) müssen mindestens 85% Assyrtiko enthalten. Verschiedene Techniken etwa kurze Maischestandzeit oder Ganztraubenpressung sind möglich. Immer populärer wird langes Hefelager. Die Reifung erfolgt vorwiegend in Stahltanks, aber auch in großen Holzfässern (1200 l oder 2400 l). Es gibt auch erste Versuche mit Amphoren oder Betoneiern.

Vier feine trockene Assysrtiko:
Santorini 2022 / Domaine Sigalas: Cremig, Kräuter, Vanille, Kamille, Jasmin, weiße Blüten. Ein Klassiker, dieser Wein und dieser Stil hat Assyrtiko berühmt gemacht. Altert grandios. 
Santorini 2022 / Santo Wines.
Im Stahl kühl vergoren, viel Power, würzig, leichte Salzigkeit. Die Reben sind 60-80 Jahre alt. Assyrtiko direkt
Assyrtiko 2022 / Estate Argyros. 8 Monate im Stahl gereift. Zitrus, Grapefruit, präsente Säure, leichte Schärfe, mehr Konzentration, Kamille, Blüten, Heu. 
Thalassitis 2022 / Gaia Wines: Erinnert stark an Austernschale, viel Zitrus, viel Frucht, geradezu üppig. 

Nykteri 

Nykteri heißt übersetzt Produkt der Nacht. Bedeutete früher, dass die Trauben noch am Tag der Lese, also abends, gepresst wurden. Der Nykteri ist mindestens 3 Monate im Holzfass gereift und hat Minimum 13,5% Alkohol. Der Anteil von neuem Holz variiert.  

Drei feine Nykteri:
Nykteri 2022 / Santo Wines. 6 Stunden Mazeration, dann 2 Monate Reife im großen Eichenholzfass. Das Holz ist greifbar, Cashew-Kerne, leicht Würzigkeit. Erinnert an einen Furmint.
Nychteri by Gaia 2020 / Gaia Wines. Ganz anderer Stil. Pfirsichkern, Melone, Säure, cremige Textur. 
Nykteri 2020 / Domaine Sigalas. 15% Alkohol, der aber gut eingebunden. Lag 12 Monate im Holz. 

Vinsanto

Der Süßwein muss mindestens 51% Assyrtiko enthalten und wird aus getrockneten Trauben hergestellt. Die Trocknung passiert unter freiem Himmel. Die Trauben liegen auf Netzen 10 Tage in der Sonne, anschließend 5 Tage im Schatten. 200-300 g/l Restzucker sind üblich, möglich sind durchaus auch 400. Balanciert wird die Süße durch relativ hohe Säure (7-8 g/l). Die Reifung erfolgt in Holzfässern, meist über mehrere über Jahre und meist ohne aufzufüllen. Daher hat ein Vinsanto oft oxidative Noten. 

Drei feine Vinsanto:
Vinsanto by Gaia 8 years / Gaia Wines. 210  Gramm Restzucker, die merkt man kaum. In der Farbe Kaffeebraun. Geschmack braune Bananenschale, geröstete Haselnuss, Schokolade, Ingwer und einiges mehr. Extrem spannender Wein.
Vinsanto 2017 / Santo Wines. 220 Gramm Restzucker. Wirkt noch jugendlich, fruchtig. Ist in 225-l-Holzfässern in 4. und 5. Belegung gereift. Eingelegte Früchte, Rosinen, Feigen, extreme Länge.   
Vinsanto Late Release 2002 / Estate Argyros. 290  Gramm Restzucker. Dunkelbraun, wie flüssige Schokolade, interessanter Nagellackton, Orangenschale, Mokkalikör, schier ewige Präsenz. 

Trends 

Von der Weinbau-Dynamik auf Santorin war schon die Rede. Mittlerweile kommen auch Amphoren-Weine, Orange-Weine, Super Cuvées und Einzellagen-Weine auf den Markt. Letztere – vermarktet unter Single Vineyards – sind spannende Tropfen, die mich durchaus begeistert haben.

Zwei feine Lagen-Assyrtiko:
Cuveé Monsignori 2020 / Estate Argyros. Was es mit den Monsignori auf sich hat, war nicht zu erfahren. Von 200 Jahre alten Reben. Wieder mal die typische Austernschale und angenehme Salzigkeit; Zitronenschale. Großartige Länge. Ein toller Wein! 
7 Villages Pyrgos 2022 / Domaine Sigalas. Von einer uralten Lage im hoch gelegenen Pyrgos. Ganztraubenpressung, 12 Monate auf der Hefe, Reifung in Stahltanks. Floral, Blüten, Hollunder, Pfirsich, Vanille, getrocknete Kräuter, Salbei. Der Alkohol (14,3%) perfekt eingebunden. Noch ein toller Wein! 


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