Der Hauptabsatzmarkt für Prosecco sind die USA und UK, Deutschland ist auch ganz gut dabei. Die Asiaten sind am wenigsten Fan von Schaumwein. Ich kann sie eigentlich verstehen. Denn Schaumweine sind nicht meine besten Freunde. Aber wie bei Menschen ist es mit Weinen so, dass man sie möglicherweise erstmal richtig kennen lernen muss, um vielleicht sich eine neue, fundiertere Meinung bilden zu können. Überrascht mich der Prosecco vielleicht sogar? 

Zu Berliner Küche!

… zur geschäumten Erbsensuppe

Ein schönes Prosecco-Event kommt da gerade recht. Nicht mit Glamour und Dolce Vita. Sondern italienisches Original gepaart mit hochwertiger Berliner Küche (!) – überraschend, ungewöhnlich, aber darauf habe ich mich gerne eingelassen. Zu fünf Köstlichkeiten gab es je zwei Prosecchi. Einer davon war immer ein Rosé, die es ja noch gar nicht so lange gibt. Hier kann ich gleich schon mal den Veranstaltern ein großes Lob aussprechen. Das Konzept war sehr gut durchdacht und vorbereitet. Die Speisen waren welche, zu denen man klassischerweise keinen Schaumwein trinken würde. Da war jede Kombination eine Überraschung für sich. Denn eigentlich würde man zu Fisch wohl eher einen Silvaner oder einen Riesling trinken und zu deftigen Schmorbraten vielleicht Rotwein. So aber wurde der Prosecco geschickt als eine originelle und geeignete Alternative präsentiert. Das war clever, hat überrascht und gefallen. Dazu gab es eine hervorragende Präsentation der Master of Wine Romana Echensperger, nicht nur über die Weine im Einzelnen, sondern auch über Geschichte und Herkunft des Prosecco sowie über die Hauptrebsorte Glera.  

Prosecco und die Krise

Grundkurs Prosecco

Ich wusste vorher nicht, was den Prosecco zum Prosecco macht. Jetzt weiß ich es: Die zweite Gärung im Tank zeichnet den Prosecco aus, bei Champagner findet das im Unterschied in Flaschen statt. „Es gibt das Vorurteil, dass Tankgärung schlechte Qualität bedeutet, aber es kommt immer darauf an, was ich in den Tank gebe. Wenn ich etwas Gutes hineingebe, kommt auch was Gutes raus, so einfach ist das“, erklärte Frau Echensperger. Sehr spannend auch die aktuellen Entwicklungen rund um den Prosecco. Ein sehr wichtiges Thema gerade ist der hohe Energieverbrauch. Bei zwei Kaltgärungen bei minus 4 Grad kann man sich denken, dass Prosecco gerade jetzt in der Energiekrise Kopfschmerzen verursacht. Aktuell beschäftigt man sich intensiv damit, wie man den Prozess nachhaltiger gestalten kann. Da geht es weniger um Herbizide (auch wenn es da schon Fortschritte gibt!), sondern vor allem um Energie. Eine ganz ungeahnte Dimension, die mir in der Weinherstellung gar nicht so recht in den Sinn kam.

Prosecco und die Aromen 

… mit Brot, Zwiebel-Speck-Dip und Bergkäse

Nun zum Wesentlichen. Die Rebe Glera soll typische Pfirsich-Aromen haben und blumig schmecken, durch die zweite Gärung besonders intensiv. Ich kann nicht behaupten, dass ich das herausgeschmeckt habe. Auch waren für mich die verschiedenen Prosecchi sehr unterschiedlich, sodass ich gar nicht wirklich einen typischen Geschmack erkannt habe. Umso spannender aber auch, dass am Gaumen die Weine mit und ohne Essen teilweise sehr unterschiedlich gewirkt haben. Es war also wirklich sehr abwechslungsreich, ich springe mal direkt zu einem Beispiel. Gleich zu Beginn bin ich mit dem Gedanken eingestiegen, dass mir Prosecco sowieso besser solo, als Aperitif bzw. bei passendem Anlass (wo man halt anstößt) schmeckt. Bei der Kombination mit Brot, Zwiebel-Speck-Dip und Bergkäse gab es Prosecco DOC Brut „M-Use“ von der „Catina Pizzalotta“ und drei Schlucke haben drei unterschiedliche Erfahrungen gebracht: Der erste Schluck: „Ja, recht fruchtig, sehr spritzig, schmeckt alleine ganz gut“. Der zweite Schluck: „Oh ja, der schmeckt ja richtig gut, hat ganz schön Kraft“. Schließlich der dritte Schluck mit dem Essen zusammen: „Ach nö, doch ein bisschen lahm“. 

Prosecco und der Pullover 

… mit passender Farbe

Der zweite Prosecco zu diesem Essen (Rosé Brut „Tenuta La Maredana“ von Valdo Spumanti, eine sehr bekannte Marke in Italien) war schmerzhaft, weil der mir beinahe die Zunge weggesprudelt hat. Das ging mir auch mit dem Treviso Extra Dry zur geschäumten Erbsensuppe mit Krabben so, der solo auch erstmal weh getan hat. Der Supersprudel hat die komplette Süße (immerhin 15.17 g/l) verdrängt, das ist schade. Dieser war einer der wenigen Cuvées, zu 85% Glera ist noch Chardonnay und Grauburgunder dabei. Den Rosé an dieser Stelle (Extra Dry Millesimato 2020) mochte ich, mit der Suppe zusammen sogar noch mehr als alleinstehend. Außerdem hatte der exakt die gleiche Rosa-Farbe wie mein Pullover. Nach immerhin fünf bisher gekosteten Prosecchi scheint mir, dass versucht wird, Rosé so elegant wie möglich zu machen, damit man bloß keinen „girly“ Eindruck hat. Schade eigentlich, denn wenn es schon prickelt, darf es ruhig auch ein wenig süß sein. 

Prosecco und der Sprudel 

… mit hervorragenden Ochsenbäckchen

Sehr gut fand ich die beiden Prosecchi, die zu Zander mit Kartoffel-Limetten-Püree und Schmorgurken verkostet wurden. Beide gehören zur Brut-Fraktion, also mit mittlerem Restzuckergehalt. Prosecco DOC Treviso Brut „Argeo“ von Rugeri hat bei mir 2 Pluspunkte beim Geschmack bekommen, da kam endlich der fruchtige Pfirsichgeschmack deutlich hervor, ein kleines Minus gab es für den Sprudel, der war mir noch etwas zu stark. Der Rosé Brut Millesimato 2020 „Il Fresco“ von Villa Sandi hat zwar nur einen Geschmacks-Pluspunkt bekommen, dafür zwei für den perfekten Sprudel, nicht zu viel, aber trotzdem spaßig-prickelnd. Die beiden waren meine Favoriten. Hervorhebenswert ist noch das hervorragend zubereitete geschmorte Ochsenbäckchen mit Wurzelgemüse unter dem Titel „Au Backe“. Die beiden Weine dazu habe ich mit nur kargen Kommentaren bedacht – einmal „nope“ trotz Extra Dry und der Rosé „geht so“. Beide kamen mir recht schwer vor. Das kann aber auch daran liegen, dass man bis dahin schon recht viel Prosecco und recht viel Kohlensäure zu sich genommen hatte.

Mein neuer bester Freund?

Alles in allem war das eine sehr interessante Erfahrung, so viele sehr unterschiedliche Prosecchi zu verkosten. Und wenn man generell offen für Schaumweine ist, kann man dem definitiv als Begleitung zum Essen eine Chance geben. Ob wir beste Freunde geworden sind, ich und der Prosecco? Das würde ich nicht gerade sagen, aber gute Bekannte, mit denen man problemlos ein Pläuschchen halten kann, bestimmt. Überrascht hat mich der Prosecco auf jeden Fall.


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