Zur Erleuchtung in Sachen Rubin Carnuntum bin ich nach Österreich ins Carnuntum gereist. Konnte feststellen, dass aus dem Zweigelt sehr feine Weine gemacht werden. Doch – nicht sonderlich überraschend – Carnuntum hat natürlich mehr zu bieten als den Rubin/Zweigelt. Überrascht war ich dann aber schon von den Qualitäten. Eine Weintour voller Entdeckungen.

Herkunft schlägt Sorte

Robert Payr beweist Humor: „Flächenmäßig braucht uns niemand auf der Welt, die Weine schon“, sagt der Obmann der Schutzgemeinschaft der Carnuntum-Winzer in Anspielung auf „nur“ 832 Hektar Rebfläche. Ich mag ihm da nicht widersprechen. Nachdem wir einige Weine probiert haben, muss ich ihm unbedingt zustimmen. Denn der von Payr definierte Stil der Carnuntum-Weine „Eleganz, Intensität und Kraft“ klingt nicht nur gut, der findet sich tatsächlich in den meisten Weinen. Leitsatz im Carnuntum: Weniger Rebsorte, mehr Herkunft! Da ist es erstaunlich, dass auf dem doch recht kleinem Gebiet die Rieden (Einzellagen) so unterschiedliche Charakteristiken haben – betrifft die Böden und das Mikroklima. Die Kunst der Winzer ist es, die passende Rebsorte für die jeweilige Riede zu finden. 

Die Riede Kirchweingarten bei Höflein

Eine Lage – verschiedene Weine 

Schon sind drei Rotweine von der Ersten Lage Ried Steinäcker im Glas, alle von 2019, alle Zweigelt. Der von Leo Jahner hat eine schöne Frische, Sauerkirsche dominiert. Der von Robert Payr mit spannender Kühle, schwarze Kirschen, Minerale. Und schließlich Peter Artner, eher Waldbeeren, Zwetschken, interessante Säure. Drei Zweigelt aus einer Lage und aus einem Jahr – doch so verschieden. 
Gleiches „Experiment“ mit Weinen von der Ried Rosenberg, auch Erste Lage klassifiziert.  Alle sind Cuvées aus Zweigelt, Blaufränkisch und Merlot, die am Rosenberg meistangebaute Sorte.  Der 2019er von Walter Glatzer zeigt Frische und Eleganz. Der 2019er von Gerhard Pimpel hat Würze, auch Kakao und Vanille. Schließlich der 2020er von Gerhard Markowitsch präsentiert sich weich, rund, samtig. Wieder: Drei Weine aus einer Lage, gleiche Sorten, aber grundverschieden. 

Rotwein-Tasting im Carnuntum

Großartige Riedenweine  

Überhaupt die Riedenweine, da gibt es großartige Entdeckungen. Mit dicken Ausrufezeichen sind notiert:  Blaufränkisch Ried Braunsberg 2019 von Michaela Riedmüller, perfekte Kombi von Kühle und Eleganz. Ried Bärnreiser 2020 von Philipp Grassl, eine Cuvée (50% Zweigelt, 30% Merlot, 18% Blaufränkisch und 2% Cabernet Sauvignon) aus der heißesten Lage des Carnuntum.  Waldbeeren, Cassis, Würze,Tabak, Riesenpotenzial. Auch der 2016er – reif, saftig, erdig, etwas für spezielle Momente – zeigt noch keine Spur Alter. 
Wohin die Reise gehen kann zeigen gereiftere Weine. Etwa der Blaufränkisch Ried Spitzerberg 2016 von Dorli Muhr. Was für ein Charisma, der Wein ist eine Persönlichkeit. Der Blaufränkisch Ried Spitzerberg 2014 von Robert Payr kommt ganz anders daher, fast schroff, kantig, wild. Muss man mögen, ich mag sowas. Groß auch der Ried Rosenberg 2017 von Gerhard Markowitsch, eine Cuvée mit 55% Zweigelt, 30% Blaufränkisch und 15% Merlot. Frucht, Würze, dazu eine unbändige kühle Kraft. Auf höchstem Niveau geht’s weiter mit dem Optime 2013 von Gerhard Pimpel, reinsortiger Merlot, saftig, elegant, charmant. In die Spitzenkategorie gehört auch Gotinsprun 2012 von Walter Glatzer, neben Blaufränkisch (50%), Zweigelt und Merlot ist auch Syrah im Spiel. Toller Wein und trotz des Alters noch topfit. 
Wo anfangen, wo aufhören? Unbedingt zu würdigen sind noch der Blaufränkisch Ried Kirschweingarten 2015 von Peter Artner. Dann natürlich Ried Bärnreiser Anna Christina 2016 (Zweigelt+Merlot) von Franz und Christina Netzl, schon eine fast eine Legende, dieser Wein.  
Es müssen beileibe nicht immer Riedenweine sein. Dass auch Ortsweine zu großer Form auflaufen können zeigt der Prellenkirchen Samt & Seide 2020 von Dorli Muhr. Der Name ist Programm – ein feiner, eleganter und ja, seidiger Wein.  

Die Riede Spitzerberg bei Prellenkrichen

Das weiße Carnuntum  

Dann gibt es ja auch noch Weißweine in der Rotwein-Hochburg Carnuntum. Und zwar bemerkenswerte. Aus einer Serie vieler guter muss ich vier herausheben: 
Der Weißburgunder Ried Altenburg 2022 von Franz & Christina Netzl. Christina Netzl gesteht: „Ich habe mich in die Sorte verliebt.“  Seit 2007 habe sie versucht, „etwas Hochwertiges damit zu machen“. Das ist mehr als gelungen. „Handlese in der Früh, alles spontan vergoren, im 500-l-Fass und einer 750-l-Amphore gereift“, erklärt sie die Vinifkation. Ein vielschichtiger Weißburgunder, nussig, mineralisch, feinfruchtig, ausgezeichnet. 
Der Chardonnay Ried Rosenberg 2020 von Gerhard Pimpel ist auf reinem Kiesboden gewachsen. „Rosenberg ist eigentlich Rotweinlage, aber es gibt da eine Ecke mit wenig Sonneneinstrahlung, gut geeignet für Chardonnay“, erklärt der Winzer. Gereift ist der Wein in gebrauchten Barriques, zweite und dritte Belegung. Die speziell für Weißwein hergestellten Fässer hat Pimpel aus Frankreich beschafft. Birne, Mango, Kräuter, Minerale, schöne Säure – der Wein hat viel zu bieten. Und noch ein langes Leben.  
Der Grüner Veltliner Dornenvogel 2021 von Walter Glatzer ist im Edelstahl gereift. Ein Wein wie ein Kerl, für einen Veltliner geradezu muskulös und mächtig. Macht großen Eindruck und zeigt, wozu ein Veltliner fähig sei kann. 
Göttlesbrunn Weiß 2019 heißt bescheiden die Cuvée Chardonnay + Weißburgunder + Veltliner vom Weingut Taferner. Reifes Obst, Orangen, Kräuter, schöne Schläfe und ganz geschschmeidig. Macht viel Freude.

Eine Carnuntum-Weißwein-Selektion

Noch mehr Weiße

Noch mehr? Aber klar. Da wäre noch der elegante Chardonnay Ried Schütterberg 2021 von Gerhard Markowitsch, zum Teil im Beton-Ei gereift. Ebenfalls ein feiner 21er Chardonnay und auch von der Ried Schütterberg  kommt vom Weingut Taferner. Obwohl gleiche Lage, gleicher Jahrgang – ein komplett anderer Wein. Ich wähnte, einen Chablis im Glas zum haben. Der Chardonnay Ried Kirchberg 2019 von Robert Payr hatte einen interessanten spröden Charme. Leichte Schärfe, reichlich Gerbstoffe, etwas für Liebhaber. Gespalten hat die kleine Verkostungsrunde der Grüner Veltliner Privat 2020 vom Weingut Böheim. Mit 14,5% Alkohol geradezu wuchtig. „Ein Wein fürs Lagerfeuer“, bemerkte jemand. Nur loderte gerade keins, dafür brannte die Sonne heftig. 

Dann wäre da noch … Frauenpower! Dazu demnächst hier mehr. 

Stichwort  Carnuntum   

Carnuntum – zwischen Wien und Bratislava gelegen – ist das zweitkleinste Anbaugebiet Österreichs. 832 Hektar Rebfläche werden bewirtschaftet. Es gibt 70 Weinbaubetriebe, 62 Prozent arbeiten nach biologischen Richtlinien. Eingerahmt wird Carnuntum im Norden von der Donau und den Ausläufern der Karpaten, im Südosten liegt das Pannonische Gebirge, im Südwesten das Leithagebirge. Die wellige Landschaft, viel Wald und die nahe Donau verleihen den Weinen so etwas wie eine „dunkle Frische“. Es ist das wärmstes Gebiet in Österreich. Es gibt 300 Windtage pro Jahr und wenig Regen. Die wichtigsten roten Rebsorten sind Zweigelt (28% Anbaufläche) und Blaufränkisch (11%), bei den weißen Sorten dominiert Veltliner (20%) vor den weißen Burgundersorten (11%). 

Alt und doch jung

Weinbau in dieser Region stand das erste Mal in voller Blüte, als im zweiten Jahrhundert n. Chr. das Verwaltungszentrum der römischen Provinz Ostpannonien die antike Stadt Carnuntum war.  Im 19. Jahrhundert war der Weinbau für die Region Carnuntum bedeutend. Bis 1850 waren alle Lagen bis ins benachbarte Burgenland mit Wein bepflanzt. Dann wurde am „Lagerberg“ ein kaiserlicher Truppenübungsplatz installiert, dem ein Großteil der Weinanlagen zum Opfer fiel. In den 1950er Jahren lag die Weinwirtschaft in Carnuntum darnieder. In den 1990er Jahren vollzog sich in der österreichischen Weinszene ein enormer Qualitäts- und Imagewandel, doch in Carnuntum blieb es noch eher ruhig. Erst 1993 wurde der Name Carnuntum dem heutigen Weinbaugebiet verliehen. Mit dem neuen Rotweinboom –  etwa ab dem Jahr 2000 – begann eine neue Ära. Seit 2019 hat Carnuntum DAC-Status. Seither gilt auch hier die klassische Qualitätspyramide Gebietsweine – Ortsweine – Riedenweine. 

Fotos: Robert Herbst (3), Uwe Köster (2), Helmreich (1)


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