Unlängst eine Weinprobe mit Freunden. Österreich rangiert bei mir weit vorn, zuletzt war ich von Raritäten begeistert. Diesmal stehen einige Flaschen Rubin Carnuntum auf dem Tisch. Als es mit dem Probieren losgeht fragt einer meiner durchaus Wein-ambitionierten Freunde: „Liegt Carnuntum in Italien?“ „Was trinken wir denn?“ Schließlich: „Rubin Carnuntum, was ist das eigentlich?“ Musste feststellen, dass es Wissenslücken gibt. 

Zweigelt in  Bestform 

Also Aufklärung: Carnuntum liegt in Österreich, südlich der Donau auf dem kurzen Stück zwischen Wien und Bratislava. Wir trinken Zweigelt. Wie sich herausstellen wird, Zweigelt in Bestform. Rubin Carnuntum ist ein Markenname, der Wein immer ein Zweigelt. Tja, und damit hat sich das Wissen auch schon erschöpft. Natürlich könnte man ein bisschen googeln, was es mit dem Rubin noch so auf sich hat. Eine bessere Idee ist jedoch, sich direkt vor Ort umzusehen. 

1992 beginnt alles 

Also auf ins Carnuntum, von Wien aus ist es nicht weit. Höflein (Betonung auf der zweiten Silbe!) ist einer der Hauptorte mit Gebiet. Dort können die Winzer Philipp Grassl und Peter Artner einiges zu Rubin Carnuntum erzählen.

Erfahre also, dass vor 31 Jahren alles begann. Rund 25 Vereinsmitglieder produzierten 1992 erstmalig „Rubin Carnuntum“. Die Idee: Wein, Herkunft und Identität in eine Flasche zu bringen. Ein Wein als Botschafter eines ganzen Gebietes. Für diesen Wein diskutierten die Produzenten Themen, die heute selbstverständlich scheinen, damals aber für viele revolutionär waren: Traubenausdünnung, Ernte bei maximaler Reife, Holzfasslagerung, einjährige Fassreife und vieles mehr. Ziel war ein Rotwein, der sich vom damals aktuellen Sortiment abheben sollte, den Fülle, Eleganz und hohe physiologische Reife auszeichnen sollten. Die leuchtende Farbe der Sorte führte zum Markennamen „Rubin“.
Die Vereinsmitglieder definierten einige zwingende Standards. Nur die gebietstypische Sorte Zweigelt darf verwendet werden (zwischenzeitlich war der Zusatz einer zweiten Sorte erlaubt). Voraussetzung ist das Erreichen eines Mindestmostgradationswertes von 18° Klosterneuburger Mostwaage (entspricht knapp 89 Oechsle) bzw. 12,5% Alkohol. Handlese ist erwünscht, aber keine Pflicht. Das wichtigste ist ein positives Urteil der Rubin-Jury, die jährlich tagt und alle für das Label Rubin Carnuntum eingereichten Weine verkostet. Die Verkostung ist blind, dann Daumen hoch oder Daumen runter. Alle Weine der Marke tragen das Heidentor – Symbol der geschichtsträchtigen Region – in der Kapsel. Der Verkauf ist erst ab August erlaubt. 

Die Winzerinnen und Winzer des Vereins Rubin Carnuntum vor dem Heidentor

„Zeigen, was hier los ist“

Heute sind es aktuell 37 Weingüter, die Rubin Carnuntum in ihrem Sortiment haben.  „Mit einer Flasche Wein wollen wir zeigen, was hier los ist“, sagt Grassl. „Er ist quasi die Klammer der Region.“ Die Stilistik des Weines hat sich über die Jahre verändert: Die Rubine bestehen aktuell ausschließlich aus Zweigelt und zeigen sich eleganter und weniger mächtig als in den Anfangsjahren.

Die Rede ist von Zweigelt auf hohem Niveau. Dank des speziellen Mikroklimas im Gebiet zwischen Leithagebirge und Donauauen werde er hier besonders charakterstark ausgeprägt, sagt der Winzer. Im einstigen römischen Legionslager Carnuntum hat er quasi seine natürlich Heimat. Denn es gilt: Herkunft schlägt Sorte. „Wir lehnen uns mehr zurück und lassen die Böden machen“, sagt denn auch Philipp Grassl. „Carnuntum verleiht dem Zweigelt Charakter und Charisma“, ergänzt Peter Artner.

Rebflächen bei Höflein

Reichlich Interpretationen

Aber sind die Rubin-Regeln nicht zu starke Fesseln für die Betriebe? Grassl schüttelt den Kopf. „Rubin Carnuntum ist stilistische Enge, die jeder Winzer interpretieren kann.“ Und Interpretationen gibt es reichliche, wie das anschließenden Tasting beweist.

Welches Potenzial haben die Rubine? „Als Faustregel gilt: Jahrgang plus drei Jahre“, sagt Philipp Grassl, „aber ich glaube an ein Potenzial bis zu 20 Jahre.“ Wie zum Beweis öffnet er einen Rubin Carnuntum aus dem Jahr 2005. Der Wein hat zwar eine orange-braunen Rand, strahlt eine gewisse Würde aus, bietet viel Genuss. 80 Prozent Zweigelt und 20 Prozent Merlot sind im Spiel, was damals noch erlaubt war. Jetzt soll es nur noch Zweigelt sein. „Und aktuell sind wir mit der Stilistik auch wieder da, wo wir mal begonnen haben.“ 

Auch nicht ganz unwichtig – der Preis: Die Rubin Carnuntum-Weine kosten zwischen 8 und 14 Euro, ich halte das für ein exzellentes Preis-Leistungsverhältnis.

Rubin Carnuntum – meine Favoriten

Habe beim Tasting daheim 10 und vor Ort 16 Rubin Carnuntum probiert. Es stimmt: Stilistisch ist eine Linie klar erkennbar, und doch waren die Weine sehr verschieden. Einen echten „Durchfaller“ gab es nicht (dann hätte wohl die Jury versagt), aber auch nicht einen klaren „Sieger“, der über allem schwebt. Es kommt also mal wieder auf den persönlichen  Geschmack an.  

Peter Artner (l.) und Philipp Grassl mit Rubin-Carnuntum-Weinen

Meine Top 12 (ohne Rang-und Reihenfolge, daher alphabetisch) 

  • 2020 Rubin Carnuntum Peter Artner – Ein kleiner Teil ist in neuen Barriques gereift; Waldbeeren und ein Hauch Würze, fett, saftig, kraftvoll.
  • 2020 Rubin Carnuntum Walter Glatzer –  Zweiwöchige Maischestandzeit, danach 12-monatiger Ausbau in gebrauchten Barriques; ausdrucksstark, würzig, stoffig, satt, reif.
  • 2019  Rubin Carnuntum Philipp Grassl – Maischestandzeit 16 bis 19 Tage, ein Jahr im 500-Liter-Fass;  strammer Körper, schöne Würze, schöne Kühle.
  • 2021 Rubin Carnuntum Familie Gratzer – Lag erst im  Stahltank, dann in gebrauchten Barriques; schwarze Johannisbeeren, weich, angenehm. 
  • 2019 Rubin Carnuntum Gerhard Pimpel –  Fruchtig nach Brombeeren und Himbeeren, dazu charmante  Würze,  rund, charmant und geschmeidig.
  • 2020 Rubin Carnuntum Josef Pimpel – 14 Tage Maische, dann 12 Monate in gebrauchten Barriques; kühle Aromatik, feinsaftig, zarte Schärfe, viel Spannung.
  • 2020 Rubin Carnuntum Johannes Pitnauer – 15 Monate teilweise im Stahltank, teilweise in gebrauchten Barriques;  pfeffrig, würzig, viel Saft, muskulös, opulent. 
  • 2021 Rubin Carnuntum Gerhard Markowitsch – spontane Maischegärung im Stahltank, dann Ausbau in Barriques und große Holzfässern; weich, saftig, Blaubeeren und Schoko.
  • 2020 Rubin Carnuntum Lukas Markowitsch – 10 Tage Maischegärung, dann Reife im großen Holzfass; vollmundig, Vanille, schwarze Beeren, Schwarzkirschen.
  • 2021 Rubin Carnuntum Franz und Christine Netzl – Ein Jahr im Barrique gereift; saftig, rote und schwarze Beeren, charmante Säure, pfeffrige Würze.
  • 2021 Rubin Carnuntum Robert Payr – 12 Monate gereift, teils im Stahltank, teils in kleinen Fässern; Weichselkirsche, Orangennoten, Tabak, eine gewisse interessante Härte.
  • 2021 Rubin Carnuntum Michaela Riedmüller – Im offenen Bottich vergoren, Ausbau teilweise im Stahltank sowie im 500 l Fass; rotbeerig, schlank , saftige Kirschfrucht, dezente Würzte.

Fotos: Anna Stöcher (3), Uwe Köster (1)


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