Bordeaux im Wandel – das mag man kaum glauben bei so viel Größe (108.000 Hektar) und so viel Tradition (die Klassifikation der Médoc-Châteaus von 1855 ist noch immer heiliges Gut). Aber der Klimawandel stellt auch die wohl berühmteste Weinregion der Welt vor Herausforderungen.  Und die sind nicht gering. Nicht gering sind auch die Anstrengungen und Ideen der Winzer. 

Viele Ideen 

Wer Bordeaux hört, denkt zuerst an die großen Namen: Mouton Rothschild, Margaux, Latour, Petrus etc. Aber Bordeaux ist natürlich viel, viel mehr. Es gibt etwa 5300 Winzer, 300 Négociants (Händler bzw. Handelshäuser) und 29 Genossenschaften, jährlich werden rund 4,7 Millionen Hektoliter Wein erzeugt. Jeder Betrieb sucht seinen Weg, um für die Zukunft gerüstet zu sein. 

Es gibt viele Ideen. Eine kleine Auswahl: Mancherorts werden Bäume um die Rebflächen gepflanzt, damit Merlot eine Zukunft hat. Denn Merlot, eine der Hauptrebsorten im Gebiet, mag keine Hitze. Oder es werden neue Sorten angepflanzt, die es gerne warm haben, Petit Verdot etwa, oder Malbec. Umweltfreundliche Methoden kommen zum Einsatz. Man sieht wieder Pferde auf Weingütern, auch Schafe. Beim Pflanzenschutz wird Orangenextrakt verwendet.  Voll im Trend ist natürlich auch die biologische Bewirtschaftung.  

Drei ungleiche Brüder

Habe in einer spannenden Verkostung mit Freunden Weine probiert, die exemplarisch für den Wandel im Bordeaux stehen. Mit l’Autre Mangot (St. Émilion) einen reinsortigen Cabernet Franc, ohne Schwefel, in Amphoren gereift und aus biologisch bewirtschafteten Parzellen. Dann der Saint Aubin (Médoc)  mit weniger bekannten, aber immer populärer werdenden Rebsorten in der Cuvée. Schließlich noch, quasi zum Vergleich,  ein ganz klassischer und gereifter Chateau Cissac (Haut Médoc). Die Weine waren sehr verschieden, ein besser oder schlechter gab es aber nicht. Zu einem Ranking wollte/konnte sich niemand durchringen.    

Château Saint-Aubin 2018, Médoc – der Bürgermeister 

Ganz klassische Flaschenform, auch das Etikett klassisch. Eine Cuvée aus 45% Merlot, 17% Carménère, 16% Petit Verdot, 8% Malbec, 7% Cabernet Sauvignon und 7% Cabernet Franc. Charles Fernandez de Castro, der das 18-Hektar-Weingut führt, setzt also auf einige im Bordeaux neue Rebsorten wie Malbec oder Carménère. Der Wein hat eine schöne tiefe Bordeauxfarbe. Im Protokoll ist notiert: Nase Eukalyptus, Cassis, dazu dunkle Beeren. Im Geschmack Brombeeren intensiv, Brombeer-Gestrüpp, rote reife Früchte, zarte Tannine, komplex, für Rotwein eine gewisse Kühle und Frische. Wir machen den Spaß und ordnen den Wein einem Personentyp zu. Hier landen wir schnell bei einem dynamischen Bürgermeister. 

L’Autre Mangot  2019, St. Émilion – der Kommissar 

Ein Hingucker ist die Flaschenform, ganz und gar ungewöhnlich für Bordeaux. Das Weingut ist seit zehn Jahren ein Bio-Betrieb. L’Autre Mangot ist ein reinsortiger Cabernet Franc, das findet man nicht so oft im Gebiet. Die Weinbereitung erfolgte ohne Zusatz von Schwefel. Acht Monate ist der Wein in Amphoren und Gläsern gereift. Wir entdecken in der Nase Pfeffer und süße Paprika. Im Stil eindeutig maskulin, fast staubig. Die  Aromen-Stichworte:  süße Chili, gegrillte geräucherte Paprika, Piment d’Espelette, Schokolade, Kakao, ein Stück angebranntes Steak; Entenfett. Die Damen in der Runde verglichen den Wein mit einem Kriminalkommissar in den besten Jahren. Der Name Commissario Brunetti fiel, aber der ist natürlich Italiener. 

Chateau Cissac 2011, Haut Médoc –  der Seniorchef

Marie Vialard führt mit dem Önologen Laurent Saint Pasteur das Familienweingut Château Cissac, dessen 65 Hektar Rebfläche an die Appellationen Saint-Estèphe und Pauillac grenzen. Cabernet Sauvignon macht den Hauptteil der Cuvée aus, Merlot und ein wenig Petit Verdot ergänzen es. Also ein klassischer Roter vom linken Gironde-Ufer. Ein fertiger Wein mit einer gut ausbalancierten Frucht von Kirschen und Pflaumen. Weitere  Aromen-Stichworte:  In Nase Vanille, weiche Tannine, Eukalyptus, rote Beeren, dunkle Früchte, gefriergetrockene Himbeeren, Rum-Traube-Nuss. Der Wein ist auch ein kleines Chamäleon, verändert sich im Minutentakt. Der Spaß mit dem Personentyp? Kurze Diskussion bei den Ladys, dann: Gestandene Persönlichkeit, Senior-Chef eines florierenden mittelständigen Unternehmens. 

War hochinteressant, drei so grundverschiedene Bordeaux kennenzulernen. Verwegener Gedanke beim Thema Bordeaux im Wandel: Verhilft der Klimawandel der Bordelaiser Weinbranche zu größerer Vielfalt, zu mehr Abwechslung, zu einem breiteren Spektrum der Stilistik? Wird das Bordeaux spannender? 


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