Gebe freimütig zu: Habe noch keinen alkoholfreien Wein getrunken, der mich richtig begeistert hat. Einige angenehm trinkbare gab es jedoch schon. Fakt ist: alkoholfreier Wein liegt im Trend. Die Nachfrage steigt, das Angebot steigt, die Verkaufszahlen steigen. Der Absatzzuwachs bei entalkoholisierten Weinen im Lebensmitteleinzelhandel belief sich 2022 auf etwa 18 Prozent. 
Mehr als genügend Gründe, sich mit alkoholfreiem Wein zu beschäftigen. 

Der Pionier Julian Zotz

Julian Zotz

Julian Zotz ist ein Winzer, der sich bei dem Thema bestens auskennt. Das Weingut Zotz in Heitersheim, Baden, gilt als Vorreiter beim Thema alkoholfreier Wein/Sekt. Schon 2012 hat man damit begonnen, da war das Thema kaum bekannt und schon gar nicht populär. Jetzt ist es ein Wachstumsmarkt. Sein alkoholfreier Rosé-Sekt (Pinot Noir+Merlot) gehört zu den besten alkoholfreien Tropfen, die ich bisher getrunken habe. Hut ab! 12.000 Flaschen produziert er jährlich davon. „Es sollte nicht das Ziel sein, normalen Sekt, also den mit Alkohol, zu kopieren. Vielmehr ist es ein eigenständiges Produkt“, sagt Julian Zotz. Sein alkoholfreier Grauburgunder erinnert in der Stilistik schon an einen Burgunder. Aber irgendwas fehlt halt doch. 

Neue Zielgruppen 

Bei dem Satz hakt Julian Zotz ein. Es sei ein Irrglaube, dass ein passionierter Weintrinker zu einem Fan alkoholfreier Weine wird, sagt er. Das sei auch gar nicht das Ziel. Vielmehr würden damit neue Zielgruppen angesprochen. Schwangere zum Beispiel oder Verbraucher, die aus gesundheitlichen Gründen auf Alkohol verzichten müssen. Die Generation „Z“, also der 26- bis 37-Jährigen, mit ihrem gestiegenen Gesundheitsbewusstsein und dem geänderten Konsumverhalten gehören auch zur möglichen Klientel. Oder gläubige Muslime, was ich im Bekanntenkreis bestätigen kann. Zusammengenommen sind das nicht wenige. Zotz‘ Grauburgunder – es war der erste Grauburgunder ohne Alkohol in Deutschland! – hat sich auch als Speisebegleiter bewährt. Nach dem Essen ohne Reue ins Auto? Ja, Autofahrer sind auch eine Zielgruppe.

Bier mit 40 Jahren Vorsprung 

„Außerdem“, gibt Zotz zu bedenken, „stehen wir mit der Entwicklung alkoholfreier Weine noch ziemlich am Anfang. Alkoholfreie Biere sind weitestgehend akzeptiert und haben oft eine verblüffende sensorische Ähnlichkeit zum traditionell erzeugten Bier. Aber die Bier-Industrie hat 40 Jahre Vorsprung.“ Im Vergleich zur Bierindustrie mit heute fast 700 alkoholfreien Biersorten allein in Deutschland, steht die Branche für alkoholfreie Weine  tatsächlich noch am Anfang. Es scheint also nur eine Frage der Zeit, bis Wein ohne Alkohol aus dem Schatten treten werden. 
Julian Zotz schenkt noch einen alkoholfreien Rosé vom badischen Weingut Löffler ein. Der kann es wirklich mit einem guten “echten“ Rosé wirklich aufnehmen. Wenn auch nur fast. 

Internationale Stars 

Auch international sind alkoholfreier Weine im Trend. Zwei Weine sind mir bisher durchaus positiv aufgefallen. 
Zum einen ein Chardonnay von der Bodega Cero (der Name ist Programm) in Kalifornien. Die Winery ist auf Alkoholfrei spezialisiert. Da erinnert schon ziemlich viel an Wein, war bei einer Hochzeit tatsächlich stark nachgefragt. 
Mehr aber noch der alkoholfreie Verdejo von der Bodegas Juan Gil mit dem originellen Markennamen Disfrutand0,0. Weine aus dem Hause Gil haben zu Tapas schon mal Freude bereitet, bei diesem Alkoholfreien ist das auch so. Da erinnert ziemlich viel an „echten“ Wein. Die 40 Gramm Restzucker pro Liter sind gut versteckt, die Säure ist charmant, an Weißwein-Aromen ist einiges zu finden. 

Klassiker im LEH

Stark präsent im Lebensmitteleinzelhandel (LEH), auch preiswert, sind alkoholfreie Weine von Michel Schneider. Der alkoholfreie GlühMichel der  Michel Schneider Weinkellerei aus Bad Bergzabern wurde schon getestet. Nun kommen alkoholfreie Stillweine dran. Probiert wurden die Weine mit einem überzeugten Anti-Alkoholiker, der nach jedem Glas sein Urteil fällte. 
Der sehr fruchtige Chardonnay war als Wein erkennbar. „Schmeckt klar anders als Traubensaft. In Gesellschaft oder zum Essen passt es.“ 
Der Cabernet erinnert an eher an trockenen Traubensaft oder Blaubeersaft, hat aber auch Weingeschmack mit  deutlicher Restsüße. „Wäre nicht meine erste Wahl. Wenn es sein muss oder zum Anstoßen, dann ja.“  
Der Riesling hatte es schwerer. Die Rebsorte war nicht erkennbar, ein Vergleich mit einem anderen Getränk  auch nicht möglich. „Überzeugt mich nicht zwingend. Getränk ja, Wein nein.“
Schließlich der Rosé. Eine gewisse Süße macht ihn gefällig, aber zu Wein ist es schon noch ein großer Schritt. Hatte was von einer Limonade. „Gut vorstellbar am Nachmittag auf der Terrasse. Aber da ist die Konkurrenz mit diversen Säften groß.“ Jemand hatte die Idee, den Rosé mit Gin anzureichern. Kam gut an! Konterkariert freilich die Idee eines alkoholfreien Getränks etwas.

Wie entsteht alkoholfreier Wein?

Alkoholfreier Wein wird auf verschiedene Weisen hergestellt. Das Ziel ist es, den Alkoholgehalt des Weins auf weniger als 0,5 % vol. Alkohol zu reduzieren, sodass er als alkoholfrei gilt. Wichtig zu wissen: Kaum ein Weingut kann sich das aufwändige Verfahren der Entalkoholisierung leisten. Das geschieht in so genannten Entalkoholisierungszentren. Einige der gängigen Methoden :

  • Vakuumdestillation: Eine der traditionellen und gebräuchlichsten Methoden zur Entalkoholisierung von Wein. Der Wein wird in einem Vakuumbehälter bei niedrigeren Temperaturen als dem Siedepunkt von Alkohol erhitzt. Dadurch verdampft der Alkohol, und der Dampf wird aufgefangen und gekühlt, um ihn wieder zu kondensieren und in flüssiger Form zu sammeln. Übrig bleibt alkoholfreier Wein.
  • Rotationsverdampfung: Diese Methode ähnelt der Vakuumdestillation, verwendet jedoch rotierende Verdampfer, um den Alkohol effizienter zu entfernen.
  • Umkehrosmose: Diese Methode basiert auf dem Prinzip der Filtration durch eine halbdurchlässige Membran. Der Wein wird durch eine Membran gepumpt, die Moleküle unterschiedlicher Größe trennen kann. Alkoholmoleküle sind kleiner als Wasser- und Geschmacksmoleküle, wodurch sie von der Membran entfernt werden. 
  • Membranfiltration: Hierbei wird der Wein durch eine spezielle Filtermembran geleitet, die Alkohol und andere flüchtige Verbindungen entfernt. Diese Methode kann bei niedrigeren Temperaturen durchgeführt werden und hilft, den Geschmack des Weins besser zu bewahren.
  • Umkehr-Dialyse: Bei diesem Verfahren wird der Wein durch eine Membran gepumpt, die speziell entwickelte Harze enthält. Diese Harze binden selektiv Alkoholmoleküle, während andere Bestandteile des Weins durch die Membran hindurchgehen.
  • Schleuderkegelkolonne: Ein sehr modernes, aber auch sehr teures Verfahren ist die Entalkoholisierung mittels Spinning Cone Column (Schleuderkegelkolonne).  Ein australisches Verfahren, welches ebenfalls in einem Vakuum arbeitet. Völlig vom Wein getrennt werden dabei nicht nur der Alkohol, sondern auch die Aromastoffe. Um den weinähnlichen Geschmack zu erhalten, fügt man die Aroma-Fraktion in einem weiteren Schritt wieder hinzu. So wird ein zu hundert Prozent alkoholfreier Wein hergestellt.

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