Weine vom Balkan scheinen hierzulande noch etwas unter dem Radar. Zumindest Qualitätsweine. Habe darüber mit einer lieben Kollegin (sie stammt aus Mazedonien, jetzt Nordmazedonien) gesprochen. Sie könne da helfen, meinte sie – und  brachte vom nächsten Besuch in der Heimat drei Flaschen mit. Danke Elena!
Es ist Wein aus Mazedonien, der so gar nichts mit  Kadarka oder mazedonischem Rotwein der 1,99-Euro-Kategorie aus dem unteren Regal der Supermärkte zu tun hat. Es sind drei Weine der klassischen Balkan-Rebsorte Vranec (Vranac), von drei Produzenten und in drei Alterungsstufen. Es gab eine klaren Sieger.

Vom Größten viel Frucht

Start mit dem Zungenbrecher-Wein T’ga za Jug 2018 von Tikveš. Die Winery Tikveš  hat viel Tradition (seit 1885) und noch mehr Größe.  Die jährliche Weinproduktion beträgt mehr als 14 Millionen Liter. Es ist das größte Weingut auf dem Balkan (was noch zu prüfen wäre) und wohl auch das älteste. Der T’ga za Jug ist halbtrocken, die Restsüße stört nicht sehr. Extreme Frucht! Süßkirschen, Sauerkirschen, rote Beeren, Rosinen, eine wahrer Früchtekorb im Glas. Der Alkohol (13 Prozent) ist kaum spürbar, für Rotweine vom Balkan wirkt er fast wie ein Leichtgewicht.  Meine Begeisterung hält sich in Grenzen, aber er hat Anhänger: Frauen in der Runde heben den Daumen.

Sieger einer Blindprobe

Zweiter Wein ist Dissan 2016 von Bovin. Ein im Barrique (6 Monate, mazedonische Eiche) ausgebauter Vranec. Ganz anderes Level als der  T’ga za Jug. Das Holz ist  genau so wenig spürbar wie die satten 14,5 Prozent Alkohol, beides gekonnt eingebunden. Ein schöner, runder Wein, in der Nase Beerennoten und reife Kirschen. Am Gaumen zunächst Säure, die sich bald verflüchtigt. Dann kommt konzentrierte rote Beerenfrucht, Würze, kaum Tannin. Aber Vanille! Der Dissan macht Eindruck. Platz eins in einer kleinen Blindprobe gegen einen deutschen  Spätburgunder, einen Primitivo aus Apulien und einen Bordeaux Superior. Ob der Mazedonier ohne Blindprobe auch gewonnen hätte? Die erstaunten Gesichter bei der „Enthüllung“ zeigen, dass es da doch offenbar einige Klischees gibt. Das Weingut Bovin (60 Hektar Rebfläche) ist die erste privat geführte Weinkellerei Mazedoniens, gegründet 1998. 

Alter macht Probleme 

Schließlich noch Markov Manastir 2011 von Skovin.  Dieser Vranec hat schon Alter, und das schmeckt man auch. Die Nase verspricht zunächst einiges, im Geschmack wird das Versprechen nicht ganz gehalten. Trotzdem schön trocken, vielleicht etwas staubig.  Klebstoff-Aromen stören. Klarer Fall, der Wein braucht dringend Luft!  Die lassen wir ihm. Am Tag darauf ist er in deutlich besserer Verfassung, kein Klebstoff mehr, dafür ziemlich schlank und schnell ausgetrunken. Zehn Jahre sind für einen nicht im Holz ausgebauten Vranec vielleicht doch zu viel.  Skovin, 1979 gegründet,  ist auch ein großes Weingut, 150 Hektar Rebfläche und 17 Millionen Liter Wein Jahresproduktion. 

Geheimtipp Mazedonien? 

Fazit: Der Dissan 2016 von Bovin hat überzeugt und ist klarer Sieger des Mini-Pakets Wein aus Mazedonien. Ich erinnere mich an einen Besuch in Skopje im Jahr 2008. Die meisten der damals probierten Weine haben wenig Eindruck gemacht (Ausnahme ein richtig feiner Vranec Barrique 2004 der Popov Winery),  da hatte keiner das Dissan-Niveau. „Wir sind erst am Anfang“, sagte damals die sehr engagierte und kenntnisreiche Besitzerin einer Weinbar. Sie meinte Qualitätsweine, denn  Massenproduktion hat Tradition. Früher wurden zwei Drittel der gesamten Weinproduktion Jugoslawiens in Mazedonien erzeugt. Es geht also klar voran mit eigenständigen, charaktervollen Weinen. Die Erfahrung gibt es ja auch schon mit Wein aus Montenegro. Wein aus Mazedonien wird vielleicht mal ein Geheimtipp – oder ist er das schon? Bin gespannt auf die nächsten Erfahrungen.


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