Josef Umathum, Jahrgang 1960, gehört zu den bekanntesten Winzern Österreichs. Das Weingut wird komplett biodynamisch bewirtschaftet. Beim Besuch in Frauenkirchen war Gelegenheit zu einem interessanten Gespräch mit dem Winzer.
Wie war Ihre erste Begegnung mit Wein?
Das ist eine sehr lustige Geschichte. Ich war vielleicht fünf oder sechs Jahre alt und bin mit dem Großvater mitgegangen in den Weingarten. Und damals war die Kinderbetreuung so, dass wir aufs Feld mitgehen mussten. Da haben wir gespielt, und in der Mittagspause hatten wir unter dem Nussbaum, der bei jedem Weingarten war, Rast gemacht. Und mein Großvater hatte da seine zwei Liter Flasche Wein in einem Erdloch stehen, schön gekühlt, und nach der Mittagsjause hat er ein oder zwei Gläschen genommen und hat sich dann kurz hingelegt zum Schlafen. Und irgendwann habe ich mir mal gedacht: Was ist das Besondere, was der da immer trinkt? Und wie er geschlafen hat, habe ich dann daraus gekostet. Und es ist eigentlich ein Wunder, dass ich Winzer geworden bin. Denn das war nicht so toll, war ziemlich sauer. Knochentrockener Wein… Das war mein erstes Erlebnis.
Jetzt haben Sie quasi Ihr Leben lang sich mit Weinen beschäftigt. Was ist das Besondere an dem Getränk?
Also eher die Art, wie man zu diesem Getränk kommt, das reizt mich. Das heißt, wir haben erstens einen gewissen Rhythmus, der vorgegeben wird von der Natur. Das ist der Jahresverlauf, das ist das Wetter. Das wiederholt sich in einer Art und Weise immer, aber es ist trotzdem immer anders. Das zweite ist, dass man aus Nichts oder aus Erde etwas schafft, etwas, was aus der Tiefe kommt und das dann irgendwie ins Geistige steigt. Das ist das Faszinierende, dieses Spannungsfeld, aus dem Dunkeln ins Licht zu kommen.
Philosophisch fast… Sie sind seit 1985 im Geschäft. Wie hat sich die Warenwelt seither verändert?
Man kann fast sagen, es ist kein Stein auf dem anderen geblieben. Zum Glück macht man immer noch aus Weintrauben Wein. Aber auch da wird schon fest gekratzt daran. Das finde ich irgendwie bedenklich und beschämend. Trotzdem hat nach wie vor gutes fachliches Handwerk seine Berechtigung und seinen Wert für viele Menschen. Sehr verändert hat sich auch die Struktur der Betriebe. Wir hatten damals viele kleine Betriebe, die mit mehr oder weniger Wissen ans Werk gegangen sind. Heute sieht man eine Konzentrierung der Betriebe. Man sieht wissenschaftliche Teilnahme, man sieht Industrialisierung auch sehr stark. Kommerz kommt im ganzen Bereich und im Wesentlichen zusammengefasst. Im Großen und Ganzen hat sich das – das gilt aber nicht für unsere Betriebe – verlagert vom Weingarten in Richtung Marketing. War früher die Erde, der Weingarten das Wichtigste, ist heute bei vielen Betrieben das Marketing das Wichtigste. Das ist kennzeichnend.
Aktuell ist Klimawandel das große Thema. Wie seid ihr betroffen und wie reagiert ihr?
Wir sehen die großen Veränderungen seit den letzten 20, 30 Jahren schon. Jetzt fällt es auch dem Laien auf, dass die Sommer heißer werden und dass es in der Wohnung nicht mehr abkühlt. Ich habe einen Vergleich: 1980 hatten wir mit der Ernte mit Müller-Thurgau am 12. Oktober begonnen Heute ist es eine Sorte, die wir gar nicht mehr anbauen, und wir beginnen in der Regel Ende August/Anfang September mit der Ernte. Das heißt, innerhalb von zehn Jahren hat sich der Lesezeit um etwa eine gute Woche nach vorne verschoben. Alle zehn Jahre, das ist ist kennzeichnend. Wir kriegen sehr reife Trauben, was an sich ja gut ist. Die Trauben haben aber in der Regel etwas mehr Zucker als wie wir uns wünschen. Das heißt, wir kriegen aus mehr Zucker auch mehr Alkohol. Wir haben immer weniger Säure in den Weinen. Das heißt, insgesamt neigen die Weine zu mehr Plumpheit und zu mehr Üppigkeit. Wir haben komplett andere bakteriologische Bedingungen im Keller, weil wir die Trauben warm herein kriegen und mit weniger Säure, das führt sofort zu Schimmelbildung. Man muss wesentlich vorsichtiger sein und schneller sein. Man braucht gute Kühlsysteme. Also alle diese Dinge sind bemerkbar. Und wir versuchen da, Schritt für Schritt Maßnahmen zu ergreifen, um gegenzusteuern.
Welche Trends wird es in den nächsten 10, 20 Jahren noch geben? Glauben Sie, dass die Konzentration der Betriebe zunehmen? Was leuchtet am Horizont?
Die aktuelle Covid-Krise hat natürlich die Würfel neu verteilt. Es gibt neue Spielregeln. Der Internet-Shop wird wichtiger. Das heißt, das Konsumentenverhalten ändert sich und wir sehen, dass die Leute beim Supermarkt mehr einkaufen oder im Internet mehr einkaufen. Das heißt, der klassische Ab Hof-Verkauf wird zwar immer weiter bestehen, wird es aber schwieriger haben, sich durchzusetzen. Jemand, der keinen Webshop hat, wird es auch schwieriger haben. Betriebe, die zu klein sind und zu schlecht organisiert sind und vor allem die auf wirtschaftlich nicht stabilen Beinen stehen, werden unter großen Druck geraten. Ich denke, wir werden weiterhin einen Konzentrationsprozess sehen. Wir werden weiter sehen, dass Marketing noch wichtiger wird. Und der Markt wird sich teilen: In noch mehr in kommerzielle Massenware und in hochwertige, handverlesene Produkte.
Genau das hat Reinhard Löwenstein auch gesagt…
Das erleben wir weltweit. Du musst dich als Betriebe entscheiden so oder so. Man kann nicht alle Richtungen machen. Man muss ganz klar sein Profil schärfen. Das ist das Wichtigste.
Sie arbeiten biodynamisch, können Sie in kurzen Stichpunkten erklären, was das konkret ist, welche Maßnahmen dazugehören?
Das umfasst mehr, Biodynamie ist eine Philosophie. Das Wort kommt ursprünglich daher, dass man biologisch arbeitet, also keine systemischen Fungizide einsetzt, keine Herbizide einsetzt, keine Insektizide einsetzt. Und man folgt dem dynamischen Rhythmus der Natur, daher biodynamisch. Diese Art der Landwirtschaft kam von Rudolf Steiner, einem österreichischen Philosophen oder Anthroposophen, der auch die Waldorfschulen so entwickelt hat und Weleda gegründet hat. Der hat sein Wissen viel von Goethe hergenommen. Und Goethe, das wissen wir, hat viel von den griechischen Philosophen genommen, und das geht weiter zurück nach Mesopotamien… Das heißt, die Biodynamie ist in den Grundsätzen eine Art der historischen Landwirtschaft, die eng mit der Natur und mit dem Rhythmus der Natur verbunden ist. Es geht einerseits darum, dass man sich mit dem Standort, mit der Geschichte und mit der Umgebung, wo man arbeitet, verbindet. Das ist der Boden in dem Fall. Das ist das Wichtigste, dass man dort Wurzeln schlägt und dass man diese Früchte, die dort gedeihen, eben so ausbaut, dass man sich dann vom Materiellen trennt in die Richtung des Geistig-seelischem.
Klingst nach großer Philosophie…
Das ist eigentlich das Spannungsfeld von der Erde zum Kosmos. Da ist wie der Wein eigentlich genau das Sinnbild dafür. Weil wir eine Pflanze haben, die tiefe Wurzeln schlägt wie die Weinrebe. Und wenn man zu viel vom Wein trinkt, dann eben auch in andere Sphären kommt.
Wenn man die richtige Menge trinkt, ist man in der richtigen Sphäre.. Die Mondphasen sind für Sie auch sehr wichtig?
Das spielt da mit rein, wir haben diese Schwingungen, wir haben jeden Monat zunehmenden Mond, das heißt expansive Kräfte; bei abnehmendem Mond konzentrative Kräfte. Die Natur spielt das jeden Tag: am Morgen ausatmen, am Abend einatmen. Oder wenn wir den Jahresrhythmus sehen, haben wir im Frühling Wachstum und im Herbst Konzentration. Und man folgt diesem Rhythmus, daher das dynamische. Ähnlich wie mit einem Boot, das der Strömung folgt. Man muss halt aufpassen, dass man nicht in einen Strudel gerät. Wenn wir eine Zeit wie jetzt erleben, wo alles in Ungleichgewicht und Chaos gerät… Was ist wichtig? Ruhe bewahren!
Wenn Sie abends fertig sind und nach Hause kommen, was öffnen Sie da?
Das kommt auf die Temperatur, auf die Stimmung und auf das Abendessen an. Ich habe das Glück einer große Auswahl, habe einige tausend Flaschen in meinem privaten Keller. Ich probiere einerseits die eigenen Weine immer wieder, aber jetzt nicht flaschenweise, sondern Schluck für Schluck. Ich beobachte diese geöffnete Flasche über Tage, immer um zu schauen, wie sich der Wein entwickelt, wie er hält. Ich probiere gerne Weine von Kollegen entlang der Donau oder aus der Steiermark. International bin ich eher im Burgund zu Hause und im Rhone-Tal. Ich möchte im Sommer immer eher trockene Weine, frisch und lebendig. Und im Herbst/Winter komme ich eher zu Rotweinen. Und ich trinke sehr gerne gereifte Weine, die Weine können durchaus auch 20, 30 Jahre oder älter sein.
Und wenn es mal ein ganz besonderer Anlass ist?
Da geht es mir so wie vielen anderen, die große Keller haben. Da ist die Auswahl so groß, dass die Auswahl schwerfällt, und man greift dann halt irgendwo hin, wo man sich denkt, ja, das ist es. Für die kommenden Feiertage habe ich dann schon einige Weine im Sinn.
Eher Österreich, eigene Weine, oder ein spezieller Burgunder?
Ja, genau. Wir machen dann immer 4, 5 Flaschen auf, trinken die nicht aus, aber so geht es da quer durch.
Sie setzen voll auf Glasverschluss. Warum nicht Kork, warum nicht Schraub?
Wir liefern in mehr als 20 Länder. Ab 2003 sind die Glasverschlüsse auf den Markt gekommen. Zu dieser Zeit war es so, dass Schraubverschluss keine hohe Akzeptanz hatte. Vielleicht muss man dort beginnen: Es gab immer wieder Probleme mit Kork. Von zehn Flaschen Wein, die ich geöffnet habe, waren zwei bis drei vielleicht nicht so, wie ich sie mir gewünscht hätte, wenn man den Wein kennt. Wir waren wirklich unglücklich damit und mit dem Schraubverschluss, das war für mich keine Alternative, weil eben die Akzeptanz und die Wertigkeit nicht gegeben war. Technisch ist es ein guter Verschluss, keine Frage, aber eben keine hohe Akzeptanz. Und der Glasverschluss hat mir von Beginn an gefallen, weil er beides verbindet. Wir haben einerseits ein technisch super Produkt, der Wein ist wie versiegelt. Jede Flasche gleicht der anderen. Und trotzdem hat man in der Hand etwas Hochwertiges. Glas und Wein lässt sich gut verbinden und darum haben wir sehr stark auf das gesetzt. Wir waren der erste Betrieb weltweit, der Rotwein mit Glas verschlossen hat. Heute hat sich der Verschluss zwar nicht in der Breite durchgesetzt, aber er hat eine gewisse Exklusivität, man kann auch damit punkten.
Mit wem würden Sie gern mal ein Glas Wein trinken
Das ist eine schwierige Frage, das habe ich mir noch nie überlegt. Am liebsten eigentlich mit meiner Frau!
Die letzte Frage stelle ich jedem Winzer: Gibt es den perfekten Wein?
Es gibt nicht den perfekten Wein, weil es nicht den perfekten Verkoster gibt. Das hängt zusammen. Und wir sind als Menschen Individuen mit allen Vor- und Nachteilen und wir können eben das Perfekte nur am nicht-Perfekten erkennen. Man strebt immer danach und ich denke, es gibt viele Schritte, um zu einem perfekten Wein zu kommen. Man hat diese Vorstellung, aber wir werden es nie erreichen. Vielleicht noch ein Satz dazu, um einen Vergleich zu bringen: Also, mir gefällt die Bäuerin am Misthaufen als Schönheitskönigin besser als das Model am Laufsteg.
Foto: Weingut Umathum
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