Revoluzzer-Image, Bilderbuch-Steillagen, grandiose Rieslinge und eine Auslese, nach deren Genuss eine Kollegin vor dem Winzer einen Kniefall gemacht hat: Gründe genug für einen Besuch bei Reinhard Löwenstein im Weingut Heymann-Löwenstein in Winningen  an der Mosel. Einem Winzer, dem viele Etikette anhängen. Eine Zeitschrift schrieb ‚Rebell im Weinberg’, eine andere ,Magier von der Mosel‘. Noch mehr Gründe für eine Visite vor Ort, zumal mich die Rieslinge von Heymann-Löwenstein schon bei mehreren Gelegenheiten beeindruckt haben. 

Kubus mit der „Ode an den Wein“

Das Weingut selbst ist ein Hingucker. Neben der 1888 erbauten und von Reinhard Löwenstein und seiner Frau Cornelia Anfang der 1980-er Jahre erworbenen Villa in der Winninger Bahnhofstraße sticht der 2012 fertiggestellte Anbau ins Auge: Ein 9×9 Meter breiter und 8,10 Meter hoher Kubus, „umarmt“ von einer aus Edelstahl gefertigten Kalligraphie. Es ist die 1954 von Pablo Neruda verfasste Ode an den Wein. Der chilenische Nobelpreisträger ist Reinhard Löwensteins Lieblingsdichter. Der Kubus ist ein Teil des Anbaus. In dem neuen Trakt befinden sich die Presse, Flaschenlager und ein Sortierband. Neu ist auch die Vinothek mit lässigen Sitzgruppen und einem Degustationsraum.

Weingut Heymann-Löwenstein: Der Kubus mit Nerudas Ode an den Wein, daneben die Villa. Foto: T. Vollmer

Durch den Keller fließt die Mosel

Dann der Keller, der gehört zum alten Teil des Komplexes. Tolles Gewölbe, fensterlose Giebel, gemauerter Rundbogen. Es gibt einen Wasserlauf! Tatsächlich fließt die Mosel (kleiner Abzweig natürlich) durch Löwensteins Keller. Schließlich ragt eine  überdimensionierte Panflöte aus dem Gewölbe in den Garten und wird vom Wind bespielt. „Durch den Wind, der im Garten über die Röhren streift, wird im Keller ein Ton generiert, eine Tonfolge, die den Wein mit dieser Energie beseelen soll“, erklärt Reinhard Löwenstein.
Gärbehälter aus Edelstahl stehen auch da, doch Holzfässer dominieren.  Das Holz der Fässer stammt aus der Region, konkret aus Wäldern der nahegelegenen Burg Eltz. „Wichtig ist, dass das Fass von gleicher Erde wie der Wein ist“, sagt der Winzer.
Ein durchaus beeindruckendes Archiv gibt es auch. Dort liegen Flaschen, die sehen aus, als lägen sie schon 100 Jahre und länger dort. Liegen sie aber nicht. „Die sehen nach 5 Jahren aus wie nach 100 Jahren.“ Das Klima im Keller ist ein besonderes. 

Im Keller. Foto: M. Köster

Nur wilde Hefen

Alles andere als Standard ist auch die Vinifikation. In Stichworten: Lange Mazeration der Maische, schonendes Pressen, kein Zusatz von Reinzuchthefen, die Vergärung nur mit wilden Hefen, Verzicht auf jegliche Schönungen. Dann lange Holzfassreife auf der Hefe bis spät in den Sommer – bei manchen Weinen sogar bis Ostern des Folgejahres. Credo Reinhard Löwensteins: „Jeder Wein soll seinen eigenen Charakter bilden und das Terroir im Geschmack des Weins reflektiert werden.“  

Steil, steiler, am steilsten

Heymann-Löwenstein (14,5 Hektar Rebfläche) bewirtschaftet mehrere Steillagen, die meisten sind als „VdP.Grosse Lage“ klassifiziert. In Hatzenport wird der Kirchberg und der Stolzenberg bewirtschaftet. Flußaufwärts liegt der Winninger Uhlen, untergliedert in den drei Subappellationen Blaufüßer Lay, Laubach und Roth Lay. Schließlich erstrecken sich gegenüber dem Dorf Lay die steilen Terrassen der Lage Röttgen. 98 Prozent  des Anbaus ist Riesling. Im Weinberg  verzichten die Löwensteins komplett auf Mineraldünger, es verkompostierte Trester kommen zum Einsatz. Handlese der Trauben versteht sich von selbst bei den Steillagen.   

Die Steillage Uhlen Laubach. Foto: Heymann-Löwenstein

Rebell, Magier, oder?

Stimmen zu Reinhard Löwenstein.  „Deutschlands womöglich bester Winzer“ (Manager Magazin).  „Rebell unter Deutschlands Ausnahmewinzern“ (Impulse). „Vorreiter der Bewegung gegen die Massenproduktion“ (Galore). „Mit Abstand führender Erzeuger trockener Rieslinge an der Mosel“ (Fischer Weinlexikon). „Unumstrittene Nummer eins an der Terrassenmosel“ (Feinschmecker).  Was denn nun?
Für mich ist Reinhard Löwenstein ein großartiger Winzer, der mit Leidenschaft, Mut und aller Konsequenz versucht, Terroir ins Glas zu bringen.

Reinhard Löwenstein in bester Stimmung. Foto: M. Köster

Kulturelle Irrungen

Im Gespräch mit Reinhard Löwenstein wird freilich  klar, dass eine Schublade nicht reicht.
Warum keine Analysen? „Die kosten viel Geld und liefern komplett unterschiedliche Resultate.“
Trockenheit? „Bewässerung ist Manipulation, die ich nicht akzeptiere.“
Was ist mit den den restsüßen Kabinetten, die den Ruf der Moselweine begründeten? „Kulturelle Irrung der Nachkriegszeit, einer Tradition der 60er, 70-er Jahre. Vor 100 Jahren waren alle Weine trocken.“ Nachsatz: „Aber es ist egal ob süß oder trocken, wichtig ist guter Wein.“
Industriewein  ist für ihn „Plastic World“ und Kork hat ausgedient. „Du öffnest zehn Flaschen und hat zehn verschiedene Weine.“ Ach ja, der Klimawandel? „Klimawandel ist für die Mosel positiv.“
Den klassischen Bioanbau nennt er „Schnee von gestern“. Auf seinen Etiketten steht „Fair and Green“, für Löwenstein eine Weiterentwicklung der Ökobewegung. „Fair and Green als Nachhaltigkeitslabel versucht, das gesamte System eines Weinguts sinnvoll abzubilden. Mit Kriterien, wo man an den Stellschrauben ökologischer, sozialer, auch nachhaltig rentabler wirtschaften kann“, erklärt er.

Nun die Weine

Wir verkosteten schwerpunktmäßig den Jahrgang 2017, dann eine Vertikale den Uhlen Laubach.
Eine Art „Einsteiger“ ist der Schieferterrassen 2017.  Mit der schönen Balance zwischen Mineralität und Frucht  ist er schon mal ein großer Genuss und ein grandioser Start.
Doch zu richtiger Größe läuft das Lagenprogramm auf. Auf dem Tisch liegen Gesteinsproben – alles Schiefer natürlich – von den unterschiedlichen Lagen. Tatsächlich sind die Unterschiede im Glas spürbar, schwenkbar, einfach markant. Generell zeigen die Weine eine herausragende Klarheit und Brillanz.

Die Weine. Foto: M. Köster

Notizen

2017 Stolzenberg kommt extrem mineralisch, wirkt knochentrocken. Obwohl gleiche Vinifikation, wirkt der Schieferterrassen leichter zugänglich.
2017 Winninger Röttgen ist topp balanciert. Smarte Minerale, dahinter gelbfruchtige Töne sowie Noten von Zitrus und grünem Apfel. Die Säure ist präsent, gleichzeitig zarter Schmelz. Großartig!
2017 Uhlen Blaufüsser Lay  hat in punkto Mineralität noch mehr zu bieten, ist voluminös, große Klasse! Zitrus- und Apfelnoten sind notiert,  Mirabelle? Der Schmelz überaus verführerisch. Olala!
2017 Uhlen Laubach geht als Terroir-Botschafter durch. Der dazugehörigen Schiefer-Gestein enthält Fossilien. Man meint, diese erdigen, steinigen Töne im Mund zu haben – Psychologie? Fakt ist: Ein sauberer, klarer, eleganter, feiner, schöner Wein mit ganz feinen Säure. Schönes Aromen-entdeck-Spiel: Äpfel, Mirabelle, Pfirsich, Aprikose und so weiter.
2016 Uhlen Laubach ist ein Jahr älter. 2016 war ein warmes Jahr , was der Säure nicht geholfen hat. Auch ein schöner Wein, aber weniger charismatisch als der 2017er.
2015 Uhlen Laubach hat schon eine richtig schöne Reife, auch einen phenolischen Ton. Was ein Jahr ausmacht! Gigantischer Unterschied zu 2016, Frucht und Mineralität in toller Harmonie. Großer Wein.
2014 Uhlen Laubach wirkt im ersten Eindruck überraschend streng. Auffällig die Mineralität, ansonsten einige Fragezeichen. Fällt in der Vertikale ab.
2013 Uhlen Laubach ist da von ganz anderem Kaliber. Ein grandioser Wein, reif, dicht, intensiv, erwachsen. Buttrig. „Fräst eine Spur ins Aromengedächtnis“ hat jemand dazu gesagt. Grandios. 

Ein Zwischenruf

Zwischenruf Reinhard Löwenstein: „Für mich schmecken die Weine nicht nach Riesling, sondern nach Laubach.“
Weiter geht’s.  2011 Uhlen Laubach hat es gegenüber dem großartigen 2013-er schwer, macht zunächst wenig Eindruck.  Der Wein weist keine Alterung auf. Die Säure ist jedoch kaum spürbar, Aromen eher hintergründig.
2009 Auslese Uhlen L. Restsüße Variante (rund 150 g Restzucker, 9 g Säure). Eigentlich unbeschreiblich, überirdisch. Einfach nur genießen. Mehr geht nicht.
Finale schließlich mit einem 2016-er Pinot Noir Schieferterrassen, ein Projekt von Löwensteins Tochter Sara.  Im französischen Stil, es gibt nur 1000 Flaschen Rotwein. Sicher ambitioniert, passabel – aber nach der Himmelfahrt mit dem 2009er Uhlen Laubach ist kein faires Urteil mehr möglich. 

Die Winzerfamilie: Cornelia, Sara und Reinhard Löwenstein. Foto: A. Durst


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