Axel Probst, geboren im großartigen Portwein-Jahr 1970, ist Mister Portwein. Der frühere Bundeswehr-Offizier veranstaltet in Leverkusen eine Portweinmesse, die in dieser Form weltweit einmalig ist. Slogan der Portweinmesse 2019, bei der 50 Produzenten 130 Weine vorstellten: Wer nicht kommt, mag keinen Port.   

Warum Portweinmesse, wie sind Sie auf die Idee gekommen?
Letztendlich habe ich gedacht, so eine Messe muss es irgendwie mal geben. Dann habe ich mir gedacht: Wie willst du die haben? Und dann bin ich als Weinbegeisterter bzw. Portweinbegeisterter da rangegangen und habe gesagt: Wie muss so eine Messe aussehen? Was brauche ich für Räumlichkeiten und wie will ich das generell organisieren? Ich will eine Messe machen, wo nicht nur die Leute Spaß haben, da hinzugehen, sondern auch die Produzenten Spaß haben. Und da sind ja echt viele unterwegs. 

Warum Leverkusen?
Okay, Leverkusen ist jetzt nicht gerade der Nabel der Welt. Aber dieses Kasino dort ist wirklich eine geile Location für so eine Messe. Wo du unten essen kannst, hier die Messe hast und oben schläfst. Ich finde auch das Gebäude großartig. Ich habe dann gesagt, das soll keine Freak-Messe sein, sondern eine Messe, die die Leute gut in die Portweinwelt einführt. Dann musst du halt ein paar Stellgrößen haben, das heißt, ich brauchte ein anständiges Wasser, ich brauchte ein anständiges Glas, ich brauchte eine anständige Location. Ich denke mal mit Selters und Shot und dem Kasino, das passte irgendwie alles zusammen.

Jetzt stand der 2017er im Focus, was ist Ihr Urteil?
Ein Riesen-Jahrgang! So jung ist es immer schwierig für jemanden, der nicht so wirklich in dieser Materie drin ist, das so direkt zu beurteilen. Aber ich habe ja eigentlich fast alle 15er, 16er, 17er getrunken, auch die 11er. Der 2011er ist für mich der noch größere Jahrgang. 15, 16, 17 sind auch riesengroße Jahrgänge. Wenn ich die drei Jahrgänge mal miteinander vergleiche, ist meine qualitative Reihenfolge quer durch alle Produzenten hindurch eigentlich 17, 15, 16.

Die Häufung der deklarierten Jahrgänge ist doch ungewöhnlich, oder?
Ich finde es positiv. Letztendlich ist es so. Durch das gestiegene Wissen der Hersteller, was die im Weinberg machen und was die im Keller machen, sind die in der Lage, bei nicht 100 Prozent optimalen Erntebedingungen noch was Gutes rauszuholen. Das war eben früher nicht der Fall. Wenn es früher gut war, war es normalerweise wahnsinnig gut, also so wie 1927. Aber was gab es davor? Da gab es 1920 und 1922, dann eben 1927 und danach erst wieder 1931 ein bisschen.

Besteht nicht die Gefahr, dass das auch ein bisschen das Besondere, Exklusive verwischt?
Ja und nein. Ja, weil es das Exklusive halt nicht mehr hat. Nein, weil wir in so einer schnelllebigen Weinwelt leben, wo die Leute einfach Portwein im Fokus haben müssen. Die müssen daran erinnert werden, dass es auch Portwein gibt. Und für so einen Typen wie mich ist so eine Durststrecke, wie wir sie zwischen 2007 und 2011 hatten, nicht gut. Denn die Leute verlieren das sofort wieder aus dem Fokus. Deswegen ist es für mich auf jeden Fall gut, weil die dann schon schnallen: Ah, das passt schon. Wenn du Qualität in die Flasche füllen kannst, dann mach es. Die lassen sich halt sonst das Geschäft entgehen, wenn du einen Neugeborenen hast oder ein Hochzeitsjubiläum oder whatever. Die haben halt diesen Jahrgang. Du willst halt nicht den Jahrgang davor oder dahinter, du willst genau diesen Jahrgang haben. Und wenn du dann wie zum Beispiel 2013 oder 2014 eine reduzierte Menge machst und die Qualität in die Flasche bringst, warum denn nicht? 

Das läuft doch überall so, oder?
Klar, jeder in der Weinwelt macht das. Wenn du einen Bordeaux 2013 siehst, der ist jetzt auch nicht großartig. Die verlangen zum Teil aber auch 300 bis 400 Euro dafür von den großen Gewächsen. Da denke ich mir, warum soll die Portwein-Welt eine völlig andere Schiene einschlagen? Solange sie die Mengen anpassen und solange sie es anständig promoten. Und es gibt ja nichts, was sexyer ist als ein gereifter Vintage-Port. Das größte Risiko, das ein Hersteller hat, ist, dass er es nicht verkauft bekommt. Dann soll er es halt einlagern und verkauft es sukzessive. Die Nachfrage nach dem Jahrgang ist ja irgendwann da.

Woher kommt Ihr Interesse am Port?
Ich war Anfang der 90er in England in der Ausbildung bei der Bundeswehr und habe jemanden gehabt, der hinter mir im Flugzeug gesessen hat, er war sehr viel älter. Der hat mir drei Sachen beigebracht: Portwein trinken, Golf spielen und die Tatsache, dass man nicht mit einem Engländer mal eben für ein Bier weggehen kann, damals gab es noch die Sperrstunde. Es musste also schnell viel getrunken werden, es  war mein hemmungsloses Besäufnis. Nicht gut. Aber Portwein trinken und Golf spielen fand ich gut. Ich habe allerdings dann noch eine Tour ins Medoc gemacht, weil ich in den 90er Jahren in Bordeaux studiert habe. Alle meine Kommilitonen haben mit Aktien spekuliert. Aber Aktien sind für mich langweilig. Wenn du BWL studierst, musst du auch irgendwas kaufmännisches machen. Dann habe ich den Weinkeller von meinem Schwiegervater geerbt, da waren große Bordeaux aus den 80ern drin. Da habe ich den Bordeaux-Markt relativ schnell verstanden. Ich war viel im Bordeaux und habe mir die Chateaus dort angeguckt. 

Warum sind Sie nicht beim Bordeaux hängengeblieben?
Ich bin immer noch ein großer Bordeaux-Fan, man kann ja nicht den ganzen Tag Portwein trinken. Die Idee Port ist dann aber tatsächlich 2003 entstanden, als ich auf einer Fassprobe auf Chateau Latour war, also eines von den fünf Großen. Da hatten sie einen Drittwein zum ersten Mal, den Pauillac de Latour. Das haben sie früher fassweise generisch in den Markt verkauft, weil sie nicht wollten, dass da der Latour-Stempel drauf ist. Und auf einmal war es ein Drittwein und sollte 50 Euro kosten. Da habe ich gesagt: Leute, jetzt ist es eine Aktie. Genau da, wo ich nicht hinwollte. Also Portwein, das finde ich cool, also mache ich was mit Portwein. Bordeaux erklärt sich selber. Die ein bisschen Wein-affin sind wissen, dass es die Klassifizierung von 1855 gibt und so weiter. Aber Portwein muss man erklären. Du brauchst fünf bis sechs Vokabeln, die musst du verstanden haben und zuordnen können. Und du musst sagen können: Wenn ich ein Portwein-Etikett sehe, dann verstehe ich, was da ungefähr auf mich zukommt. Wenn du das nicht hast, wirst du dich nie an irgendwas rantrauen, was in der Portwein-Welt dann Spaß macht.

Was unterscheidet einen guten Port von einem Madeira oder Sherry?
Generell suche ich immer die Balance im Wein, das ist für mich das allerwichtigste für alle Weine. Das kann ganz viel von allem sein, das kann relativ wenig von allem sein. Bei Madeira ist mir zu viel Säure drin. Ich trinke auch super gerne alte Madeiras, die sind auch noch eine ganze Ecke günstiger als Port. Aber haben eben den großen Nachteil, dass sie einfach zu säurelastig sind. Bei Sherry ist es so, dass du durch dieses Solera-System das Problem hast, dass es so ein zufälliger Blend ist und es gibt nur diesen VOR und VSOR, also 20 und 30 Jahre alt, das schnallt aber auch keiner, wenn man Sherry mitbringt. Sherry hat so viele super Kombinationsmöglichkeiten mit Essen und so viel sensorische Vielfalt. Aber es ist irgendwie ein bisschen langweiliger, finde ich, weil ich mir immer denke: Hey, das ist so dieser Zufallsblend. Das nimmt mich nicht wirklich mit.

Im Gegensatz zu Port wohl…
Ja, und wenn du dann zu so einem Tasting gehst und du stellst irgendwas von einem alten Jahrgang von irgendeinem Hersteller auf den Tisch, dann bist du sofort in allen Netzwerken drin, weil die alle schon die Jahreszahl allein schon toll finden. Das haben wir hier bei der Masterclass gesehen, da gab es einen von 1884… Sowas kann Madeira auch, aber Madeira hat halt den Säurenachteil. Port hat einfach die Balance und diesen Sexappeal durch dieses Alter und diese Erhabenheit noch mit dabei.

Ruby oder Tawny?
Alles hat seine Zeit. Wenn ich mich entscheiden müsste, wäre das auf jeden Fall ein Vintage-Port. Aber es gibt für mich auch genauso Tawny-Elemente wie Ruby-Elemente, also Vintage-Port-Elemente. Aber wenn es eine einsame Insel wäre, wenn es die letzte Flasche wäre, dann wäre es ein Vintage.

Gibt es einen unvergesslichen Port?
Mein erster Port war ein Fonseca 77,  das ist eine ganz witzige Geschichte. Damals hatte ich überhaupt keine Ahnung von Port. Super Jahr, super Hersteller, tolles Erlebnis. Bei dem Wein fängst du auf jeden Fall an, dich für Portwein zu interessieren. Und dann geb es dieses Schlüsselerlebnis.

Erzählen Sie.
Ich hatte mir die Flasche Fonseca 77 gekauft, damals für 100 Mark, in den 90ern echt viel Geld für mich damals. Die Flasche kam und da war so ein richtig großer Farbklecks drauf. Da habe ich gesagt: Leute, ich habe gerade eine Flasche Wein für 100 Mark bei euch gekauft und die sieht aus, als wäre da der Anstreicher vorbeigegangen. Der Importeur hatte aber auch keine Ahnung, der hat gesagt: Tut mir total leid, ich schicke Ihnen eine neue. Da hat er mir die zweite Flasche kostenlos nachgeschickt als Kulanz. Ich sehe diese zweite Flasche und ich sehe den gleichen Farbklecks an der gleichen Stelle und denke mir: Hmm, das ist vielleicht ein System. Die Logik war dann, wenn die Hersteller Vintage-Ports bei sich selber lagern, etikettieren die die noch nicht, möchten aber, dass immer die gleiche Seite oben ist, damit sich gleichmäßig das Depot abbildet und dann machen die einfach so einen Farbklecks drauf. Das ist wirklich so ein Pinseltupfer und dann wissen die, wo oben ist. Deswegen hatte ich dann zwei Flaschen Fonseca 77. Das war so ein Schlüsselerlebnis. Zum einen, weil das der erste großartige Vintage-Port war, den ich jemals getrunken habe, und zum anderen die Geschichte mit dem Farbklecks.

Was trinkst Sie noch außer Port? Bordeaux denke ich mal…
Eigentlich trinke ich alles gerne. Ein perfekter Abend fängt mit Champagner an. Da strengt sich die deutsche Sektwelt zwar ordentlich an, aber Champagner ist Champagner, da kommt sprudelig leider nichts ran. Danach geht es weiter mit einem deutschen Weißwein, trocken. Dann geht es zum Bordeaux, selten zum Burgund, vielleicht zu selten. Vielleicht habe ich Burgund auch noch nicht so verstanden. Und dann geht es über einen Vintage-Port zum Reparatur-Riesling am Ende. Das ist ein schöner Abend. Aber das ist eben nicht nur Port.

Da waren wir jetzt schon beim besonderen Anlass. Aber so im Alltag, was wird schnell geöffnet?
Dann eher Port. Das ist wirklich was, wo ich dann die Füße hochlege und schaue, ob es ein schöner Tag war oder nicht.

Mit wem würden Sie gerne mal einen schönen Port trinken?
Mit Elon Musk. Der wird dann bestimmt noch visionärer.

Wie würde für Sie ein perfekter Port aussehen?
Es gibt den perfekten Port. Aber das ist nicht immer der gleiche und das ist eben das interessante. Das ist für mich auch der Unterschied im Vergleich zum alten Madeira. Wenn der abgefüllt ist, dann entwickelt der sich nur ganz wenig weiter in der Flasche, der bleibt halt so.  Schön, aber irgendwie langweilig. Beim Port hast du Phasen. Phasen, wo er dann nicht so gut ist und wieder Phasen, wo er echt gut ist. Für mich ist die perfekte Range zwischen 1970 und 1927, das sind die Weine. Wenn ich mir richtig was gönnen will, mache ich mir eine Flasche in der Range auf.  

Nicht die noch älteren?
Ich habe viele Weine aus dem 19. Jahrhundert getrunken, wo ich mir zu 95 Prozent gesagt habe: Super Wein, total interessant zu trinken für das, was es ist. Aber den hättest du eigentlich eher trinken müssen. Ich habe einen Kumpel, der hat mir drei Flaschen von 1815 mitgebracht, die haben wir 2015 getrunken. Also 200 Jahre alte Portweine! Klar ist das irgendwie toll, wenn man sowas erzählt, aber sensorisch ist es definitiv nicht mal ansatzweise der beste Portwein gewesen.


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