Die Gläser-Frage – ein abendfüllendes Thema. Hatte früher Spaß bei Experimenten. Etwa, einen Cabernet Sauvignon  aus einem Plastik-Becher, einer Kaffeetasse, einem Billig-Pressglas und einem hochwertigen Designer-Glas zu trinken. Oh ja, da gibt es Unterschiede! Mittlerweile gibt es Gläser für jede Traube und jede Ausbauart. Und bei über 100 Gläsern im Schrank sollte für jeden Wein und für jede  Gelegenheit eines dabei sein. Dachte ich doch, mit dem Thema durch zu sein.
Ein Irrtum.
Habe in der großartigen WeinKulturBar in Dresden Gläser des fränkischen Herstellers Zieher entdeckt. Die sind Ergebnis einer genialen Idee, extrem vereinfacht: Nicht der Wein entscheidet, welches Glas zum Einsatz kommt, sondern das Glas entscheidet, wie der Wein schmecken soll. Gläser machen Wein. Erster Gedanke: Wie bitte? Wie geht das?

Gläser sind wie Bekleidung

Zieher, bekannt für Ausstattung von Luxushotels und Spitzengastronomie in über 90 Ländern, hat 2015 eine Glasserie entwickelt, „Vision“ der Markenname. An Entwicklung und Design beteiligt war Sommelier Silvio Nitzsche, Inhaber und Seele der WeinKulturBar. Ein Sommelier ist quasi auch Glas-Experte. Silvio Nitzsche sagt dazu schöne Sätze wie: „Das Glas ist das Werkzeug“ oder „Gläser sind wie Bekleidung – elegant oder leger.“
Bei Zieher heißen die Kleider, pardon Glastypen, Nostalgic, Rich, Fresh, Straight, Intense und Balanced  Es gibt keine Weiß- oder Rotweingläser, sondern nur Themen- oder Charaktergläser.

Die Theorie

Aus dem Namen ergibt sich die Einsatzmöglichkeit. Aus dem Nostalgic werden Mineralwasser und Cocktails getrunken,  Rich soll sich für Schaum- und Süßweine bestens eignen. Die vier Weingläser geben die Stilrichtung vor. Fresh steht für Lebendigkeit und Frische. Straight soll die Eigenschaften des Weines eins zu eins wiedergeben. Beim Intense würden die Aromen regelrecht aus dem Glas geschleudert, das Glas als kleiner Dekanter. Balanced schließlich steht für Harmonie, ein „aromatisches Gesamterlebnis“. Theoretisch kann also jeder Wein aus jedem Glas getrunken werden. Man muss halt zu dem Glas greifen, das sich für den Geschmack, auf den man gerade steht, am besten eignet.  Soweit die Theorie.

Nun die Praxis

Um es gleich zu sagen: Mit dem Nostalgic bin ich nicht klargekommen – hab mich bekleckert.  Rich war gewiss schön, maße mir als Nicht-Schaumwein-Fan aber kein Urteil an.
Richtig spannend wurde es bei den vier Wein-Brüdern Fresh, Straight, Intense und Balanced. Es klingt unglaublich, aber der gleiche Wein (zuerst ein 2005er Riesling „Großes Gewächs“ vom Weingut Sigrist und dann  ein 2013er Brunello di Montalcino von Collosarbei) schmeckte tatsächlich aus allen vier Gläsern anders. Ein besser oder schlechter gab es nicht. Eben anders, ganz nach Wunsch. Bestes Beispiel: Meine Begleitung favorisierte für den Brunello das Intense-Glas, ich das Balanced. Und der Riesling im Fresh-Glas hatte einen ganz anderen Charakter als im Straight, auch hier gingen die Vorlieben auseinander. Und ja, der Brunello war auch im Fresh gut trinkbar, präsentierte sich wiederum ganz anders als aus dem Balanced-Glas.
Es ist eine großartige Option, das Glas nicht nach dem Wein, sondern nach Stimmungslage und Vorlieben zu wählen. Glas-Tester scheint ein sehr erstrebenswerter Job.  

Test mit einem Brunello di Montalcino

Keine Schnäppchen, weil Unikate 

Wollte spontan beim Glaskauf zuschlagen. Aber erstmal Luft holen. Die Gläser kosten jeweils im 2er Set zwischen 74,90 Euro (Nostalgic) und 103,90 Euro (Balanced). Am günstigsten sind sie auf dem Zieher-Online-Shop. Bald soll es sie die Gläser auch im KaDeWe und bei ausgewählten Fachhändlern geben.
Der Preis erklärt sich, wenn man man weiß, dass die Gläser aus kristallinem Glas ohne Zusatz von Blei in traditionellem Verfahren mundgeblasen gefertigt werden. Jedes Glas ist also ein Unikat. Sie seien robuster als sie aussehen, sagte Silvio Nitzsche. Er versicherte auch, dass die Vision-Gläser auch in der Spülmaschine gereinigt werden können.  Scheint mir die einzige Parallele zu Plastik-Becher, Kaffeetasse, Billig-Pressglas und Designer-Glas.

Eddy, Star und Pebble

Nein, nicht noch eine Glasserie, es geht um Dekanter. Auch da hat Zieher einen anderen Ansatz, „Eddy“, „Star“ und „Pebble“ heißen die Modelle. Auch extrem spannend.  Aber wieder ein ganz anderes Kapitel.

Abenteuerliches Design: Der Dekanter „Star“


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