Am 9. November feiert Deutschland 30 Jahre Mauerfall. Viele Ostdeutsche sind danach gen Westen gegangen, um dort ihr Glück zu versuchen. Es gibt aber auch West-Ost Geschichten. Andreas Clauß, jetzt 52 Jahre alt, ist den umgekehrten Weg gegangen – vom Westen in den Osten. Hier hat er, quasi aus dem Fast-Nichts, wie er sagt, mit dem Thüringer Weingut Bad Sulza eines der führenden Weingüter im Osten Deutschlands aufgebaut. Der Mitteldeutsche Weinpreis im vergangenen Jahr in der Kategorie bester Rotwein für den „2015er Frühburgunder Excellence Barrique“ aus der Lage Bad Sulzaer Sonnenberg war nur eine weitere Bestätigung für die steile Entwicklung des Betriebes.
„Es war einfach Neugierde“
Es war schon eine überaus mutige Entscheidung von Andreas Clauß, 1994 aus dem beschaulichen und prosperierenden Esslingen in Baden-Württemberg in den komplett im Umbruch befindlichen Osten zu gehen. 27 Jahre alt war er damals, Sohn einer Winzerfamilie. „Das war 1994 schon eine spannende Herausforderung, einen Weinbaubetrieb von null, beziehungsweise unter null, zu entwickeln“ sagt er. 1992 hatte die Agrargenossenschaft Niedertrebra (die LPG Niedertrebra betrieb Weinbau in Thüringen) in einer Weinzeitschrift eine Stelle ausgeschrieben, man hatte die Chance gesehen, Weinbau in Thüringen zu etablieren. „Aus den eigenen Reihen hatten sie wohl niemanden gehabt mit dem nötigen Knowhow“, meint Clauß. Abenteuerlust und die Lust auf eine Herausforderung hätten ihn bewogen, sich zu bewerben, erzählt er. „Es war einfach Neugierde, in Thüringen mit Weinbau etwas ganz Neues zu machen. Und gleichzeitig die Möglichkeit wahrzunehmen, einfach aus dem kleinsten Weingut, aus den Anfängen, den allerkleinsten Anfängen, ein Weingut in Thüringen zu entwickeln.“
Mit Klassenfahrt im Osten
Vom Osten wusste er damals nicht viel. „Mit der Klassenfahrt war ich 1984 mal in der DDR. Mehr Kontakt gab es vor der Wende nicht“, erzählt er. Und die Weine? Thüringen? „Über Wein in Thüringen wusste ich eigentlich gar nichts. Ich hab mich in den Nachwendejahren sehr intensiv belesen über Saale-Unstrut, auch über Sachsen. Über die beiden neuen deutschen Weinanbaugebiete hat Dr. Thomann aus Ingelheim interessante Berichte geschrieben. Aber Thüringen hat da natürlich keine Rolle gespielt, weil es nur zehn, zwölf Hektar Rebfläche gab, die bewirtschaftet wurden.“
Viel gewagt, viel gewonnen
Andreas Clauß wagte viel – und gewann viel. Er bekam die Stelle, gründete und entwickelte die Thüringer Weingut Bad Sulza GmbH (neben ihm halten weitere Eigner Anteile) und machte schnell mit seinen Weinen auf sich aufmerksam. Aktuell bewirtschaftet das Weingut 50 Hektar Rebfläche, 75 Prozent sind weiße Rebsorten, 25 Prozent rote. 330000 Flaschen werden im Schnitt jährlich produziert. Das Sortenspektrum ist groß, auch nicht unbedingt gebietstypische Rebsorten wie Muskateller oder Grüner Veltliner gehören dazu. Und das Spektrum erweitert sich noch. Unlängst wurden neue, pilztolerante Sorten wie zum Beispiel Satan Noir oder Cabernet Noir angepflanzt.
Von Null auf Hundert
Am 11. April 2019 feierte er sein persönliches Jubiläum: 25 Jahre in Bad Sulza. In 25 Jahren eine Entwicklung von Null auf Hundert sozusagen. Gab es Überraschungen auf diesem Weg? „Im Nachhinein eigentlich keine.“ Mit seinen neuen Mitbürgern in Ostdeutschland habe es keine Probleme gegeben. Das Verhältnis zu einen neuen Winzerkollegen an Saale und Unstrut sei „von Anfang an gut, sehr kollegial“ gewesen.
Natürlich lief nicht alles nur glatt. „1996 und 1997 waren schlechte Jahre, auch 2009“, sagt Andreas Clauß. „Aber letztlich haben wir es gut hingekriegt und weniger Fehler gemacht, als man hätte machen können.“
„Ich habe die Perspektive gesehen“
Längst ist Andreas Clauß mit dem Thüringer Weingut Bad Sulza etabliert. Er ist 1994 solo gekommen, hat die Thüringer Weinprinzessin Kathrin geheiratet, seine Kinder – jetzt 16 und 21 Jahre alt – sind hier geboren. „Ich werden von den Ossis sogar gewählt“, sagt er lächelnd. Tatsächlich sitzt Andreas Clauß im Vorstand des Weinbauverbands Saale-Unstrut, dazu im Vorstand der Schutzgemeinschaft des Anbaugebietes. Im Stadtrat von Bad Sulza (für die Freien Wähler) sitzt er auch. Das nennt man wohl angekommen.
Bereut hat er die Entscheidung von 1994 niemals. Sein Instinkt damals: „Ich habe die Perspektive gesehen.“
Die Weine vom Thüringer Weingut Bad Sulza
Die Basis ist durchweg sauber und empfehlenswert. Allen voran natürlich der mit dem Mitteldeutschen Weinpreis ausgezeichnete Frühburgunder Excellence Barrique. Die Kerner – in jeglicher Ausführung – sind Gebietsspitze, mit dem Gutedel/Chasselas punktet das Weingut regelmäßig beim Gutedel-Cup. Mit seinem 2018er Gutedel trocken wurde er in diesem Jahr unter 75 angestellten Weinen Neunter. Muscat-Ottonel, den er als einziger Winzer an Saale-Unstrut ausbaut, ist Pflicht. Grüner Veltliner, Muskateller, Traminer, Chardonnay und der Jenaer Silvaner sind bei den weißen Sorten zwingend. Frühburgunder, Cabertin und die feinen Barrique-Cuvées MiCaDo und Merlin (Merlot und Pinotin) bei den roten. Insgesamt sehr gutes Niveau!
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