Es ist im Herbst schon Tradition, im örtlichen Mercure-Hotel vorbeizuschauen. Halbjährlich wird eine neue Weinkarte aufgelegt, das war zuletzt immer spannend. Denn die Weine haben Kunden der Hotelkette in einer Blindverkostung getestet, bewertet, die besten schaffen es für ein halbes Jahr auf die Karte in den Mercure-Hotels Deutschlands. Die Weinkarte heißt statt „Grand Vins Mercure“ neuerdings „Mercure Weinlese“. Wieder finden sich dort ausschließlich deutsche Weine, erstaunlich, Mercure ist schließlich in französischer Hand. Wie gehabt gibt es eine Süd/West- und eine Nord/Ost-Karte, was jedoch schwer durchschaubar ist. Auf der getesteten Nord/Ost-Karte finden sich mit Tropfen aus Baden und der Pfalz selbstverständlich Weine aus dem Süden (was kein Problem ist), allerdings keine aus den beiden östlichen Anbaugebieten Sachsen und Saale-Unstrut (was schwer zu verstehen ist). Das war schon mal anders, erinnere mich an den schönen Grauburgunder von Prinz zur Lippe auf der 2015er Karte.
Nach wie vor verkauft Mercure der Karte alle Weine auch außer Haus (im Hotel und auch online) zum gleichen Preis wie ab Hof. Das kann sich lohnen.

Sommerwein im Herbst

Selbstverständlich gibt es bei den sechs Weißweinen, dem einen Rosé und den fünf Roten keine Schwachpunkte. Was mehr oder weniger Beachtung findet, hängt vom persönlichen Geschmack ab. Weil auf der Nord/Ost-Karte der Osten fehlt müssen die Franken als Lokalmatadoren herhalten, und da macht man kaum Fehler. Die Silvaner von dort sind die besten der Welt. Das Prädikat Weltklasse wäre für den 2015er Silvaner vom Weingut Roth freilich eine Spur zu dick aufgetragen, der Gutswein des Bio-Gutes aus Wiesenbrunn ist aber ein richtig schöner lebendiger Sommerwein, schlank, zart, mit dezenter Frucht und leichter Mineralität. Einer klassischer Sommerwein auf der Herbst-Winterkarte? Ja doch, der Wein kann Sehnsüchte stillen.
Der 2015er Grauburgunder von Kilian Huhn aus Gottenheim in Baden ist diskussionsbedürftiger. Die Geschichte hat neugierig gemacht: Kühle Ernte in den Morgenstunden, Lagerung in Edelstahl und ein Teil zehn Monate im Holzfass, 13,5% Alkohol, aus der Linie „Junge Wilde“. Ganz so wild ist der Wein dann doch nicht, mir hat etwas Säure (5,9 g/l) gefehlt.

Volltreffer Rosé

Ein Volltreffer ist der 2015er Rosé „la Vie“ von Bassermann-Jordan aus der Pfalz. Klar, ein Rosé ist auch nicht prädestiniert für die kalte Jahreszeit. Aber der ist immer dann willkommen, wenn die eine Hälfte am Tisch Weiß, die andere Rot trinken will, Salat ins Spiel kommt oder auch mal auf den Alkoholpegel geschaut wird. Der von Bassermann-Jordan hat zarte 11,5 Prozent, funktioniert nicht nur zu Salaten und ist einer, den Weiß- und Rotwein-Fans (ist schließlich eine Cuvée aus Spätburgunder, Merlot und Cabernet Sauvignon) akzeptieren können. Die satten 8,5 Gramm Restzucker merkt man nicht, er ist fruchtig, aber nicht zu sehr, schön schlank, aber doch von schöner Dichte. La vie heißt ja Leben, und ja, mit so einem Rosé kann es ganz schön sein.

Die Roten sind die Stars

Auf einer Herbst-Winterkarte sind natürlich die Rotweine die Stars. Die Selektion diesmal:
2014er Element Cabernet Sauvignon-Merlot Alois Kiefer/Pfalz;
2014er Dornfelder Weingut Manz/Rheinhessen;
2014er Merlot Weingut Borell Diehl/Pfalz;
2012er Spätburgunder Ökonomierat Rebholz/Pfalz
die hauseigene Cuvée Edition MVI 2014, kreiert von den Pfälzern Markus Schneider und Thomas Hensel.
Um es kurz zu machen: Der Spätburgunder von Ökonomierat Rebholz hat „gewonnen“, tolle Nase, nicht zu wuchtig, klassisch nach Himbeeren, Gewürzen und Vanille, weiche Tannine, durchgegoren (0,3 g Restzucker). 15,60 Euro im Außer-Haus-Verkauf, mehr als akzeptabel. Die Edition MVI 2014 (MVI steht für sechste Edition Mercure) – 70% Cabernet Sauvignon, 30% Merlot – versprich auch sehr viel, aber der Wein braucht noch Zeit. Die Edition ist auch in Barriques gereift, der Wein wirkt noch verschlossen, beste Zeit wohl erst in ein, zwei Jahren. Ob die Mercure-Fangemeinde so lange warten kann?


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