„Schon mal Wein aus Venedig getrunken?“, fragt mich eine italienische Freundin. Habe schon reichlich Weine aus Italien genossen. Aber Venedig? Viellicht schon, bewusst aber nicht. Es lohnt sich, meint die Freundin weiter, und organisiert dank bester Verbindungen zu einem „Consortio“ Kostproben. Danke! 

Reben in Venedig

Also Wein aus Venedig. Herrliche Erinnerungen an bisher zwei Besuche in dieser Stadt. Doch bevor wir probieren gibt es erst einmal eine Lektion zum Thema Weinbau in Venedig. Wobei – in der Lagunenstadt sind mit gar keine Rebanlagen aufgefallen. Ich werde lernen: Es gibt sie! Und zwar ganz ganz in der Nähe des Bahnhofs Santa Lucia,  ein paar Reben nur. Venedig ist also nicht ganz korrekt, es geht um das Hinterland. Reben werden dort schon seit Jahrhunderten angebaut. Und dann hat vor 500 Jahren die Republik Venedig den Weinbau so richtig in Schwung gebracht. 

Ein Konsortium wird aktiv

Der Schwung ist über die Jahrhunderte etwas erlahmt, deshalb hat sich im Jahr 2011 ein Konsortium – das Consorzio Vini Venezia – gegründet, um den Wein aus der Region um Venedig wieder populärer zu machen. Das haben die dort angebauten autochthonen Sorten  Lison, Manzoni Bianco, Raboso und  Refosco mehr als verdient. Das Consorzio erstreckt sich über zwei Regionen – Venetien und Friaul-Julisch Venetien – und fördert und schützt fünf Herkunftsbezeichnungen, die eng mit Venedig und seiner Geschichte verbunden sind.  

Die fünf Appellationen

Die Bezeichnung Malanotte del Piave DOCG wurde im Januar 2011 eingeführt. Das Produktionsgebiet erstreckt sich entlang des Flusses Piave. Das typisch milde Klima begünstigt warme Sommer und nie zu kalte Winter. Dort gibt es die Raboso-Rebe. Noch immer werden Raboso-Trauben in einem Anteil zwischen 15 und 30% getrocknet. 

Die Bezeichnung Lison DOCG entstand auch erst 2011 obwohl die Bezeichnung Lison DOC Tocai di Lison bereits 1971 schützte. Heute wird die Rebsorte Tai gennant. Denn nach langen gerichtlichen Auseinandersetzungen wurde im Jahr 2000 den Ungarn das Recht auf den Namen Tokaij zugesprochen. Lison DOCG muss mindestens 85% Tai enthalten. Das Produktionsgebiet liegt wenige Kilometer von der venezianischen Küste entfernt. Etwa 200 kleine Produzenten vinifizieren noch Lison, das Anbaugebiet umfasst 106 ha Rebfläche.

Die DOC Venezia wurde im Januar 2011 ins Leben gerufen. Sie erstreckt sich über den östlichen Teil der Region Venetien. In Venedig, ganz in der Nähe des Bahnhofs Santa Lucia, befindet sich ein grünes Juwel: der Weinberg der Padri Carmelitani Scalzi. Der gemeinsam mit dem Consorzio kultivierte Brolo (Garten) enthält rund zwanzig vom Aussterben bedrohte Rebsorten. 

Die Bezeichnung Piave DOC wurde im September 1971 eingeführt. Das Gebiet erstreckt sich bis zur Mündung des Flusses Piave im Hinterland von Venedig. Ungewöhnlich ist das seit dem 19. Jahrhundert verbreitete Erziehungssystem Bellussera. Die Reben wuchsen oft üppig an Maulbeerbäumen und ermöglichten es den Bauern, darunter andere Nutzpflanzen wie Heu und Gras anzupflanzen. Auf diese Weise angebaute Reben mit Rebzweigen in einer Höhe von vier Metern schützten auch die Feuchtigkeit und verhinderten so Peronospora.  

Die Bezeichnung Lison Pramaggiore DOC wurde auch 1971 eingeführt. Das Gebiet erstreckt sich über die Provinzen Pordenone, Treviso und Venedig. Das milde Klima wird durch die Nähe zum Meer gewährleistet. Innerhalb des Gebietes existieren Weinberge, die bis ins späte 19. Jahrhundert zurückreichen und vor der Reblaus gepflanzt wurden. Als  Erziehungsmethode wird Cassone Padovano verwendet, ein altes System, das von Benediktinermönchen übernommen wurde.  

Das Flaggschiff Lison 

Nun verkosten wir Weine aus der Region Venedig. Es wird ein Vergnügen. Am meisten beeindruckt haben ich, wen wundert’s, die einheimischen Rebsorten.  

Start mit dem Lison von Ornella Bellia, ein traditionelles Weingut in Pramaggiore. Ein satter Wein, voll im Geschmack, Kräuteraromen wie Rosmarin und Salbei, die satten 14,5% Alkohol merkt man nicht und stören auch nicht. Habe zu dem Wein Ölsardinen gegessen – passt!  Überhaupt scheint der Lison ein feiner Begleiter zu kräftigen Gerichten.

Das familiengeführte Weingut Borgo Stajnbech liegt auch in Pramaggiore. Die markante 150 auf dem Etikett beim Lison Classico 150 würdigt das 150-jährige Bestehen Italiens. Wie der von Ornella Bellia besteht auch dieser Lison zu 100 Prozent aus Tai. Und doch ist dieser Wein ganz anders. Fruchtig und elegant, Marille mit den typischen Noten von Bittermandel und Salz. Ein exzellenter Vertreter des Tai.
Auch der Lison Classico von Marco Savian, ein Bio-Betrieb, zeigt viel Frucht, in der Nase und auf dem Gaumen. Zu entdecken sind Birne, Quitte, Zitrus und weitere gelbe Früchte. Interessant das Finale: Im Abgang herzhaft, Kräuter, Wermut etwa. Scheint mir gut geeignet als Aperitivo. Es werden nur 3000 Flaschen produziert, Preis liegt unter 10 Euro. 

Manzoni Bianco

Nach den spannenden Lison kommt nun die Rebsorte Manzoni Bianco ins Spiel. Die Rebsorte ist nach seinem Schöpfer Luigi Manzoni benannt, der die Sorte mit einer Kreuzung von Riesling und Pinot Blanc zwischen 1930 und 1935 in Conegliano entwickelte.

Nina heißt der Manzoni Bianco von Ca’di Ra Jo. Das Weingut führen drei Brüder. Die Reben gedeihen im Bellussera-System, was durchaus spektakulär aussieht.  Im konkreten Fall wird unter den Reben Gemüse angebaut, was bedeutet, dass alles in Handarbeit erledigt werden muss. Ein feiner Wein! Markante Säure, gut balanciert, viel Mineralität. Zu Spargel wahrscheinlich ein Volltreffer. 
Der Manzoni Bianco von Antonio Facchin hat anderen Charakter. Kein Wunder, lag er doch im Gegensatz zu den anderen Weinen 18 Monate im Barrique und ist von 2019. Auffällig ist schon die dunkelgelbe Farbe. Ein Wein mit Fülle und Körper, trotzdem frisch und belebend mit feiner Säure. Immer wieder fällt das Stichwort Magnolie. 
Ein ausgezeichneter Manzoni Bianco kommt auch von Furlan. Das Weingut wurde 1930 gegründet und auch hier haben drei Brüder das Sagen. Notiert sind Stichworte wie unreife gelbe Pflaumen, Pampelmuse, tropische Früchte, mineralisch. Gut strukturiert, gut balanciert, insgesamt sehr gefällig gemacht. 

Fazit: De Weine sind spannend und alles andere als beliebige Weltweine. Und alles zu moderaten Preisen, alle Weine lagen zwischen 9 und 17 Euro. Und sie machen Lust auf Venedig.  

Fotos: Consorzio Vini Venezia (4), Weinbeobachter (1), KI (1)

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