Die Burgunder kommen: Dieser Eindruck hat sich auf einer Tour durch einige deutsche Anbaugebiete mehr und mehr verfestigt. Gemeint sind natürlich nicht französische Winzer auf Wanderschaft – sondern die Burgunder-Rebsorten, die im deutschen Weinbau unaufhaltsam auf dem Vormarsch sind: in Quantität und in Qualität.
Zwar ist Deutschland nach wie vor Riesling-Land. Weltspitze. Auch Müller-Thurgau und Silvaner spielen noch immer eine bedeutende Rolle, teils auch auf Weltklasseniveau. Doch Weißburgunder, Chardonnay und Spätburgunder holen gewaltig auf – und laufen den traditionellen Platzhirschen in vielen Regionen zunehmend den Rang ab.
1990: Nur eine Nebenrolle
Burgundersorten waren im deutschen Weinbau lange eher ein Nischenthema. 1990 machten sie laut Rückrechnung anhand DWI-Statistiken nur etwa 6–7,5 % der gesamten Rebfläche aus. Klar dominiert hat dabei der Spätburgunder mit rund 4–5 % Anteil. Der Weißburgunder lag mit 0,5–1 % noch nahezu unbemerkt im Schatten, der Grauburgunder (damals teils als „Ruländer“ geführt) erreichte 1–1,5 %. Chardonnay? Offiziell damals gar nicht zugelassen.
Heute: Fast ein Drittel
Heute ist das Bild ein anderes: Nahezu ein Drittel der deutschen Rebfläche ist inzwischen mit Burgundersorten bestockt – rund 32.000 Hektar. Besonders rasant ist der Zuwachs bei den weißen Burgundern: Ihre Fläche hat sich seit dem Jahr 2000 (damals rund 6.000 ha) auf über 18.000 Hektar verdreifacht – ausgehend von kaum 1.000 Hektar im Jahr 1990.
Kaum ein Weingut kommt heute noch an ihnen vorbei. Und was da mittlerweile ins Glas kommt, ist oft beeindruckend – bisweilen Weltklasse. Und das oft zu einem Bruchteil der Preise, die vergleichbare Weine aus dem Burgund aufrufen.
Einige meiner jüngsten Burgunder-Entdeckungen
Prickelndes
- Schloss Sommerhausen (Franken) arbeitet fast ausschließlich mit Burgundersorten für seine Sekte – und das mit großem Erfolg. Mein Favorit: 2018 Le Grand Rosé, Spätburgunder Extra Brut – 6 Jahre Hefelager, nur 2 Gramm Dosage, enormer Tiefgang.
- Auch das Juliusspital (Franken) brilliert: 2022 Sekt Cuvée Pinot kombiniert 70 % Weißburgunder, 20 % Spätburgunder, 10 % Schwarzriesling – in bester Champagnertradition. Elegant, feinperlig, lang.
- Schloss Wackerbarth (Sachsen) ist mit dem 2018 Pinot Brut ein großer Wurf gelungen. Eine Cuvée aus Spät-, Weiß- und Grauburgunder-Trauben. 30 Monate klassische Flaschengärung. Noten von Hefewürze, Brioche und feiner Nussigkeit – typisch burgundisch.
- Dem Weingut Neder aus Ramsthal (Franken) ist ein feiner 2021 Weißburgunder-Sekt gelungen. Angenehm cremig, mit einer feinen Hefenote und lediglich 2 Gramm Restzucker. Gutes Beispiel eines gelungen Winzersektes.
Weiße Highlights
- 2023 Bischofsberg Chardonnay, Weingut Kremer (Churfranken): Kraftvoll, aber nie fett – 12 Monate Holz, fein strukturiert. Tipp einer Kollegin, der voll eingeschlagen hat.
- 2024 Chardonnay Réserve, Kühling-Gillot (Rheinhessen): Tabak, Quitte, Kräuter – große Komplexität, dabei geschmeidig. Ein deutscher Chardonnay auf Meursault-Niveau.
- 2023 Weißburgunder Heppenheimer Centgericht, Kloster Eberbach (Hessische Bergstraße): Zarte Zitrusnoten, elegante Frische. Ein Monopollagen-Wein mit Ausdruck und Finesse.
- 2023 Weißburgunder Iphöfer Kronsberg, Weingut Wirsching (Franken): Ausbau im großen Holzfass, kühle Frucht, feiner Schmelz, salzige Mineralität – rundum gelungen.
- 2021 Weißer Burgunder Sausenheimer Honigsack i.G., Weingut Gaul (Pfalz): Null Gramm Restzucker, satte 8 Gramm Säure, Meerluft, Safran – toller Wein.
- 2018 Weißburgunder Benediktusberg, Christine Pröstler (Franken): Überraschend frisch trotz des Alters. Ausgebaut im 500‑l Tonneau – Kraft und Opulenz, große Länge. Ein Volltreffer.
- 2023 Weißburgunder Würzburger Stein, Bürgerspital (Franken): Ein Klassiker: glasklar, elegant, kräutrig, fein. Jedes Jahr verlässlich stark.
Rote Versuchungen
- 2018 Frühburgunder First Eußenheim, Klaus Höfling (Franken): Saftig, würzig, charmant – der schwierige Frühburgunder kann bei ihm richtig glänzen.
- 2022 Spätburgunder Pares, Weingut Adams (Rheinhessen): 18 Monate im Holz, ein Jahr auf der Flasche: Wild, kühl, fast animalisch – einfach faszinierend.
- Pinot Noir „Le Schulz“, Chat Sauvage (Rheingau): 2017 tiefgründig, 2020 noch jung – beide großartig. Ein ambitioniertes Burgunderprojekt des Unternehmers Günter Schulz, das voll aufgeht.
- 2022 Spätburgunder Réserve, Battenfeld-Spanier (Rheinhessen): Das Weingut ist bekannt für Top-Rieslinge. Doch dieser Pinot reiht sich würdig ein, ist saftig, elegant, klar. Kein Spektakel – aber genau darin liegt die Klasse.
- 2023 Pinot Noir „Landsknecht“, Weingut Leipold (Franken): Seidig und kraftvoll zugleich, dunkle Früchte, Kräuter, Schokolade – im Silvaner-Land Mainschleife eine echte Überraschung.
Fazit: Die Burgunder sind längst keine Nebenrolle mehr – sie sind auf dem Weg zur Hauptbühne des deutschen Weinbaus. Und das Schöne daran: Ihr Aufstieg bringt enorme Vielfalt, Stil und Qualität – oft zu Preisen, die im internationalen Vergleich immer noch geradezu charmant sind.
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