Weine von der Saar haben mich bei Forstmeister Geltz-Zilliken schon mal schwer begeistert. Nun ein nächster Trip an die Saar: Weingut-Besuch bei Van Volxem in Wiltingen. Ein Freund hat mich „gewarnt“. „Bring Zeit mit. Mit dem Roman, das kann dauern. Proben, für die zwei Stunden eingeplant sind, können mit ihm schon mal drei bis vier Stunden dauern.“ 
Mit „Roman“ ist Roman Niewodniczanski gemeint, charismatischer Besitzer des Weinguts Van Volxem mit spannender Vita. In einem Interview hat er mal gesagt, dass er „grundsätzlich“ das Gegenteil von dem tue, was von ihm erwartet werde. Wohl auch deshalb war eine berufliche Zukunft im Brauerei-Imperium seiner Familie (u. a. Bitburger) für ihn keine Option. Es sollte Wein sein. Nach drei Jahren weltweitem Suchens – der Anspruch war, ein Weingut von Weltruhm zu gründen – entschied er sich 1999, an der Saar zu investieren. Parallel absolvierte er eine Winzerlehre. 

Spektakulärer Neubau  

Doch zunächst heißt es Staunen. Mit dem  Neubau auf dem Wiltinger Schlossberg entstand auf einem 7 Hektar großen Gelände ein Weingut der Superlative: Zwei unterirdisch miteinander verbundene Gebäude sind Produktions- und Präsentationsräume. Es gibt vier Weinkeller, eine üppige und überaus gepflegte Außenanlage mit großem Teich sowie einen zweigeschossigen Turm, in dem sich auch die Vinothek befindet. Vom obersten Stock aus hat man durch Panoramascheiben einen tollen Blick auf die großen Lagen an der Saar. Alles wirkt durchdacht und auf dem allerneuesten Stand.  

Der spektakuläre Neubau

Offenes Weingut

Dann kommt „der Roman“. Roman Niewodniczanski ist sichtlich stolz auf eine der modernsten, neu gebauten Weinmanufakturen Europas. „Am 7. Juli 2019 haben wir den Neubau eröffnet. Früher war hier eine Müllkippe. Wir haben für den Bau keinerlei Fördermittel beansprucht. Und ich sehe mich auch nicht als Eigentümer, ich sehe mich als Begleiter“, sagt er. „Wir sind ein offenes Weingut, jeder Gast kann sich hier umschauen.“ Das kommt an: 2022 Jahr kamen 35000 Besucher, 2023 wohl noch mehr. 
Im Stakkato gibt es Infos. 85 Hektar werden bewirtschaftet, alles Steilhang und ausschließlich Handlese. 90 Prozent der Fläche sind Riesling-Reben, der Rest Burgundersorten, 2 Prozent Spätburgunder. 43 Mitarbeiter seien dauerhaft beschäftigt, während der Lese kommen noch Saisonarbeiter hinzu. Oberstes Credo sei die Qualität. „Wir ernten ein Viertel bis ein Drittel dessen, was erlaubt ist.“

Bewegte Geschichte 

Das Weingut hat eine bewegte Geschichte. Ein Klosterweingut im historischen Zentrum von Wiltingen wurde im Zuge der Säkularisation enteignet und meistbietend versteigert. So kam das Gut in den Besitz des Belgiers Gustav van Volxem, eigentlich ein Bierbrauer. Familie van Volxem bewirtschaftete das Weingut in vier Generationen,  1993 übernahm der Münchner Unternehmer Peter Jordan das Weingut und vermarktete die Weine unter „Jordan & Jordan“. Es lief nicht gut, die Weine erreichten nicht das Niveau des einstigen Muster-Betriebs. Das heruntergewirtschaftete Gut stand Ende der 90er Jahre vor der Insolvenz.  Roman Niewodniczanski ergriff die Chance und übernahm Ende 1999 schließlich das Weingut und vermarktet seither die Weine wieder unter dem Namen „Van Volxem“. 2007 wurde das Weingut Mitglied im Verband Deutscher Prädikatsweingüter (VDP).

„Gewinner des Klimawandels“ 

Warum hat sich Roman Niewodniczanski bei der viele, viele Millionen schweren Investition (die genaue Kaufsumme ist nicht bekannt) ausgerechnet für die Saar und Van Volxem entschieden? Der Unternehmer erklärt: „Es gab drei Gründe, warum ich zur Jahrtausendwende hier gestartet bin. Da ist der Klimawandel. Die Saar ist neben Teilen der Nahe vielleicht der größte Gewinner des Klimawandels in Deutschland.“
Der zweite Grund sei die Geschichte. „Van Volxem war eine Luxusmarke.“ Aus seiner Sammlung alter Weinkarten zeigt eine vom Ende des 19. Jahrhunderts, aus dem noblen Kaiserkeller in Berlin. Da kostete eine Flasche Chateau d’Yqem 4 Reichsmark, der Scharzhofberger von Van Volxem 10 Reichsmark. 
Drittens schließlich gebe es weltweit einen Trend hin zu Weißwein und einen Megatrend zu leichten Weinen. „Das ist unser Stil. Die Saarweine waren einst stilprägend. Ich rede gern von der Renaissance eines Klassikers. Das ist ein Generationenprojekt, von dem ich hoffe, dass es meine Kinder eines Tages übernehmen können.“  

Roman Niewodniczanski mit der Weinkarte aus dem Berliner Kaiserkeller

Renaissance eines Klassikers

Von der  Renaissance eines Klassikers spricht Roman Niewodniczanski oft. Immer wieder mit Bezügen zur Geschichte. „Zwischen 1880 und 1903 gab es eine Warmphase. Da haben sich die kühlen Gebiete am besten präsentiert. Dieser damals gefragte Stil – leicht, aromatisch, trinkfreudig, finessenreich – ist das, was jetzt wieder kommt. Das war meine Prognose, als ich das Weingut gekauft habe. Zur Jahrtausendwende waren dicke, fette Rotweine und Parker-Punkte gefragt. Deutsche Winzer haben ihre eigenen Riesling-Anlagen rausgerissen und Sachen gepflanzt, die sie jetzt wieder rausschmeißen.“ Und dann grundsätzlich: „Es geht nicht um das Beste, das Berühmteste und das Größte. Es geht darum, das Vertrauen in die Mosel- und Saarweine wieder zurückzuerlangen.“

Spontane Pause

Mit dem Chef durch das Weingut zu gehen ist überaus interessant. Zweieinhalb Stunden nimmt sich Niewodniczanski Zeit. Die meisten Mitarbeiter duzen ihn. Er begrüßt Gäste auf der Terrasse, fragt: „Wie schmeckt euch der Wein? Wo kommt ihr her?“ Mit fast jedem Mitarbeiter oder Azubi, den er trifft, hält er einen kurzen Plausch. Spontan verordnet er den Frauen am Selektierband eine Pause, nimmt sie mit in die Vinothek und spendiert jeder ein Glas Wein. Sein Anspruch: „Wir brauchen die tüchtigsten, engagiertesten, fröhlichsten und besten Mitarbeiter.“ Was Motivation und gute Laune angeht, geht der Chef mit bestem Beispiel voran. 

Roman Niewodniczanski mit frischem Lesegut

„Reben müssen sich quälen“

Auf einer Wand in der Vinothek ist eine alten Lagenkarte groß abgebildet. Hier läuft Niewodniczanski zu Hochform auf. Die Geschichte, die Böden, die Reben, das Mikroklima – zu jeder Parzelle kann er referieren. „Wir sind ein ehemaliges Moseltal, vor 40.000 Jahren kam die Mosel nicht mehr durch. Das Land hat sich gehoben, an der Kuppe haben sich Sedimente abgelagert. Die Zwischen-Eiszeiten haben zur Terrassenbildung geführt. Das hat uns ermöglicht, Weinbau zu treiben.“ Er habe in den letzten 23 Jahren 637 Parzellen von verschiedenen Eigentümern gekauft. „Nun haben wir auf kleinstem Raum ganz unterschiedliche Schieferformen.  Roten, blauen und grauen Schiefer, Quarze, Minerale – alles dabei.“
Stolz ist er auf die 2 Hektar Besitz auf dem Scharzhofberg, einer der berühmtesten deutschen Wein-Lagen. Er schwärmt von der Lage Gottesfuß. „1883 wurde dort Riesling gepflanzt!“ Und erst der Bockstein! „Dieses Süße-Säure-Spiel, und das nach 10 Jahren, das ist ein Traum.“
Highlight ist für ihn der Geisberg. 14 Hektar groß, um die Jahrhundertwende kamen von da einige der teuersten Weine der Welt. In den 1980er Jahren wurde diese Lage aufgegeben. „Lange Zeit war es zu kalt dort. Aber heute wandert sie geradezu ins Optimum. Wir haben einen Boden wie in keinem anderen Weinberg. Reiner Diabas, ehemalige Vulkanschlot. Der Boden, karges Geröll, ist so anstrengend und brutal, man kann kaum drauf gehen. Aber Reben sind hart im Nehmen, sie müssen sich quälen.“
Passt zu Weisheiten, die er immer mal wieder zitiert: „Im härtesten Stein wächst der beste Wein.“ Oder: „Wo ein Pflug kann gehen kein Stock darf stehen.“ 

Der Winzer vor der alten Lagenkarte

2023 „einfach spektakulär“

Nach der Lese werden die Trauben in Kühlhängern zur Kellerei gebracht, am Grape-Scanner foto-optisch sortiert. Danach werden sie einen Tag lang runtergekühlt. Es folgt eine neunstündige schonende Pressung. Alle Weine werden ausschließlich spontan vergoren. Beim jüngsten, dem 2023er Jahrgang kommt der Chef ins Schwärmen. „Wir werden 2023 die finessenreichsten, elegantesten und feinsten Rieslinge bei zugleich moderatem Alkohol hier von der Saar erleben.  23 wird unser wahrscheinlich bester Jahrgang, einfach spektakulär.“

Liegende Tanks 

Im Frühjahr 2022 gab es eine Zäsur bei Van Volxem. Der langjährige Kellermeister Dominik Völk wechselte zum Karthäuserhof an die Ruwer. Kellermeister ist seitdem Christoph Friedrich, der zuvor beim Schlossgut Diel an der Nahe tätig war. Auch unter ihm gären die Weine ohne Zusatz von Reinzuchthefen und werden nicht geschönt. Die große Frage nach dem Warum des Wechsels beantwortet Friedrich, geborener Moselaner, so: „Hier gibt es ein großes Potenzial. Den Trauben an der Saar hilft der Klimawandel, wir bekommen viel Aroma mit wenig Alkohol.“
Die Weine werden zunächst ein Jahr im Holzfass vergoren, dann reifen sie mindestens 2 Jahre im liegenden Inox. Die Tanks liegen! „Das bringt viel Hefekontakt“, erklärt Christoph Friedrich. Niewodniczanski klärt noch zu den Holzfässern auf: „Die Fässer sind zum großen Teil aus heimischer Eiche von den eigenen Wäldern bei Bitburg.“ Seine Vision: „Man wird einmal vom Saarstil sprechen – Feinheit, Eleganz, mineralisch, finessenreich.“

Liegende Tanks – in einem der vier Keller

Große Weine

Habe zahlreiche Weine probiert. Es gibt, wie erwartet, keinen Ausfall. Roman Niewodniczanski ist mit seinem Anspruch schon sehr weit gekommen, das Weingut wieder zu Weltformat zu führen. Die Großen Gewächse sind über jeden Zweifel erhaben und einfach große Klasse.
Jetzt noch meine sieben Favoriten jenseits der Großen Gewächse: 

Der lachsfarbene Rosé 22 vom Spätburgunder, den Roman Niewodniczanski so liebt, ist von herrlicher Frische, quicklebendig, erkenne Melone und Aromen roter Beeren. Keine Süße, erfrischende Säure! 
Die Ortsweine aus Kanzem und Saarburg. Gerade 10 Kilometer entfernt, und doch ganz verschieden.  Der Kanzemer 2022 duftet nach Steinobst und Zitrus, im Gaumen dominieren Mineralität und Kräuteraromen.  
Der Saarburger 2022 hat mehr Mineralik, klar Schiefer und exotisches Obst. Im Geschmack kommt dann wieder ausgeprägte Schiefermineralik zur Geltung.  Der Riesling Alte Reben – die Reben sind 45 bis 130 (!) Jahre alt – präsentiert sich unheimlich konzentriert, voller Aromatik. Alles perfekt balanciert, ein Gedicht, dieser Wein.  
Rotschiefer Kabinett 22 ist eine Lagencuvée. Sehr charmant, sanft und schmeichelnd, mit der feinbalancierten Fruchtsüße ein echter Darling, und mit 23 Gramm Restzucker ein perfekter Begleiter zur Asia-Küche.  
Bockstein Kabinett 2022 ist im Vergleich dazu markanter, klarer, wir entdecken Trockenobst, die dezente Süße spielt ganz fein mit der Mineralik. Ganz lange Präsenz!  
Geisberg Kabinett 2020 – der Jungfernjahrgang vom legendären, wiederbelebten Geisberg. Lebendig, frisch, tolle Reife. Süße und Säure harmonieren perfekt, auch die mineralisch .. Toller Kabi!   
Bockstein Reserve 2015 ist großer Wein, intensive Aromatik, er hat einfach alles: Gewürze, Obst, Schmelz, Safitgkeit, angenehme Säure. Und, und, und.   

Rebflächen an der Saar

0 Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Avatar-Platzhalter

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Time limit is exhausted. Please reload CAPTCHA.