Rudolf Knoll

Weinbau in Erfurt war schon mal Thema auf dem Blog. Es ist mittlerweile dreieinhalb  Jahre her, da habe ich in Erfurt Jörn Goziewski besucht, der den Weinbau in seiner Heimatstadt wieder beleben wollte. Mit Goziewski hat es in Erfurt aus mancherlei Gründen nicht funktioniert. Weinbau in Erfurt wird jedoch weiter ernsthaft betrieben – mit guten Ergebnissen. Rudolf Knoll hat sich für den Weinbeobachter in Erfurt umgeschaut.

Viel Wein zu Luthers Zeiten 

Erfurt ist die Landeshauptstadt von Thüringen. Hier wurde einst Martin Luther (1483-1546) zum Priester geweiht, danach lebte er als Mönch im Augustinerkloster. Er soll den Spruch „Bier aber ist Menschenwerk, Wein ist von Gott“ geprägt haben. Zu Luthers Zeiten spielte der Weinbau in Erfurt eine durchaus bedeutende Rolle; die Rebfläche soll rund 2000 Hektar umfasst haben. Doch dann begann ein unaufhaltsamer Schrumpfungsprozess bis ins 19. Jahrhundert. Es sollte lange dauern, bis es wieder Initiativen zur Wiederbelebung des Erfurter Weinbaus gab. Zu nennen ist hier die Erfurter Weinzunft, eine Truppe von 25 Weinfans, die sich vor gut 30 Jahren im kleinen Umfang mit Riesling befassten, der im Thüringer Weingut Bad Sulza gefüllt wurde. Bewiesen haben sie auf jeden Fall, dass Rebbau auf den Fluren der 214 000-Einwohner-Stadt auch aktuell noch nicht verkehrt ist. 

Jetzt 7,6 Hektar Pfaffenlehne 

Das mag die Vereinigte Kirchen- und Klosterkammer, eine Stiftung des öffentlichen Rechtes, die auf viel landwirtschaftliche Fläche Zugriff hat, motiviert haben, für eine Wiederbelebung des Erfurter Weinbaus aktiv zu werden. Ein Blick in die Historie war dabei wohl hilfreich: „Eine nachweislich älteste Vorgängerstiftung wurde 1363 durch die Schenkung eines Weingartens begründet“, weiß Präses Ralf Schwenken. Das Projekt wird vom Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft gefördert. Die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung erteilte die Genehmigung für diese Neuanlage außerhalb abgesegneter Rebflächen. So sind inzwischen in der Nähe des Erfurter Hauptfriedhofs auf einer 7,6 Hektar umfassenden Einzellage, Flur „Pfaffenlehne“ mit Muschelkalk im Boden, verschiedene klassische Rebsorten im Ertrag. 

Duo führt Regie 

Begonnen hat alles im Jahr 2020, als damals ein Rheingauer Jungwinzer und gebürtiger Erfurter die ersten Stöcke setzte und sich dabei schon so inszenierte, als sei er der Initiator und Chef des künftigen Weingutes. Er sprach auch bereits vom anstehenden Bau eines Kellers mit Vinothek. Beim Besuch in der Kirchen- und Klosterkammer wurde klar, dass sich der junge Mann wohl in seiner Darstellung etwas weit aus dem Fenster gelehnt hatte. Auf jeden Fall führt seit der ersten erfolgreichen Anpflanzung Kammer-Chef Ralf Schwenken die Regie. Der „Gast-Winzer“ ist Vergangenheit. Dafür ist ein Profi für den Weinausbau verantwortlich, der gebürtige Sachse Tom Andrä (36), ein gelernter Techniker für Weinbau und Oenologie, der in einigen Betrieben Erfahrung gesammelt hat (Ausbildung im Schloss Wackerbarth in Sachsen, zuletzt tätig im Thüringer Weingut Bad Sulza). 

Winzer Tom Andrä (34) und Winzergeselle Martin Juch (24) bei der Lese.

Von Beginn an Bio

2022 war der erste Jahrgang fällig, mit Riesling, Chardonnay, Spätburgunder und Exoten wie Viognier und Goldmuskateller, die als Cuvée gefüllt werden. 9300 Flaschen konnten nach der ersten Ernte gefüllt werden. Wenn die Reben in einigen Jahren im vollen Ertrag stehen, ist eine leichte Steigerung möglich. Aber Schwenken und Andrä liegt ein Zuwachs nicht am Herzen. „Wichtig ist die Qualität, nach unserem Motto regional, biologisch und sozial.“ Was Bio betrifft, so wurde man gleich am Anfang Mitglied von Ecovin. Ein Weinkeller mit Vinothek ist in der Planung. Eine Übergangslösung für den Keller wurde bei einem Winzer in Weimar gefunden. 

Überzeugende Qualitäten

Flaschengärung für Sekt wird in einem Gewölbekeller des Erfurter Mariendomes möglich werden. Die Weine selbst muss man vorläufig noch via Online-Shop bestellen.
Das ist für qualitätsbewusste Genießer durchaus eine lohnende Beschäftigung, wie der Startjahrgang 2022 (Preise knapp über 10 Euro) deutlich macht. Die Cuvée Goldmuskateller mit Viognier hat Saft und viel Nerv. Ssie wird aktuell noch als „Deutscher Wein“ vermarktet, weil die Reben nicht für das Gebiet klassifiziert sind. Die sonstigen Weine können als Qualitätsweine mit Herkunft Saale-Unstrut deklariert werden. Der Riesling gefällt mit feiner Würze und eleganten Facetten. Der Chardonnay hat Biss und eine cremige Note. Der Pinot Noir präsentiert sich elegant, mit feinen Gerbstoffen; er ist ebenso wie die Cuvée bereits ausverkauft. Aber inzwischen steht 2023 in den Startlöchern.
Fazit: Der wiederbelebte Erfurter Weinbau hat offenbar eine gute Zukunft mit zwei ambitionierten Machern. Weiter so!

Die Weine des ersten Jahrgangs von der Pfaffenlehne. Fotos (3): © Michael Kremer / SnapArt

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