Nächstes Thema nach der Deutschschweiz bei der vinophilen Schweiz-Tour ist das Tessin, offiziell Ticino. „Aus dem Tessin kommen große Merlot!“, höre ich immer wieder. Aber mit dem Merlot ist as so eine Sache. Merlot können große Weine sein, manchmal aber auch ziemlich beliebig. Im Tessin (Ticino) ist Merlot die wichtigste Rebsorte. 1061 Hektar Reben werden im südlichsten Kanton der Schweiz insgesamt bewirtschaftet, 976 Hektar davon sind rote Sorten, davon wiederum 87% Merlot. Merlot über alles also. Habe mehr als zwei Dutzend probiert, und ja, es gibt Unterscheide. Sogar große.
Meine sechs Top-Favoriten, die bei mir alle das Etikett „Große Merlot“ verdienen: 

Maggia 2020, Robin Garzoli

Robin Garzoli ist Winzer im Maggiatal. Und Weine aus dem Maggiatal sind eine Seltenheit, schon das macht sie spannend. Das berühmte Tal stellt besondere Herausforderungen an die Winzer. Ergebnis der Mühen ist ein spannender Wein: Aromen von Kirschen, Tendenz Süßkirschen, Pflaumen, Pfeffer und Peperoni sind zu entdecken. Die Säure passt, das Tannin ist perfekt eingebunden.

Sassi Grossi 2019, Gialdi  

Sassi Grossi bedeutet große Steine, was wohl ein deutlicher Hinweis auf den Boden ist. Der Wein reifte 14 Monate in französischen Barriques. Das Holz gibt Struktur, ist aber kaum noch spürbar. Gut so. Hier konkurrieren viele Aromen: Pflaume, Heidelbeere, diverse Gewürze, Menthol-Nuancen. Auch hier ein langes Finale im Gaumen. Ein individueller Wein mit Charisma. Gerne ein zweites Glas! 

Il Rosso di Chiara 2020, Paolo Basso 

Paolo Basso war 2013 Sommelier-Weltmeister, er weiß, wie guter Wein schmeckt. Die Höchstwertung von 3 Gläsern im Gambero Rosso, dem führenden italienischen Weinführer, sollten als Referenz reichen. Allerdings ist Bassos Il Rosso di Chiara das kein reiner Merlot, 10% Cabernet Sauvignon und 10% Cabernet Franc sind noch mit im Spiel, die sollen dem Wein Struktur und Eleganz verleihen. Funktioniert bestens! Zu riechen sind Aromen reifer Kirschen und Brombeeren, auch Röstaromen sind zu entdecken. Große Länge. Toller Merlot!

Moncucchetto Riserva 2020

Kommt von der Fattoria Moncucchetto. Auch dieser Wein ist mit 3 Gläsern im ehrwürdigen Gambero Rosso gewürdigt. Und auch hier ist neben Merlot noch etwas Cabernet Sauvignon im Spiel. Lag 22 Monate in neuen Barrique-Fässern, das merkt man auch. Würzige Aromen dominieren, dazu Kakao-, Kaffee- und Vanille-Noten. Sehr dicht, hat garantiert noch ein langes Leben vor sich. Auch ein überaus feiner Merlot, doch vor die Wahl gestellt, würde ich den Rosso di Chiara wählen. 

Platinum 2019, Brivio 

Nicht meine Nummer 1, bei den meisten Mitverkostern allerdings schon. Gärung in Edelstahltanks, dann 20 Monate Reife in neuen Holzfässern. Leicht trinkbar. In der Nase die klassischen Noten von reifen schwarzen Beeren, das Röstaroma kommt vom Holz, dazu Spuren von Lakritze, Schokolade und Zimt. Der Wein ist komplex, fein und elegant, für meinen Geschmack jedoch fast zu rund. 

Valsangiacomo Merlot Riserva 2017

Die Riserva von Uberto Valsangiacomo war mein persönlicher Merlot-„Sieger“! Es gibt nur 2445 Flaschen davon, die probierte war Nummer 2079. Großartiger Wein. Die Trauben wurden mit 104 Grad Öchsle gelesen. Nach der Gärung und 21 Tagen Maischenstandzeit in 500-Liter-Holzfässern reifte der Wein 24 Monate in Barriques . Was ist beim Verkosten nicht alles an Stichworten gefallen:  schwarze Kirschen, Kaffee, Heidelbeeren, Minze, Veilchen, Vanille, Muskatnuss, Kaffeebohnen und so weiter. Stolze 14,5 Volumenprozente Alkohol, die aber sind optimal eingebunden.

Ein Vertreter des Konsortiums präsentiert die Merlot aus dem Tessin.
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