Raritäten aus der Schweiz habe ich mit dem Räuschling schon kennengelernt – von Rebsorten wie etwa Completer aber noch nie gehört. Den gibt es in der Deutschschweiz. Nach einiger Recherche wird klar: Die Deutschschweiz scheint ein Paradies für Raritäten, denn das sind die autochthonen Sorten auf jeden Fall. Ganz klar auch mein Fall, bin großer Freund der Autochthonen. Schweiz ist also mal dran, erst recht nach der andauernden Schwärmerei des Kollegen Michael Heinrich für die Schweizer Weine. Muss mir endlich selbst ein Bild machen. 

„Finden Sie die Perlen“

Jürg Bachofner

Natürlich ist die Schweiz das Chasselas-Dorado, nichts Neues. Den Gutedel gibt es im ganzen Land in allen Spielarten, manche finde ich toll, andere nicht so toll. Doch der Chasselas ist zunächst mal fern. Denn die kleine Weintour durch die Schweiz beginnt in der deutschsprachigen Schweiz, ganz offiziell Deutschschweiz, und dort spielt der Chasselas kaum eine Rolle. Eigentlich gar keine. Basics zu dem relativ kleinen, aber feinen Gebiet sind von Jürg Bachofner zu erfahren. Bachofner ist Geschäftsführer des  Branchenverbands Deutschschweizer Wein, kennt sich perfekt aus. Die Rebfläche beträgt rund 2500 Hektar, macht 18 % der Schweizer Weinbaufläche. 16 Weinbaukantone gibt es dort, 20 verschiedene Terroirs. Die beiden wichtigsten Sorten sind Pinot Noir und, siehe da, Müller-Thurgau. Dann sind da eben noch die Raritäten wie Räuschling vom Zürichsee und Completer aus Graubünden. Jürg Bachofner sagt: „Diese Weine gibt es nicht im Supermarkt und sie werden auch nicht exportiert. Kommen sie und finden sie die Perlen!“ 

Der Räuschling

Und ja, es gibt sie, die Perlen. Nicht alle glänzen, manche aber sehr hell. Zum Beispiel der 2022er Räuschling von Dreistand, so heißt das 2018 gegründete Weinbauzentrum in Wädenswil am Ufer des Zürichsees.  Der Räuschling ist würzig und fruchtig, hat eine feine Aromatik und dezente Säure. Vor allem aber hat er einen ganz eigenen Charakter. Der muss nicht jeden begeistern, mich hat er gepackt. Typisch für den Räuschling sei auch sein großes Alterungspotenzial, Meister Bachofner spricht von zehn und mehr Jahren. Räuschling ist sehr alte Rebsorte. Nur noch 20 Hektar werden in der Schweiz angebaut, davon 12 Hektar am Zürichsee. Früher wars mal mehr, jetzt steht eine Renaissance an.  

Der Completer 

In die Kategorie Rarität gehört auch der Completer. Nur 30 Hektar Reben davon sind im Anbau. Jürg Bachofner stellt den 2021 Steinböckler Completer Barrique Malans von der Rutishauser-DiVino vor, AOC Graubünden. Sperriger Name, aber extrem spannender Wein. Satte 14,5% Alkohol! Obwohl ein Weißwein der erste Eindruck: Cassis pur. Ansonsten: Schöne  goldgelbe Farbe, vielschichtiges Bouquet. Viel Schmelz am Gaumen und intensiver Abgang. Irgendwann kommt auch Vanillearomatik. Interessant: Der Name Completer leitet sich vom Gebet Completorium ab, nach dem der Wein früher von den Mönchen von Chur getrunken wurde.

Tolle Pinot Noir 

Was noch? Weniger in die Kategorie Raritäten, mehr in den Topf Perlen gehört der 2022er Blauburgunder vom Weingut Jauslin, liegt an der Stadtgrenze zu Basel. Der Wein lag 18 Monate im Holzfass, ein feines Beispiel vom Zusammenspiel von Kraft und Frucht. Von Jauslin kommt auch ein mehr als anständiger Bacchus. Aber wenn wir einmal beim Blauburgunder sind – der Pinot Noir Barrique Auslese (!) vom Weingut Schipf am Zürichsee verdient Bestnoten. Nicht nur von mir: Der Wein gewann den Grand Prix Vin Suisse. Herrliche Röstaromen, dazu rauchig und fruchtig, garantiert ein langes Leben. Vom Weingut Schipf, seit über 100 Jahren im Besitz und bewirtschaftet von der Familie von Meyenburg, kommen auch Raritäten wie Räuschling, Friedsamer oder Garanoir. Die müssen noch probiert werden. Noch ein bemerkenswerter Pinot Noir, wenn auch in einer Cuvée mit Gamay: Seethaler 2020 AOC Luzern von Rafael Schacher. Der Pinot gewinnt das Rennen, der Gamay gibt dem Wein aber ein gewisses Extra.  

Die Weinfläche in der Innerschweiz habe sich in den letzten Jahren verdoppelt, erzählt Jürg Bachofner noch. Könnte mit dem Klimawandel zu tun haben. Zudem ist in der Region das Interesse für in Vergessenheit geratene, traditionelle Rebsorten wieder erwacht. Klingt gut.  
Die Tour in der Schweiz geht weiter, die Deutschschweiz war der Auftakt, Tessin (Ticino) und Lavaux folgen. 


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