Winzer Clemens Busch aus Pünderich an der Mosel gehört zu den Pionieren des Bio-Weinbaus in Deutschland. Seit 2005 wirtschaftet das Weingut konsequent biodynamisch. Der Besuch in Pünderich war natürlich auch beste Gelegenheit für ein Gespräch über Wein.

Wie sind Sie zum Weinbau gekommen?
Ich hatte eigentlich gar keine andere Wahl. Ich war immer vorgesehen als Betriebsnachfolger im Gut meiner Eltern. Unsere Familie hatte immer Wein. Die ersten Schriften gibt es mit dem Bau des Gutshauses hier von 1663. Seitdem gibt es nachweislich Weinbau in der Familie, aber die Leute hatten natürlich hier auch schon vorher Weinberge. Das waren alles Mischbetriebe mit Landwirtschaft. Ich hatte nie einen anderen Berufswunsch als Winzer. 1974 habe ich dann im den elterlichen Betrieb meine Lehre gemacht, das war damals üblich. Es war noch nicht üblich, dass man studiert.  

Moselwein ist eine Marke …
Moselwein ist international einfach bekannt. Wenn man in der Welt von deutschem Wein spricht, spricht man in der Regel von Moselwein. 

Wie definieren Sie Moselwein? 
Moselwein zeichnet schon immer durch geringere Alkoholwerte aus. Der Kabinett, das leichte Möselchen, ist in Deutschland verrufen, hat aber den Weltruf des Moselweins begründet. Es ist die Stilistik der Weine mit 7,5, 8 oder 8,5 Prozent Alkohol und einer leichten Süße. Das war für uns aber nie das Ding. Wir haben immer den Schwerpunkt auf trockene Weine gelegt, auch heute noch. Und diese Weine, die trockenen Mosel-Rieslinge, sind auch gut zu unterscheiden von den restlichen  deutschen Rieslingen aus anderen Anbaugebieten. Weil die Reben an der Mosel auf Schiefer stehen und dadurch eine gewissen Spannung reinkommt sowie eine starke Mineralität. 

Sie sind seit fast 50 Jahren im Geschäft. Wie hat sich der Weinbau in dieser Zeit entwickelt?
Wahnsinnig! Allein bei der Mechanisierung hat sich unheimlich viel getan. Aber auch bei der Weinqualität. Früher gab es schon auch tolle Weine. Es gab den großartigen 59er Jahrgang, den 76er Jahrgang. Der 75er war mein erster Jahrgang, den ich selbstständig machen konnte. Der hat es einem leicht gemacht, große Weine zu machen. Aber es gab dann auch immer Jahrgänge, ich denke an 74 oder 78, die dann nicht so großartig waren. Oder Anfang der 80er Jahre, das waren schwierige Jahrgänge. Doch seit 1988 gab es gefühlt keinen kleinen Jahrgang mehr. Wir haben jedes Jahr tolle Weine auf die Flasche gebracht. 

Kann man auch sagen, dass da der Klimawandel geholfen hat?
Jein. Natürlich hat der Klimawandel höhere Alkoholwerte gebracht. Das ist zum Teil schon zu viel geworden. Da versuchen wir gegenzuwirken. Mit größeren Anschnitt zum Beispiel, dass man gezielt auf mehr Menge setzt, um dann gezielt zu regulieren. 

Aber der Riesling hat es mit der Erwärmung schwerer, oder?
Es wird immer wieder diskutiert, ob sich der Klimawandel negativ auf die Region auswirkt, speziell den Riesling. Dass man vielleicht besser auf alternative Rebsorten setzten sollte. Da wage ich zu widersprechen. Zumindest die letzten Jahrgänge zeigen das. Wir hatten total heiße Jahrgänge, 2017, 2019, 2020 war extrem heiß, und alle  Weine haben sich als Cool Climate Weine gezeigt. Immer noch mit einer guten Säure ausgestattet und nicht zu hoch im Alkohol. Und wenn man jetzt den Jahrgang 2022 besieht: Trotz eines heißen, trockenen Sommers haben wir Weine mit 10,5 und 11 Prozent Alkohol. Ich denke auch, wir werden ein Großes Gewächs mit 11,5 oder 12 Prozent Alkohol haben. Das sind große Weine. Ich glaube, dass wir mit dem Riesling, und vor allem mit unseren Alten Reben, Potenzial haben, das sehr gut mit der Klimaerwärmung zurechtkommt. 

Also kein Austausch Shiraz für Riesling?
Nee, für mich auf keinen Fall, nicht zum jetzigen Zeitpunkt. 

Kam noch nie etwas anderes als Riesling in Frage?
Als ich ganz jung war, habe ich mich in Auxerrois verliebt. Gepflanzt habe ich ihn aber nie. Zwischendurch hatte ich mal das Glück, dass ich im Zuge der Flurbereinigung einen Weinberg bekommen habe, der war im Mischsatz bepflanzt. Der war als Riesling deklariert, aber es standen auch Müller-Thurgau und Elbling drin, im gleichen Verhältnis. Vor der Lese habe ich alle Stöcke gekennzeichnet, was eine Heidenarbeit war: Gelb war Riesling, Rot war Elbling und Weiß Müller-Thrugau. Wir haben das gesondert geerntet . Am Ende hatten wir dann eben reinsortigen Elbling. Das hat natürlich die Kellerkontrolle auf den Plan gerufen, weil man hier keinen Elbling anpflanzen durfte. Aber die standen ja hier! Zwei Jahrgänge gab es vom Elbling, 1988 und 1989, die waren richtig gut und die Leute waren begeistert. Dann wurde der Weinberg aber gerodet.

Und Riesling angepflanzt…
Klar. Riesling bietet halt eine große Vielfalt. Wenn wir Weinmenüs begleiten, sind die Leute immer überrascht, dass man mit einer Rebsorte alles machen kann. Riesling ist groß im trockenen Bereich, im fruchtsüßen und edelsüßen Bereich und vor allem Dingen im  Alter. Man kann Riesling jung zeigen, man kann Riesling aber auch gut gereift trinken. 

Klingt fast wie eine Liebeserklärung an den Riesling. 
So ist es auch gemeint. 

Sie gelten als Pionier des ökologischen Weinbaus in  Deutschland. Wann war ihr erster Bio-Jahrgang?
Mein erster Bio-Wein war 1986, seitdem gibt es überhaupt erst die Zertifizierung. 

Was war damals die Motivation?
Ich habe klassisch gelernt. Ende der 1970er Jahre: Dazu gehörte auch Begrünung abzuspritzen, Herbizide einzusetzen, das hat jeder gemacht. Man hatte weniger Arbeit. Das war Standard und auch nicht so teuer. Man hat es auch in der Schule so gelernt. Doch dann habe ich nach einer Anwendung, es müsste 1976 gewesen sein, beobachtet, dass die Würmer hochkommen und sterben. Das war für mich nicht normal. 

Haben Sie das in der Schule diskutiert? 
Ja, ich habe in der Weinbau-Schule danach gefragt, doch der Lehrer konnte mir keine Auskunft geben. Damals gab es noch kein Internet, um sich schlau zu machen oder auszutauschen. Ich habe zu meinem Vater gesagt, ich kann und möchte das nicht, ich probiere es mal ohne Herbizide. Im Jahr 1976 war es noch einfach, da war es trocken. Aber im Jahr danach, ein sehr feuchtes Jahr, da ist alles gewachsen. Ich weiß noch, dass ich ständig am Kraut rausziehen war. Unterwegs habe ich mal gesehen, dass an den Autobahnböschungen mit Motorsensen gemäht wurde. Und dann habe ich beim hiesigen Händler nach Motorsensen gefragt. Noch Jahrzehnte hat er erzählt, dass ich der Erste war, der mit einer Motorsense in den Weinberg gegangen ist. Die Leute haben geguckt: Was macht der denn da? So ging es los. 

Wie ging es weiter?
Auf einem Festival habe ich Kollegen getroffen, die ungespritzten Wein ausgeschenkt haben. Von Bio hat damals noch keiner gesprochen. Da hat man sich ausgetauscht, was kann man wie machen. Es gab Exkursionen ins Elsaß, in die Schweiz. 1984 haben wir dann den ersten Bund geschlossen: Oinos, Bund der ökologischen Moselwinzer. Wir haben die ersten Richtlinien für ökologischen Weinbau erstellt, nach unseren Vorstellungen. Die wurden nachher dann überarbeitet und 1986 wurde der Bundesverband Ökologischer Wein gegründet. Damals schon mit 60 Mitgliedern. Oinos wurde von 8 Mitgliedern gegründet.

Ist Bio-Weinbau die Zukunft? 
Ich denke, in 20 Jahren wird der größte Teil der Weinbaubetriebe biologisch arbeiten. Die Tendenz ist ganz klar. Hinzu kommt das Thema Nachhaltigkeit, was fast noch wichtiger ist als Bio. Der VDP hat sich auf die Fahne geschrieben, dass bis 2025 alle Betriebe nachhaltig zertifiziert sein müssen. Das ist schon mal ein großer Schritt. 

Manche Winzer lassen Weine mit Musikbegleitung reifen, andere setzen auf die Lese bei Vollmond. Praktizieren Sie selbst etwas Außergewöhnliches?
Musik läuft bei uns schon mal im Keller, aber im Herbst, wenn die Leute bei der Arbeit sind. Ansonsten machen die Fuder mit den Gärgeräuschen die Musik, da verzichte ich auf das andere.

Sie sind Biodynamiker, da erwartet man eigentlich was spirituelles.
Ja, es gibt diese Mystik, dass man grad als Biodynamiker nur bei Vollmond oder an den Fruchttagen erntet, den wirklich perfekten Momenten. Wer sich aber intensiv damit beschäftigt weiß, wie klein das Zeitfenster ist.  Das funktioniert eigentlich nicht. Wichtig ist, dass man an den Knotentagen, also den Tagen, wo man bestimmte Arbeiten nicht machen soll, dass man da auch nichts macht. Ansonsten muss man immer gewisse Kompromisse eingehen. Das habe ich auch von Dr. Georg Meißner, dem Spezialisten für Biodynamie in Europa, gelernt. 

Kompromisse im biodynamischen Weinbau? 
Natürlich. Pierre Masson, der vor einigen Jahren leider verstorbene Experte für biodynamische Präparate, war oft hier und hat gesagt: Man muss immer kompromissbereit sein. Es geht nicht alles immer auf den Moment. Auch die Ausbringung der Präparate kann nicht konsequent in einer bestimmten Zeit erfolgen, wenn das Wetter nicht stimmt. Es soll schon alles an einem guten Moment sein und der Winzer soll in guter Verfassung sein. Ausspruch Georg Meißner: Der Winzer soll nie unter Stress stehen, um bestimmte Maßnahmen machen zu müssen. Das ist auch eine Lebensweisheit. Konsequent mit der Umsetzung mit den biodynamischen Seiten sind wir im Keller. Das kann man steuern. Da arbeite ich nach dem Kalender von Pierre Masson. 

Welchen Wein öffnen Sie nach getaner Arbeit am Abend? 
Wir schauen in den Getränkekühlschrank was noch offen ist und geleert werden muss. Aber wir trinken auch gerne einen Wein von unserem Sohn Florian, der zusammen mit seiner Lebensgefährtin in Montpeyroux in Südfrankreich ein Weingut führt, die Domaine Flo Busch. Erst gestern wieder den Lou Bragaloux, ein Grenache Blanc. Ansonsten trinken wir auch gerne Grünen Veltliner, vorrangig von Fred Loimer, der ein guter Freund ist. Wenn es Rot sein soll habe ich mich in Blaufränkisch verliebt, etwa von Nittnaus, Claus Preisinger, Uwe Schiefer. Letztes Jahr war ich im Urlaub in der Steiermark, da haben wir uns bei den Sauvignon Blancs eingetrunken. Aber auch die Naturweinszene in der Steiermark ist großartig, zum Beispiel Sepp Muster. 

Was wird an besonderen Anlässen entkorkt, Weihnachten etwa?
Gereifte Sachen. Da geht es in die Schatzkammer und da wird schon mal eine schöne Magnum geöffnet. Aber auch große Weine von anderen Winzern. Ich bin froh, dass ich immer noch was von Egon Müller im Keller habe oder von der Familie Prüm. 

Ihre Meinung: Kork, Glas oder Schraubverschluss?
Wir machen ein bisschen was im Schrauber, aber das sind maximal 10 Prozent. Bei uns als biodynamischen Produzenten setzt man eigentlich voraus, dass mit Kork gearbeitet wird. Aber beim Korkeinkauf sind wir sehr vorsichtig. Wir streuen beim Korkeinkauf bei vier Lieferanten. Jeder weiß von den anderen. Jeder weiß, dass ein gewisser Druck da ist und versucht natürlich, uns Qualität zu liefern. Wir investieren richtig in Korken, um Korkprobleme zu reduzieren. Ein guter Kork kostet mittlerweile 1,30 Euro. Die Schrauber machen wir eigentlich für unseren norwegischen und den australischen Importeur, die wollen Schrauber haben. 

Gibt es Unterschiede bei Weinen mit Kork oder Schrauber?
Wenn ich verschraubte Weine nach drei oder vier Jahren probiere und dazu im Vergleich verkorkte Weine, dann hat die Korkvariante einfach die schönere Reifung. Beim Schrauber hast du viel mehr Reduktion. Und das verhindert meiner Meinung nach die klassische Reifung. Irgendwann kippt er dann schnell um. In den klassischen Weinbauländern Italien, Frankreich oder Spanien geht mit Schraubverschlüssen gar nichts. Und wir exportieren mittlerweile viel Wein in diese Länder. 

Mit wem würden Sie gerne mal ein Glas Wein trinken?
Ich brauche kein Model, auch keine Schauspieler, die Promis sind abgehakt. Für mich müssen es einfach nette, tolle Leute sein, da macht gemeinsam Wein trinken Spaß. 

Gibt es den perfekten Wein?
Ich würde am liebsten sagen: Ja, beim mir. Aber ich kann nicht sagen welcher, ich bin immer noch auf der Suche. 


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