Der Besuch der Tenuta Monteti in der südlichen Toskana unlängst war auch eine spannende Begegnung mit Javier Pedrazzini, der gemeinsam mit seiner Ehefrau Eva Baratta das Weingut Monteti führt. Javier Pedrazzini wurde in Buenos Aires geboren und war 20 Jahre lang als argentinischer Diplomat tätig. Seit seinem Ausscheiden aus dem Auswärtigen Dienst und seinem Eintritt in die Tenuta Monteti hat sich der Weinliebhaber und -kenner in jeden Aspekt des Weinguts gestürzt.
Sie haben im diplomatischen Dienst gearbeitet, bevor Sie sich dem Wein widmeten. Was war der Grund für diesen Wechsel?
Es gab nicht nur einen Grund. Ich habe die diplomatische Karriere geliebt und 20 Jahre meines Lebens damit verbracht, meinem Land, Argentinien, im Auslandsdienst zu dienen. Aber an einem bestimmten Punkt begann ich zu glauben, dass das Beste dieser Erfahrung hinter mir lag und nicht vor mir. Ich habe die interessantesten Erfahrungen während meiner Karriere als Juniordiplomat gemacht und ich hatte das Gefühl, dass das, was vor mir lag, für mich weniger interessant war. Das war also ein Grund.
Was hat noch eine Rolle gespielt?
Ein weiterer Grund war, dass wir – meine Frau Eva und ich – Weine generell lieben und als Privatkunden einfach immer schon sehr gut informiert waren. Ihre Eltern haben dieses unglaubliche Weingut mit viel Mühe aufgebaut und jemand musste sich darum kümmern. Also begannen wir dann auch ernsthaft über die Möglichkeit einer Veränderung nachzudenken. 2010, als wir damals in der Botschaft London waren und zurück nach Argentinien zurückversetzt wurden, haben wir beschlossen, ein Jahr Urlaub zu nehmen, um zu sehen, was wir machen können. Das Jahr haben wir dann hier auf dem Weingut verbracht und uns regelrecht in diese Arbeit verliebt. Wir waren sofort von all dem, dem wunderschönen Ort und den Menschen, die hier arbeiten, begeistert. Nach dem einem Jahr Erfahrung habe ich mein Kündigungsschreiben geschickt.
Erinnern Sie sich, wann Sie zum ersten Mal mit Wein in Berührung gekommen sind?
In meiner Kindheit war der Weinkonsum in Argentinien einer der höchsten der Welt. Wein war sehr beliebt. Kinder haben Wasser mit etwas Wein bekommen und dieser Geschmack ist ein Teil von uns, unseren Erinnerungen und unserer Kultur. Damals waren das recht einfache Weine, aber Argentinien hatte diesbezüglich eine reiche Tradition. In den Neunzigerjahren änderte sich das Ganze dann völlig, es gab anspruchsvollere Weine, aber zu der Zeit lebte ich nicht mehr in Argentinien. Also: Wein ist seit jeher ein Teil meiner Kultur, als Gesellschaft und als Familie.
Was lieben Sie am Wein?
Die Vielfalt und die Möglichkeit, in jeder Flasche Geschichten, Gebiete und Landschaften zu finden, die sich von der vorherigen unterscheiden. Es ist nicht wie bei anderen Getränken, wie zum Beispiel Spirituosen. Beim Wein stehen einem Welten offen. Und man kann verschiedene Welten erreichen und ganz verschiedene Erfahrungen machen. Das ist die Vielfalt, die ich so liebe. Deshalb versuchen wir, einen abwechslungsreichen Wein herzustellen. Auch einen sehr persönlichen Wein.
Weine aus der Toskana sind weltberühmt. Was ist das Besondere an den Weinen von Maremma und an denen von Monteti?
Zu den Weinen aus der Toskana habe ich natürlich nichts hinzuzufügen. Sie sind auf der ganzen Welt als eine der besten Weine bekannt, absolut. In der Maremma gibt es eine jüngere Weinregion. In den 1990er Jahren hat der Weinanbau einen Boom erlebt, auch wenn es schon vorher Weinproduzenten gab, die guten Wein herstellten. Aber der Boom kam in den Neunzigerjahren. Das war aber eher im zentralen und nördlichen Teil der Maremma. Hier im Süden gab es weniger Fokus und weniger Interesse.
Also Bolgheri …
Naja, Bolgheri ist wieder etwas anderes. Maremma ist einfach nur die Provinz Grosseto. Bolgheri liegt noch weiter nördlich. Aber hier waren wir unter den Ersten, die herkamen und die Gegend von Capalbio entdeckten. Evas Familie kam 1998 hierher und damals gab es eine Genossenschaft und einige andere Produzenten, aber für hochwertige Rotweine in Capalbio waren wir mit die Vorreiter.
Was ist das Besondere an der Maremma?
Das, was die Maremma besonders macht, ist diese Wildnis, die man in gewisser Weise sehen kann. Die spiegelt sich auch in den Weinen. Die Weine der Maremma haben andere Sorten. Wir in Monteti haben zum Beispiel keinen Sangiovese. Wir haben beschlossen, nach unseren eigenen Regeln zu handeln.
Welche Regeln sind das?
Wir haben die Toskana IGT-Philosophie und -Prinzipien übernommen. Das ist eine Freiheit mit sehr hoher Qualität. Dank dieser Freiheit haben wir uns für Sorten entschieden, die in der Nähe des Meeres gut gedeihen können. Es sind ja nur 15 Kilometer bis zum Meer. Für uns sind das in dieser Art von Böden vor allem die Bordeaux-Sorten, ergänzt um einige andere Sorten, die aus Frankreich, aber nicht aus Bordeaux stammen. Was unsere Weine so besonders macht, ist, dass wir diese Trauben nicht verwenden, um der Bordeaux-Formel zu folgen. Sondern um eine neue Formel zu schaffen, die das widerspiegeln kann, was wir hier in unserer Landschaft sehen.
Also ein Monteti-Wein mit dem Blick zum Meer, der andere zum Wald…
Ja, einmal zum Meer, und sonst zu den Hängen und den Hügeln hin. Und dann der Blick in den Wald und ins Hinterland. Das versuchen wir widerzuspiegeln. Und um das zu erreichen, legen wir großen Wert auf die Frische der Weine. Und das ist etwas ganz, ganz Besonderes an diesem Weingut: Die Frische, die wir im Wein zu bewahren versuchen, auch in sehr warmen Jahrgängen.
Aber warum nicht Sangiovese, es ist die Rebsorte der Toskana?
In dieser Höhe und in dieser Nähe zum Meer hat uns Sangiovese nicht die hervorragenden Ergebnisse gebracht, die wir im Rest der Toskana erzielen. Wie hatten die Idee, die besten Weine herzustellen, die dieses Land zu bieten hat. Wir haben viel ausprobiert und entschieden, dass Sangiovese, weil wir ihn lieben und respektieren, hier nicht sein Bestes gibt. Also wollen wir ihn nicht verwenden. Wir sind sehr ehrgeizig mit unserem Projekt. Und wir wollen Sangiovese nicht nur anpflanzen, weil wir eben in der Toskana sind. Es braucht nicht unbedingt noch einen Sangiovese mehr.
Was denken Sie über den Klimawandel, hat das hier Konsequenzen?
Ja, zweifellos hat es Konsequenzen. Zum Beispiel was die Reife betrifft und damit den Zeitpunkt der Lese. Früher haben wir mit der Lese Anfang September begonnen und waren Anfang Oktober fertig. Das passiert so nicht mehr. Wir rechnen mit etwa zwei Wochen Verschiebung nach vorn. Das bedeutet eine Menge Veränderungen, um die volle Reife der Beere erreichen, bei der es sich nicht nur um Zucker, sondern auch um anderen Bestandteile handelt. Man muss diese Kurven anpassen. Früher war das einfacher, sie zusammenzubringen, jetzt könnte es eine Lücke geben. Man muss also mit viel Strategie bei der Mikroparzellierung arbeiten. Wir ernten fast jede Pflanze einzeln, weil nicht alle auf die gleiche Weise reagieren. Wir versuchen, dieser Herausforderung des Klimawandels zu begegnen, indem wir mit immer mehr Sorten arbeiten.
Was erwarten Sie für die Zukunft?
Es gibt so viele Herausforderungen für die Zukunft. Die Weinberge werden immer älter, das erfordert viel Aufwand. Aber ich erwarte, dass wir uns weiter verbessern werden.
Einige Winzer haben Musik für die Weinherstellung verwendet, Beethoven, Mozart oder die italienische Oper. Manche nutzen auch andere spezielle Methoden, Mondzyklen etwa. Praktizieren sie auch etwas eher Außergewöhnliches?
Ich respektiere jeden. Das Ziel ist immer, gute Weine zu produzieren, großartige Weine. Also jede Technik, die andere Leute nutzen, um das zu erreichen, ist in Ordnung. Für uns bedeutet die Weinherstellung viel Aufwand. Wir haben keine mystische Herangehensweise an die Weinherstellung. Ich möchte jetzt keine Dinge sagen, die andere Leute irritieren könnten, deshalb versuche ich, meine Worte sorgfältig zu überdenken, weil ich jeden respektiere. Aber wenn wir arbeiten, konzentrieren wir uns auf die Selektion und darauf, den Pflanzen beim Rebschnitt, bei der Pflege und bei der Lese mit der richtigen Vorgehensweise zu helfen. Wir produzieren unseren eigenen Kompost und düngen dann mit eigenem Kompost. Wir achten auf die Bedürfnisse einer Pflanze. Das ist unser Ansatz und unser Fokus, und letztendlich auch unsere Arbeit. Es hat nichts Mystisches.
Was ist Ihr Lieblingswein für jeden Tag? Gibt es jeden Tag Monteti-Wein?
Ich liebe meine eigenen Weine, den TM Rosé und den Caburnio. Die trinke ich fast jeden Tag. Drei- bis viermal pro Woche öffnen wir zum Abendessen eine Flasche Monteti.
Und was trinken Sie zu einem besonderen Anlass? Weihnachten zum Beispiel?
Wir haben eine Bibliothek unsere Vintage-Jahrgänge. Und für einen besonderen Anlass öffnen wir eine besondere Flasche. Das kann 2005, 2010, 2011… sein. Es hängt von der Stimmung ab.
Sind auch Weine aus anderen Ländern für Sie interessant?
Ja, natürlich. Wir lieben es, Weine aus aller Welt zu probieren. Natürlich aus Frankreich, Deutschland, Österreich, aus der Schweiz und so weiter. Wir lieben das. Und selbstverständlich auch Weine aus Argentinien. Wir haben einen schönen Keller voller Weine von dort. Kürzlich haben wir Wein aus der Türkei entdeckt. Das war fantastisch und eine große Überraschung.
Mit wem würden Sie gerne mal ein Glas Wein trinken?
Eigentlich trinke ich am liebsten Wein mit Menschen, die ich liebe. Ich mag es, wenn ich Menschen treffe, die ich viele, viele Jahre nicht gesehen habe, und denen dann eine Flasche eines meiner Weine öffnen kann.
Herr Pedrazzini, ist es möglich, einen perfekten Wein herzustellen?
Das Schöne an Weinen ist die Art und Weise, wie man mit den Unvollkommenheiten umgeht und wie man durch alle Herausforderungen und Schwierigkeiten navigiert. Der Wein wird also niemals perfekt sein. Es geht nur darum, was man aus dieser Unvollkommenheit macht. Das ist genau das, was wir hier versuchen: mit Unvollkommenheiten umzugehen.
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